Jeder Arbeitsunfall hat eine erhebliche menschliche Tragweite: Nicht nur die betroffenen Mitarbeiter leiden im Falle von Verletzungen unter den Konsequenzen, sondern auch deren Familien und andere Angehörige. Doch auch für Unternehmen verpuffen Unfälle nicht ohne Weiteres: Vielmehr hallen Schadenereignisse, bei denen Menschen verletzt werden, häufig lange nach. Die Folgen sind auch in juristischer Hinsicht unabsehbar.
Jedes Jahr sterben weltweit über zwei Millionen Menschen an den Folgen eines Arbeitsunfalls – global betrachtet sind das mehr Todesfälle als solche, die durch Kriege bedingt sind. Zwar sind Unfälle mit so gravierenden Folgen hierzulande glücklicherweise eine Ausnahme. Doch jeder Unfall, bei dem Menschen einen Schaden erleiden, ist mit menschlichem Schicksal verbunden: Denn Mitarbeiter, die in Unfälle verwickelt sind, können schwerwiegende Verletzungen erleiden, die sie nachhaltig beeinträchtigen – mitunter ihr Leben lang. Die potenziellen Folgen reichen von körperlichen Schäden über Traumata bis hin zu langfristigen Gesundheitsproblemen. So können physische und psychische Auswirkungen dazu führen, dass Beschäftigte für lange Zeiträume arbeitsunfähig sind, was nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre finanzielle Sicherheit – und damit die ihrer Familien – bedroht. Doch auch Arbeitgeber stehen vor Problemen, wenn Beschäftigte länger ausfallen und es schwerfällt, Ersatz zu finden.
Haftung, strafrechtliche Verfolgung und Reputationsschäden
Über diese Dimension hinaus haben Arbeitsunfälle auch erhebliche juristische Konsequenzen für Unternehmen. Sie zu verhindern, ist eine vorrangige Aufgabe, der auch der Gesetzgeber Rechnung trägt: Die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen für Arbeitssicherheit in Deutschland sind das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften (DGUV Vorschriften). Diese Vorschriften legen die Pflichten von Unternehmen und Führungskräften in Bezug auf die Arbeitssicherheit fest. Dazu gehört auch das Verhalten im Falle des Unfalles.
Sofern sich ein Arbeitsunfall ereignet, in dessen Folge der betroffene Mitarbeiter länger als drei Tage nicht arbeiten kann, ist dieser meldepflichtig. In diesem Moment ist die Berufsgenossenschaft (BG) einzuschalten, die wiederum eine Untersuchung einleiten muss. Wird ein Arbeitsunfall nicht gemeldet, drohen Probleme mit der BG, da diese für die Unfallversicherung zuständig ist. Ferner stehen arbeitsrechtliche und weitere Konsequenzen im Raum.
Persönliche und unternehmerische Haftung: Wenn festgestellt wird, dass notwendige Sicherheitsmaßnahmen vernachlässigt wurden, geraten die Verantwortlichen in den Fokus der rechtlichen Prüfung. Obwohl die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland einen hohen Schutz bietet, kann ein Anspruch auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber bestehen, sofern zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf den Unfall nachgewiesen werden kann. In solchen Fällen ist nicht auszuschließen, dass Geschäftsführer oder verantwortliche Mitarbeiter persönlich haftbar gemacht werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt Situationen, in denen Unfälle billigend in Kauf genommen wurden. In solchen Fällen entscheidet letztlich oft ein Gericht über die Haftungsfrage. Es ist wichtig zu beachten, dass derartige Verfahren langwierig und kostspielig sind, was erhebliche Belastungen für die mit der Sicherheit betrauten Mitarbeiter mit sich bringen kann.
Strafrechtliche Konsequenzen und Bußgelder: Diese sind mögliche Folgen, wenn Sorgfaltspflichten erheblich vernachlässigt werden und daraus ein Arbeitsunfall resultiert. In solchen Fällen kann fahrlässige Körperverletzung oder sogar Tötung im Raum stehen, je nach den spezifischen Umständen des Unfalls. Die Verantwortung reicht dabei von Unternehmensinhabern über Führungskräfte bis hin zu anderen involvierten Mitarbeitern. Wer konkret belangt wird, hängt vom Einzelfall ab – etwa der Frage, wie Verantwortung delegiert wurde und welche Fehler von wem gemacht wurden. Es besteht auch das Risiko einer Ordnungswidrigkeit, die dazu führen kann, dass gegen das Unternehmen oder seine Führungskräfte Geldbußen verhängt werden. Dies gilt selbst bei vergleichsweise geringfügigen Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften.
Regulatorische Maßnahmen: Nach einem Arbeitsunfall können Behörden regulatorische Maßnahmen verschärfen – insbesondere die Überwachung von Prozessen ist davon potenziell betroffen. Dies kann eine verstärkte Prüfung von Arbeitsplätzen, Maschinen und Ausrüstungen sowie Schulungen für Mitarbeiter umfassen. Die BG kann dem betroffenen Unternehmen Empfehlungen geben oder auch die Umsetzung bestimmter Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit und zur Verhinderung zukünftiger Unfälle fordern. Damit verbunden können Belastungen für das Unternehmen und dessen Beschäftigte sein. Denn Ermittlungen der Arbeitsschutzbehörde sowie der Unfallversicherung sind – insbesondere unter dem Blickwinkel eines konkreten Schadenfalls – selten angenehm. Im „worst case“ wird der Betrieb geschlossen, bis entsprechende Sicherheitslücken geschlossen sind.
Reputationsschäden: Der gute Ruf ist für Firmen ein unbezahlbarer Wert. Doch Arbeitsunfälle können das Ansehen erheblich schädigen – insbesondere innerhalb der oftmals wichtigsten Zielgruppe: potenziellen neuen Mitarbeitern. Negative Berichterstattung in den Medien und problematische Posts in sozialen Netzwerken können daher nicht nur zu einem Verlust von Kunden und Geschäftspartnern führen, sondern auch das Recruiting erschweren. Das gilt umso mehr im Falle von Gerichtsverfahren, im Zuge derer unter Umständen über einen längeren Zeitraum regelmäßig über einen Arbeitsunfall berichtet wird.
Um solchen Szenarien vorzubeugen und jegliche Unfallrisiken zu senken, ist frühzeitige Prävention unabdingbar. Dazu gehört die Implementierung von Konzepten zur Arbeitssicherheit ebenso wie deren operative Ausgestaltung. Verantwortlich sind dabei nicht zuletzt die Sicherheitsbeauftragten. Insbesondere ist anzuraten, auch Beinahe-Unfälle in das Notfall-Handbuch einzutragen. Daraus sollte bei Meetings mit Sicherheitsbeauftragten – aber auch im Rahmen von Abteilungs-Besprechungen etwa in der Produktion – zitiert werden. Bei Bedarf sollte eine bestehende Gefährdungsbeurteilung erneuert werden. So gelingt es, aus gefährlichen Situationen zu lernen und die Sicherheit systematisch zu erhöhen.
Autorin und Autor
Heike Munro, Geschäftsführerin und Klaus Moschner, Leiter Technologie und Entwicklung bei der U-TECH Gesellschaft für Maschinensicherheit mbH. Der führende internationale Anbieter von Personenschutzsystemen unterstützt Industrieunternehmen dabei, die Sicherheit ihrer Mitarbeiter, die an gefährlichen Maschinen arbeiten, zu gewährleisten.
Weitere Informationen: www.u-tech-gmbh.de