Datenbrillen spiegeln Information vor das Auge, ohne die Sicht des Träger zu stören. Aber der Akku macht schnell schlapp, weil die Elektronik beim Abspielen der Bilder viel Strom verbraucht. Fraunhofer-Forscher haben ein Energiespardisplay entwickelt, das den Stromverbrauch auf einen Bruchteil reduziert. Sie stellten es vom 8. bis 11. November 2016 auf der Messe electronica in München vor.
Datenbrillen spielen über ein kleines Display Informationen oder Bilder auf das Auge, die über eine Funkverbindung vom Brillengestell empfangen werden. Der große Vorteil: Mit der Datenbrille bleiben die Hände frei – ein Smartphone hingegen muss man in die Hand nehmen. Das ist für Mechaniker interessant, die über die Datenbrille Montagehinweise und Konstruktionspläne betrachten können, während sie mit den Händen die Werkzeuge halten. Auch für Sportler werden Datenbrillen zunehmend attraktiv. Mountainbike-Fahrern zum Beispiel spielen sie während der Fahrt über Stock und Stein Navigationspfeile vor. Die Radler können die Hände am Lenker lassen. Das Smartphone mit dem Navi bleibt in der Hosentasche. Trotz solcher Vorteile haben Datenbrillen den Durchbruch noch nicht wirklich geschafft. Das Problem: Die Displays verbrauchen viel Strom, weil für das Videobild viele Daten verarbeitet werden müssen. Meist ist nach einer Stunde Schluss. Zudem laufen die Mikroprozessoren schnell heiß. Das Brillengestell erwärmt sich, was gerade an der empfindlichen Schläfe unangenehm ist.
Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden haben ein besonders Energie sparendes und zugleich sehr helles Display entwickelt. Die Wissenschaftler haben langjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Displays mit organischen Leuchtdioden (OLED). Diese basieren auf elektrisch leitfähigen organischen Halbleitern, die unter Spannung sehr helles Licht abgeben. Die OLEDs werden auf einen Silizium-Halbleiter aufgetragen, der die einzelnen Pixel ansteuert. Das FEP hat eine Kamerafunktion in den Chip integriert. So können die OLED-Mikrodisplays nicht nur Licht abgeben, sondern auch die Umgebung wahrnehmen. Dazu sitzt in jedem Pixel eine kleine lichtempfindliche Photodiode. Die Kamerafunktion ist zum Beispiel wichtig, um festzustellen, in welche Richtung der Brillenträger gerade blickt. Diese Displays haben jedoch dasselbe Problem wie alle anderen Displays für Datenbrillen auch – den hohen Stromverbrauch.
Datenstrom reduziert
Damit ein bewegtes Videobild nicht flackert, müssen in einer Sekunde wie bei einem Daumenkino nacheinander viele Bilder abgespielt werden – im Falle des Videodisplays sind es 60 Bilder. Die Steuerelektronik und der Chip müssen also große Datenmengen in Sekundenbruchteilen verarbeiten. Das frisst Strom. Zudem heizen sich der Chip und die Steuerelektronik auf. Projektleiter Philipp Wartenberg und seine Kollegen vom FEP haben nun einen Weg gefunden, den großen Datenstrom zu verkleinern. »Wir steuern den Chip jetzt so, dass nicht ständig das gesamte Videobild erneuert wird, sondern nur jener Teil auf dem Display, in dem sich etwas verändert.« Läuft beispielsweise in einem Film ein Schauspieler durch ein Zimmer, ändert sich nur dessen Position, der Hintergrund hingegen nicht. Bei Anwendungen wie einem Navigationssystem für Radfahrer, bei dem nur Pfeile oder Meterangaben eingeblendet werden, sei es ohnehin unnötig, ständig das ganze Bild zu erneuern, sagt Wartenberg. »Vereinfacht gesagt, haben wir die Schaltung jetzt so angepasst, dass sie nur jenen Teil des Datenstroms durchlässt, der sich verändert.«
Halbleiter und Steuerungselektronik neu designt
Inzwischen existiert ein Prototyp, den die Experten jetzt während der Messe electronica in München vorstellen. Die Energieersparnis ist beachtlich: Während eine gewöhnliche Datenbrille eine Leistung von 200 Milliwatt benötigt, kommt das FEP-Display mit zwei bis drei Milliwatt aus – einem Hundertstel. Trotzdem leuchtet es dank der OLED-Technologie hell. Um den Video-Datenstrom zu reduzieren, mussten Wartenberg und seine Kollegen das Design des Chips und die Steuerungselektronik zunächst in großen Teilen neu entwerfen. Die Pixel heutiger Displays, die auf eine schnelle, wiederholte Bilddarstellung ausgelegt sind, hören normalerweise nach kurzer Zeit auf zu leuchten. Bei einem Modell, das nicht ständig den gesamten Bildschirm aktualisiert, darf das nicht sein, weil die stillen Bereiche des Displays sonst schnell schwarz erscheinen. Die Entwicklung des FEP steuert die Pixel so an, dass sie weiterleuchten.
Wartenberg kann sich vorstellen, dass das Display künftig nicht nur für die Industrie, sondern vor allem auch für Privatkunden und Sportler interessant sein könnte. Jogger könnten damit permanent ihren Puls kontrollieren und müssten im Lauf nicht mehr auf das wackelnde Smartphone-Display schauen. Die Wissenschaftler stehen für Projekte bereit, um das Display zeitnah auf den Markt zu bringen.
Weitere Informationen: https://www.fep.fraunhofer.de/
Forschung Kompakt / 2.11.2016