Nachhaltige Verpackungslösungen verändern die Arbeitsabläufe in der Kunststoffindustrie

In der Stadt Espoo nahe Helsinki, Finnland, hat ein Team von Wissenschaftlern hart daran gearbeitet, nachhaltige und recyclebare Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffen zu entwickeln. Eine dieser Wissenschaftlerinnen ist Dr. Ulla Forsström, leitende Wissenschaftlerin am VTT-Forschungszentrum und Koordinatorin des europäischen Forschungprojekts INN-PRESSME. Im Rahmen dieses Projekts werden innovative Kunststoffverpackungen entwickelt, die im Einklang mit der Kreislaufwirtschaft stehen.

Plastikmüll ist ein wachsendes Problem. Nach Angaben der OECD hat sich der Kunststoffverbrauch in den letzten 30 Jahren vervierfacht und nur 9 % der Kunststoffe werden recycelt. In diesem Jahr haben Forscher erstmals Mikroplastik in den Lungen lebender Menschen nachgewiesen. Neben der zunehmenden Plastikverschmutzung werden viele nachhaltige Produkte dem Hype nicht gerecht: Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten kompostierbaren Kunststoffprodukte für den Hausgebrauch nicht wirklich funktionieren.

Aber Forsström betont, dass die Folie, die sie mitentwickelt hat, anders ist. „Sie kann in der Wertschöpfungskette für faserbasierte Verpackungen recyclet werden und ist biologisch abbaubar, so dass sie sich ähnlich wie Papier in der Kompostierung auflöst“, sagt sie. Die betreffende Folie besteht aus Zellulose und kann völlig transparent produziert werden. Die Zellulose wird mechanisch in Mikrozellulose oder chemisch mit Hilfe von Enzymen in Nanozellulose aufgespalten. Andere biobasierte Materialien wie Sorbit und Carboxymethylcellulose (CMC) werden hinzugefügt, um die Folie flexibler und stabiler zu gestalten. Mehrere Studien bestätigen, dass sowohl Sorbitol als auch CMC biologisch abbaubar sind.

Laut Forsström ist die Folie zwar biologisch abbaubar, ihre Herstellung ist es aber nicht unbedingt. Nachdem die Zellulose, das CMC und das Sorbitol miteinander vermischt wurden, erfolgt ein Trocknungsprozess. „Beim Trocknungsprozess muss Wasser verdampft werden, dabei ist der Energieverbrauch ziemlich hoch”, so Forsström. „Ob man nun Kohle oder Öl als Energiequelle verwendet, oder den Strom mit Solarzellen, Wasser- oder Kernkraft erzeugt, verändert natürlich die Nachhaltigkeitsbewertung.”

Forsström fügt hinzu, dass auch die Transparenz der Folie einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit haben kann. „Wenn Sie eine völlig transparente Folie wollen, müssen Sie Nanocellulose verwenden”, sagt sie. Für eine nur durchscheinende, transluzente Folie könnte man Mikrozellulose verwenden, was den Energiebedarf des Produkts senken würde, da weniger Energie für die Verarbeitung benötigt wird.

Heli Kangas, Technologiemanagerin bei VTT, hat ebenfalls an einigen neuen Alternativen zu fossilen Kunststoffverpackungen gearbeitet. Eine davon ist ein Standbeutel, der zur Aufbewahrung von trockenen Lebensmitteln verwendet werden kann, die andere ist eine Kosmetiktube. Beide bestehen aus Karton, der mit einer Polymerschicht überzogen ist.

„Es geht darum, fossile Materialien in Verpackungen zu ersetzen, aber gleichzeitig so gute Barriereeigenschaften zu erreichen, dass man auch trockene Lebensmittel darin verpacken kann”, sagt Kangas und meint damit den Standbeutel. Bei der Lagerung von Lebensmitteln ist es wichtig, eine Barriere zu haben, die sie vor Sauerstoff und Wasser schützt, die sonst durch die Verpackung dringen würden.

Anders als die Folie sind diese Verpackungsoptionen jedoch nicht biologisch abbaubar. Laut Kangas ist aber genau das der Sinn der Sache. „Bei diesen Verpackungen zielen wir auf das vollständige Recycling der Materialien ab”, sagt sie. „Recycling ist grundsätzlich vorzuziehen, da es den höheren Mehrwert hat.”

Was den Beutel und die Kosmetiktube von herkömmlichen Verpackungen dieser Art unterscheidet, ist dass die Polymerschichten so dünn sind, dass sie zusammen mit dem Karton recycelt werden kann und keine aufwendige Materialtrennung mehr nötig ist. Solch dünne Beschichtungen erleichtern das Recycling erheblich und könnten dazu beitragen, dass weniger Plastik auf Mülldeponien oder in der Umwelt landet.

Dr. Jelena Barbir, Projektleiterin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, stimmt zu, dass wiederverwertbare Kunststoffe wichtig sind, insbesondere solche, die zu den bestehenden Abfallströmen hinzugefügt werden können. Barbir leitet das Projekt BIOPLASTICS-EUROPE, in dem Forscher untersuchen, wie biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe am besten auf den Markt gebracht werden können.

„Die Technologien, über die wir derzeit verfügen, sind recht fortschrittlich, aber wir müssen darauf drängen, dass politische Maßnahmen und Normen für innovative Materialien eingeführt werden”, sagt sie. Hinzu kommt, dass „der Preis von biobasierten Kunststoffen auf dem Markt immer noch eine wichtige Rolle spielt”.

Forsström stimmt zu, dass die Kosten von Biokunststoffen einer der limitierenden Faktoren für deren Markteinführung sind. Für die Beutel und Kosmetiktuben gibt es zwar bereits Industriepartner, die daran arbeiten, aber für die Folie muss erst noch einer gefunden werden. Forsström sagt, dass es schwierig sein kann, Unternehmen dazu zu bringen, in neue Produkte zu investieren, weil es Zeit braucht, um den Markt zu erreichen. „Die Folie braucht ein mutiges Unternehmen, das das Risiko eingeht”, sagt sie.

Deshalb hat das INN-PRESSME Projekt mit einem Budget von 1,6 Millionen Euro eine öffentliche Ausschreibung ausgerufen, die sich gezielt an Mittelstandsunternehmen und andere Industriepartner richtet, die Unterstützung bei der Skalierung ihrer innovativen Verpackungsidee benötigen. Von Dezember 2022 bis Ende Januar 2023 können sich diese beim Open Call bewerben. Am Ende werden 12-15 Konzepte ausgewählt, die von den Pilotanlagen und dem Know-How der Projektpartner profitieren können.


Autor: Jack McGovan

Deutsche Übersetzung: Lea Hüvelmeier-Schmidt, ESCI

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