Lagerreparatur statt Lageraustausch – eine wirtschaftliche Alternative

Bild: The Timken Company

Einführung

Die Reparatur von Lagern ist nicht neu, gewinnt bei Kunden aus der Schwerindustrie jedoch zunehmend an Bedeutung, bietet sie doch einen spürbaren Mehrwert. Weiterentwicklungen bei Lagerbauformen und -materialien, Instandhaltung und Reparaturmethoden haben die Möglichkeiten und die Akzeptanz der Lagerreparatur als einen effizienten Weg zur Verlängerung der Lagerlebensdauer deutlich verbessert.

Ist ein Wälzlager beschädigt, leidet darunter die gesamte Produktion, was in zusätzlichen Kosten, höherem Wartungsaufwand, unnötigen Stillstandzeiten und eventuell längeren Lieferzeiten für das Endprodukt resultiert.

Tatsächlich erreichen weniger als zehn Prozent aller in der Schwerindustrie eingesetzten Lager ihre errechnete L10-Lebensdauer. Zusätzlich zu den Zeit- und Kostenvorteilen steigert die Lagerreparatur die Chance, die theoretische Lagerlebensdauer zu erreichen und macht sie zu einer wirtschaftlichen Alternative zum Kauf eines neuen Lagers.

Bild 1: Außenring eines Pendelrollenlagers vor der Wiederaufarbeitung.

Bild 1: Außenring eines Pendelrollenlagers vor der Wiederaufarbeitung. (Bild: The Timken Company)

Vorteile der Reparatur

Die ursprüngliche Lagerauslegung berücksichtigt die Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten des Lagers und ermittelt die entsprechende Prognose für Betriebs- und Ermüdungslebensdauer. Unabhängig von Bauform oder Hersteller weichen Wälzlager infolge unsachgemäßer Montage, Verunreinigung, ungenügender Schmierung oder Schiefstellung oftmals von diesen Prognosen ab. Tatsächlich erreichen weniger als zehn Prozent aller in der Schwerindustrie eingesetzten Lager ihre errechnete L10-Lebensdauer.

Weiterentwicklungen in Technologie, Materialien, Zustandsüberwachung und zuverlässigkeitsbasierten Wartungsprogrammen sowie wirtschaftlicher Druck tragen zu einem größeren Potenzial für erfolgreiche Lagerreparaturprogramme bei. Ein solches Programm spart, wie eingangs beschrieben, Zeit und Kosten in erheblichem Maß, gegenüber dem Kauf eines neuen Lagers. Ein weiteres Plus: Einige Reparaturanbieter geben eine Garantie auf ihre Dienstleistungen.

Verglichen mit der Herstellung eines neuen Lagers ist die Reparatur zudem ein umweltfreundlicheres Verfahren, das weniger Energie- und Materialeinsatz erfordert und Schrott reduziert. Der überwiegende Teil der für die Neuproduktion erforderlichen Energie – Schmelzen, Schmieden und Drehen des Materials, Wärmebehandlung und Schleifen – wird durch die Lagerreparatur reduziert.

Zusätzlich zu den Zeit- und Kostenvorteilen steigert die Lagerreparatur die Chance, die theoretische Lagerlebensdauer zu erreichen. Eine oft gestellte Frage ist, ob ein repariertes Lager so lange halten wird wie ein neues. Studien, die von Lagerherstellern und unabhängigen Instituten durchgeführt wurden, zeigen, dass ein richtig repariertes Lager eine zweite Betriebslebensdauer funktioniert, die vergleichbar der ersten ist. In reparierten Lagern werden oftmals Materialien wiederverwendet, die ihre Zuverlässigkeit in der Anwendung bereits bewiesen haben – das Risiko eines Lagerausfalls wird so reduziert. Entscheidend ist auch, dass Bauteile den Material- und Toleranzvorgaben entsprechen, die der Originalhersteller festgelegt hat. Jede Abweichung von diesen Spezifikationen erhöht das Risiko eines vorzeitigen Ausfalls.

Bild 2: Der Außenring eines großen Pendelrollenlagers nach der Wiederaufarbeitung.

Bild 2: Der Außenring eines großen Pendelrollenlagers nach der Wiederaufarbeitung. (Bild: The Timken Company)

Lagerreparatur – was ist geeignet?

Obwohl sie viele Vorteile bietet, ist eine Reparatur nicht immer die beste Lösung für ein beschädigtes Lager. Die Herausforderung besteht darin, zu entscheiden, ob und wann ein Lager repariert werden muss und welche Aufarbeitungsoption aus ökonomischen und langfristigen Erwägungen die beste ist.

Je nach dem für die Reparatur zur Verfügung stehenden Maschinenpark gibt es Einschränkungen hinsichtlich der Mindest- und Höchst-Lagergröße und der reparierbaren Typen. Es gibt sehr viele unterschiedliche Anbieter, von kleinen Einrichtungen, die aufgrund ihres Leistungsumfangs und ihrer Expertise begrenzte Möglichkeiten haben, bis zu großen Lagerherstellern mit einem uneingeschränkten Angebot an Produkten und Dienstleistungen.

Abhängig vom Leistungsumfang ist die Lagergröße, die repariert werden kann. Dabei eignen sich grundsätzlich alle Lagertypen, ungeachtet des Herstellers, für eine Reparatur, also:

  • Kegelrollenlager
  • Pendelrollenlager
  • Zylinderrollenlager
  • Kugellager
  • Axiallager (einschließlich Drehverbindungen bis zu 305 cm)
  • Kreuzrollenlager
Bild 3: Rollen und Laufbahn eines Axialkegelrollenlagers vor der Reparatur.

Bild 3: Rollen und Laufbahn eines Axialkegelrollenlagers vor der Reparatur. (Bild: The Timken Company)

Ein wichtiger Punkt in jedem Lagerreparaturprogramm ist die Erkennung potenzieller Probleme durch regelmäßige Prüfung und Kontrolle. Bestimmte Merkmale lassen auf eine erforderliche Reparatur schließen. Dazu gehören:

  • Das Lager nähert sich der prognostizierten Lebensdauer oder hat diese bereits überschritten
  • Die Betriebstemperaturen liegen über 100° C
  • Das Lager ist übermäßigen Vibrationen ausgesetzt
  • Schmierung und Temperaturen ändern sich häufig
  • Die Betriebsgeräusche sind übermäßig laut
  • Die Lagerdichtung ist nicht mehr intakt

Wird in den Routineinspektionen gut ausgebildetes und erfahrenes Personal eingesetzt, dann kann es meist bereits über eine erforderliche Reparatur entscheiden. Die frühzeitige Erkennung eines Schadens durch regelmäßige Kontrollen, vorbeugende und zustandsorientierte Instandhaltung sowie Vibrationsanalyse kann unnötige Stillstandzeiten und Kosten ersparen und hilft dabei, die Möglichkeiten und Vorteile einer Lagerreparatur zu nutzen.

Bild 4: Rollen und Laufbahn eines Axialkegelrollenlagers nach der Reparatur.

Bild 4: Rollen und Laufbahn eines Axialkegelrollenlagers nach der Reparatur. (Bild: The Timken Company)

Die Wiederaufarbeitung

Alle Lager werden zunächst sorgfältig gereinigt, dann demontiert. Dabei protokollieren ausgebildete Spezialisten alle das Lager betreffenden Informationen sowie das aktuelle Lagerspiel und kennzeichnen die Teile. Anschließend erfolgt die gründliche Prüfung der Lagerkomponenten, zunächst auf größere Schäden wie Brüche, Abplatzungen oder Verfärbungen aufgrund übermäßiger Hitze. Wird ein solcher Schaden entdeckt, ist das Lager meist nicht mehr für eine Reparatur geeignet. Anderenfalls wird entschieden, mit welchem Arbeitsaufwand die Teile in einen neuwertigen Zustand gebracht werden können.

Ergänzend messen die Spezialisten Bohrung, Außendurchmesser und Breite des Lagers und stellen die Rundheit der Laufbahnen fest. Die Art und das Ausmaß des Schadens bestimmt, ob und mit welcher Methode er reparabel ist. Wie detailliert der abschließende Prüfbericht ist, hängt von der Einrichtung ab, die diese Arbeit ausführt.

Ebenfalls abhängig von den Möglichkeiten des Reparaturbetriebs und dem Schadensmaß können manche Reparaturen vor Ort durch eigene Mitarbeiter oder durch Servicepersonal des Lagerherstellers erledigt werden. Vor Ort-Programme eignen sich im Allgemeinen für die Rezertifizierung oder Überholung, nicht zur Wiederaufarbeitung. Die verschiedenen Serviceangebote umfassen:

  • Rezertifizierung: reinigen, prüfen, messen, das Lagerspiel verifizieren, konservieren und verpacken
  • Rekonditionierung: polieren unter Einsatz des einzigartigen Gleitschleifverfahrens, konservieren und verpacken
  • Überholung: eine Kombination aus Rezertifizierungs- und Rekonditionierungsverfahren
  • Wiederaufarbeitung: reinigen, prüfen, nachschleifen der Laufbahnen, anfertigen neuer Wälzlagersätze, nachstellen des Lagerspiels, konservieren und verpacken

Ein weiteres Serviceangebot ist die

  • Umarbeitung: Existierenden oder neuen Lagereinheiten können spezielle Eigenschaften hinzugefügt werden. Diese Eigenschaften steigern die Leistung, rüsten die Einheiten für bestimmte Anwendungen um oder bringen sie auf das Niveau der neuesten Timken Produktentwicklungen.

Am Ende des jeweiligen Reparaturverfahrens werden die Lager wieder zusammengebaut und für Transport und Einlagerung verpackt. Vorher wird noch einmal kontrolliert, dass die für die Lagerbauart festgelegten Montagevorgaben eingehalten wurden. Je nach Anbieter unterscheiden sich auch die Inspektions- und Verpackungsverfahren. Lagerhersteller, die auch die Reparatur anbieten, wenden jedoch meist dieselben Verfahren an wie für ein neues Lager.

Mit einem qualitativ hochwertigen Reparaturprogramm lassen sich gegenüber dem Neukauf eines Wälzlagers erhebliche Kosten- und Zeiteinsparungen realisieren

Mit einem qualitativ hochwertigen Reparaturprogramm lassen
sich gegenüber dem Neukauf eines Wälzlagers erhebliche Kosten- und Zeiteinsparungen realisieren (Bild:The Timken Company)

Schadensstufen

Zu den im Rahmen eines Reparaturservice festgestellten Schäden gehören:

  • Reibverschleiß: zeigt sich meist als rotes oder schwarzes Eisenoxid und tritt bei Festsitzen auf; auch bekannt als Tribokorrosion
  • Fressverschleiß: Verschmieren, Riefenbildung oder Abreiben als Ergebnis davon, dass Metall durch Gleitkontakt von einer Lagerkomponente abgetragen und auf eine andere übertragen wird
  • Verfärbung: Oberflächenverfärbung ohne Grübchenbildung, ähnlich wie Öloxidation
  • Verschleiß: entsteht, wenn die Kontaktoberfläche durch mechanische Einwirkung während des Lagerbetriebs abgetragen und verschlissen wurde
  • Korrosion/Ätzung: ein chemischer Prozess (Rost), der die Oberflächen der Lagerkomponenten angreift
  • Eindrückungen: örtlich begrenzte Oberflächenvertiefungen, verursacht durch Ablagerungen oder Fremdkörper
  • Brinellierung: dauerhafte Verformung einer Lageroberfläche an den Rollen-/ Laufbahnkontaktbereichen, die durch übermäßige Belastung oder Druck entsteht
  • Ausbrüche: Abplatzen von Metall von Laufflächen oder Wälzelementen in Form von Spänen oder Partikeln auf den Lagerlaufflächen oder Wälzelementen sichtbar; auch als Mikro- oder großflächige Ausbrüche bekannt
  • Hitzerisse: Oberflächenrisse, die durch Wärme aus Schleifbrand entstehen, üblicherweise in Richtung der Drehrichtung
  • Riss/Bruch: deutlich sichtbarer Oberflächenriss, meist verursacht durch unsachgemäße Handhabung oder unübliche Betriebsbedingungen

In der reichlich vorhandenen Literatur zu diesem Thema wird darüber hinaus häufig erörtert, wie man einen der folgenden Schäden erkennt:

  • chemischer Schaden – Ätzung, Verfärbung, Korrosionsgrübchen, Rost oder Reibkorrosion
  • elektrischer Schaden – Verbrennungen, Riffelung oder Grübchenbildung
  • mechanischer Schaden – Späne, Risse, Brüche, Kerben, Abplatzen und Verschmieren, Brinellierung, Eindrückungen, Riefenbildung, Reibverschleiß, Montageschaden, Schiefstellung oder fehlerhafte Schmierung

Die meisten Handbücher der Hersteller zu diesem Thema beschreiben den Schaden und sind hilfreich bei der Beseitigung der Ursachen. Vielfach sagen sie jedoch nichts zum Verhältnis zwischen Schaden und Reparaturfähigkeit. Es wird vielmehr empfohlen, sich hierzu an einen Servicetechniker zu wenden.

Bild 8 (links): Das Nachschleifen der Laufflächen ist wichtiger Bestandteil der Lagerwiederaufarbeitung.

Bild 8: Das Nachschleifen der Laufflächen
ist wichtiger Bestandteil der Lagerwiederaufarbeitung. (Bild: The Timken Company)

Einschränkungen/Erwartungen

Obwohl sich die Lagerreparatur als kostengünstige Lösung erwiesen hat, unterliegt sie doch, wie jede Dienstleistung, gewissen Einschränkungen.

Lager können oftmals mehr als einmal repariert werden, jedoch nicht unendlich oft. Die Faustformel lautet, dass ein Lager nicht mehr als drei Mal Nachgeschliffen werden sollte. Nachschleifen entfernt Material von der Oberfläche, deshalb muss es sehr sorgfältig ausgeführt werden.

Wird die Reparatur fachgerecht ausgeführt, bieten solche Lager eine Leistung, die der von neuen entspricht. Allerdings ist es wichtig zu verstehen, wie eine Reparaturmethode mit einer bestimmten Schadensart umgeht. Ein Beispiel: Polieren kann für eine Vielzahl von Schadensarten angebracht sein, ist jedoch nicht geeignet zum Entfernen von Fremdkörpereindrückungen oder Abrieb. Wird das Lager in solchen Fällen nur poliert,  darf man keine Leistung eines neuwertigen Lagers erwarten, da das Polieren nicht alle Schäden beseitigt. Es ist deshalb stets ratsam, sich an den Lagerhersteller und/oder einen Anwendungsingenieur zu wenden, um Unterstützung bei der Feststellung von Schadensursache, -ausmaß und empfohlener Reparatur zu erhalten.

Jede Lagerreparatur sollte nur von gut ausgebildetem und erfahrenem Personal durchgeführt werden, denn unnötige oder fehlerhafte Reparaturen können zu zusätzlichen Schäden und damit zu einer verkürzten Lagerlebensdauer führen. Häufige Fehler sind:

  • Unsachgemäße Polierverfahren, die Änderungen an Geometrie und/oder Profilen bewirken, beheben keine Abnutzungserscheinungen an Geometrie- und Kontaktbeschaffenheiten
  • Unsachgemäße Schleifverfahren können Hitzerisse und Schäden oder Fehler an Geometrie und/oder Profilen verursachen
  • Vermischung von unterschiedlichen voreingestellten Bauteilen
  • Unpassendes Profil, innere Geometrie, Oberflächengüte und Lagereinstellungen kann zu Lagerausfall führen

Neben dem fachkundigen Personal ist das richtige Equipment erforderlich, um die Reparatur durchzuführen und sicherzustellen, dass alle Beschädigungen überprüft und entfernt wurden. Werkzeuge wie Laser-, Koordinaten- und andere Präzisionsmessinstrumente sind darüber hinaus unabdingbare Voraussetzungen für die gründliche Kontrolle reparierter Teile.

Bild 9: Präzise Messungen sind unabdingbare Voraussetzungen für die gründliche Kontrolle reparierter Teile.

Bild 9: Präzise Messungen sind unabdingbare Voraussetzungen für die gründliche Kontrolle reparierter Teile.(Bild:The Timken Company)

Entscheidung für die Lager­reparatur

Wenn ein Lager beschädigt wird, leidet darunter die gesamte Produktion, was zu zusätzlichen Kosten, höherem Wartungsaufwand, unnötigen Stillstandzeiten und eventuell längeren Lieferzeiten für das Endprodukt führt. Das muss nicht sein. Die Lagerreparatur bietet eine schnelle und wirtschaftliche Möglichkeit, die Lebensdauer eines Lagers entlang seiner theoretischen Lebensdauer zu verlängern.

Ein qualitativ hochwertiges Lagerreparaturprogramm kann im Vergleich zum Lageraustausch zu erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungen führen. Zudem ist die Vorlaufzeit für die Reparatur wesentlich kürzer als die eines neuen Lagers.


Weitere Informationen zu Timken-Lagerreparaturen sind zu finden unter www.timken.com/bearingrepair.

Autor:

Jay Alexander
Plant Manager
The Timken Company

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