Stefan Reschke, Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner
3D-Druckverfahren, wegen des schichtweisen Materialaufbaus im Englischen überwiegend unter der Bezeichnung „Additive Manufacturing“ zusammengefasst, dienen zunehmend der kommerziellen Herstellung von kundenspezifisch maßangefertigten Bauteilen mit komplexen Geometrien, welche über herkömmliche Produktionsverfahren grundsätzlich nicht oder zumindest nicht in einem Stück gefertigt werden können. Hinzu kommt, dass einige 3D-Druckverfahren bei Raumtemperatur und normalen Umgebungsbedingung stabile räumliche Strukturen hoher Komplexität aufbauen können. Sie sind also prinzipiell dazu geeignet, mit lebender Materie wie z.B. Stammzellen des Patienten oder sehr empfindlichen biologischen Substanzen und Wirkstoffen, z.B. Kollagen oder sogenannte Wachstumsfaktoren, räumliche Strukturen wie weiche (z.B. Bindegewebe) und harte Gewebe (Knochen) oder auch Organe herzustellen. Ein weiterer extrem wertvoller Vorteil dieser Verfahren ist, dass mit ihnen direkt bei der Produktion des Bauteils Gradienten in Bezug auf Materialzusammensetzung und Porosität erzeugt werden können.
Diese Eigenschaftskombination macht additive Herstellungsverfahren höchst interessant für die personalisierte Medizin. Zum einen lassen sich hiermit patientenspezifisch Implantate als geometrisch exakte Kopien des zu ersetzenden Originals drucken. Zum anderen können patienteneigene Zellen beim Drucken eingesetzt werden, so dass das Risiko einer Abstoßungsreaktion durch den Körper erheblich gemindert und der Heilungsprozess beschleunigt wird. Dabei kommen überwiegend biologisch resorbierbare und bioaktive synthetische Werkstoffe, echte biologische Materialien sowie gelegentlich auch bioinerte Werkstoffe zum Einsatz, die, passend strukturiert, Anlagerung und Wachstum körpereigener Zellen fördern.
Über die letzten 20 Jahre haben sich einige 3D-Druckverfahren so weit entwickelt, das bereits heute Gewebe wie Haut (z.B. zur Heilung von schweren Brandverletzungen) oder Knochensegmente (z.B. zur Rekonstruktion von Gesichtspartien oder der Schädeldecke bei Missbildungen oder nach schweren Unfällen) individuell passend gefertigt werden können und nach der Implantation biologisch einwachsen. Dadurch eröffnen sich der Medizin ganz neue therapeutische Möglichkeiten, die Patienten nicht nur ein menschenwürdigeres Leben ermöglichen können, sondern in naher Zukunft zunehmend auch das Überleben – z.B. durch das Drucken funktionsfähiger Organe in Originalgeometrie unter Verwendung von patienteneigenem Zellmaterial. D.h., im Falle schwerer Erkrankungen kann in Zukunft zunehmend vollwertiger „Ersatz“ bereitgestellt werden, der Körper des Patienten sich technologisch unterstützt in einen gesunden Zustand regenerieren.
Zu den derzeit wichtigen 3D-Druckverfahren bzgl. des Einsatzes in der regenerativen Medizin gehören die Stereolithographie (SL), das selektive Lasersintern (SLS), das laserunterstützte Bioprinting (Laser-assisted Bioprinting, LAB), das Bioplotting und das so genannte Direct Ink Writing. Das etablierte Schmelzschichten (Fused Deposition Modeling, FDM) wird hier nicht weiter betrachtet, da die Strukturauflösung des Verfahrens für medizinische Zwecke häufig nicht befriedigend fein ist.
Die SL ist das älteste 3D-Druckverfahren und datiert zurück in die 1970er Jahre. Mittels SL lassen sich Photopolymere über das Einstrahlen von Laserlicht in eine Polymerlösung ortsgenau vernetzen und damit auch aushärten. Hauptanwendungsgebiet ist das Herstellen von porösen oder gitterartigen Stützstrukturen, sogenannten Scaffolds, für das Anzüchten von biologischem Gewebe im Reagenzglas sowie auch direkt im Körper des Patienten nach Implantation. Allerdings gibt es nur wenige biokompatible Polymere, die unter Einwirkung von Laserlicht nicht zerfallen. Ein weiterentwickeltes junges SL-Verfahren ist die Projektions-SL, mit der z.B. bislang kaum verarbeitbare Hydrogele erfolgreich zu Stützstrukturen gedruckt wurden.
Für den Bereich Knochenersatz wird häufig Poly-Propylenfumarat (PPF) zum stereolithographischen Drucken der Stützstruktur verwendet. Um die Bioaktivität zu erhöhen und das regenerative Knochenwachstum nach Implantation anzuregen und zu steuern, können der PPF-Lösung Polymerkügelchen beigemischt werden, die biologische Boten- und Wirkstoffe wie z.B. Wachstumsfaktoren enthalten. Ebenso können keramische Nanopulver, speziell das knochenähnliche Mineral Hydroxylapatit (HA), beigemengt – oder beschichtet mit Polymilchsäuren (PLA, Polylactic Acid) zum Hauptbestandteil des Implantats werden. Im Druckprozess werden sie in die Stützstruktur eingelagert und später im Körper bedarfsgerecht freigesetzt, wenn sie im Zuge der Umwandlung des SL-Bauteils in Knochensubstanz mit körpereigenen Produkten in Kontakt kommen. Eine weitere Substanz ist das natürliche Polymer Chitosan, aus welchem Scaffolds für Knorpel- und Knochenimplantate aufgebaut werden.
Das SLS arbeitet mit einem Pulverbett und eignet sich besonders zur Verarbeitung metallischer und keramischer Werkstoffe in harte und steife Stützstrukturen, jedoch auch für bestimmte Polymere. Geeignete Biomaterialien sind z.B. Hydroxylapatit, Trikalziumphospat und Aluminiumoxid sowie Poly-EtherEtherKetone (PEEK), Polyamid-12, Polycaprolacton (PCL) oder Polypropylen. Aus Polymer-Keramik-Biokompositen, z.B. PEEK-HA oder PLA-Kalziumphosphat, werden poröse Knochenimplantate für Schädel- und auch Gelenkrekonstruktion hergestellt, in denen sich körpereigene Zellen gut einnisten und ausbreiten können. Seit einigen Jahren lassen sich mit Polymerpulvern wie PCL oder Polyvinylalkohol auch Scaffolds für die Regeneration weichen Gewebes, z.B. des Herzens, aufbauen.
LAB ist ein Spezialverfahren, das während des Druckens den synchronen Einbau von menschlichen Spenderzellen in Hydrogel-Stützstrukturen ermöglicht. Diese Scaffolds haben allerdings eine sehr geringe mechanische Festigkeit. In Laborversuchen wurde beispielsweise erfolgreich Lebergewebe aus PLA/PLGA (PLGA = Polymilchsäure-co-Glycolid) und entsprechenden Spenderzellen gezüchtet.
Die Besonderheit des Extrusionsverfahrens Bioplotting ist, dass hier Schicht für Schicht an der Oberfläche eines wässrigen Mediums aufgetragen wird. Zur Stabilisierung der entstehenden Struktur wird ausschließlich die Auftriebskraft des Mediums genutzt. So lassen sich mit mechanisch sehr empfindlichen Substanzen wie Hydrogelen aus natürlichen Polymeren (z.B. Chitosan, Kollagen, Alginsäure) speziell die komplexen, häufig fragilen Innenstrukturen von weichem und hartem Gewebe nachbauen.
Beim Direct Ink Writing wird, in Analogie zum Prinzip des Tintenstrahldruckers, flüssiges Bindermaterial auf ein Pulverbett gesprüht und so Festigkeit erzeugt. Auf diese Weise lassen sich fast alle medizinisch relevanten Werkstoffe zu Scaffolds aufbauen. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass es eine höchst genaue und reproduzierbare Einstellung von Porosität und Porositätsgradienten im Bauteil ermöglicht, also reale Strukturen von harten, weichen und funktionellen Geweben (Organen) gut abbilden kann.
Trotz erster großer Erfolge im Bereich Knochenregeneration stehen viele 3D-Druckverfahren erst am Anfang ihrer vielversprechenden Entwicklung. Doch die Zusammenarbeit von Medizinern, Biochemikern, Biologen und Ingenieuren hat in den letzten Jahren zu gewaltigen Fortschritten geführt. Zu den aktuellen Hürden auf dem Weg zu funktionsfähigen Organen zählen die Versorgung der Stützstrukturen mit Nervenbahnen und Blutgefäßen nach der Implantation, die z.B. durch den Einbau von Botenstoffen wie Wachstumsfaktoren möglich werden könnte.
*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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