Beständige Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe für Langzeitanwendungen: Der Forschungsverbund BeBio2

Der Einsatz von Biokunststoffen, insbesondere in langlebigen Produkten, wird durch eingeschränkte Kenntnisse und schwer zugängliche Informationen zu deren Beständigkeit erheblich gehemmt. Zu diesem Ergebnis kam die Studie BioResist (FKZ 22001017), welche an der Universität Kassel (Institut für Werkstofftechnik, Fachgebiet Kunststofftechnik) durchgeführt wurde.
Aufbauend auf den Erkenntnissen der BioResist-Studie zielt der Forschungsverbund BeBio2 darauf ab, die Datenlage zur Beständigkeit zahlreicher Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe erheblich zu verbessern und diese Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Dies soll den vermehrten Einsatz biobasierter Werkstoffe fördern. Der Verbund wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) gefördert und umfasst 12 Teilprojekte, die an den drei beteiligten Forschungseinrichtungen – dem Institut für Werkstofftechnik – Kunststofftechnik der Universität Kassel, dem Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart und dem Fraunhofer-Institut für angewandte Polymerforschung (IAP) – durchgeführt werden. Zusätzlich ist die Altair Engineering GmbH an der Erstellung der Datenbank beteiligt.

Hintergrund und Bedeutung von Biokunststoffen

Kunststoffe sind in unserer heutigen Welt allgegenwärtig. In sämtlichen Industriebereichen finden sie Anwendung, wobei bisher fast ausschließlich auf klassische, erdölbasierte Varianten zurückgegriffen wird. Im Jahr 2019 lag die Gesamtproduktion von Kunststoffen weltweit bei 368 Millionen Tonnen, davon waren lediglich 1,952 Millionen Tonnen Biokunststoffe. Es wird erwartet, dass der Anteil an Biokunststoffen in den nächsten Jahren stetig ansteigen wird, was zur Lösung der Umweltproblematik beitragen und dem sinkenden Angebot sowie steigenden Preisen fossiler Rohstoffe entgegenwirken könnte [1, 2].

Was sind Biokunststoffe?

Abbildung 1: Schaubild zur Einordnung von Biokunststoffen (nach [2])

Abbildung 1: Schaubild zur Einordnung von Biokunststoffen (nach [2])

Biokunststoffe unterscheiden sich mindestens in ihrem Ausgangsmaterial oder der Abbaubarkeit von konventionellen Kunststoffen. Alle Kunststoffe die entweder biobasiert oder bioabbaubar oder beides sind, werden als Biokunststoffe bezeichnet (siehe Abbildung 1).

Biobasierte Kunststoffe: Diese werden vollständig oder teilweise auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr hergestellt. Materialien, die dieses Kriterium nicht erfüllen, gelten als fossil-basiert. [2]

Bioabbaubare Kunststoffe: Diese können sich unter Umweltbedingungen biologisch abbauen. Der Abbau erfolgt durch Mikroorganismen, die die Kunststoffe in natürliche Stoffe wie Wasser, Kohlendioxid und Biomasse zersetzen. Die Bioabbaubarkeit ist unabhängig von der Rohstoffbasis; sowohl biobasierte als auch fossil-basierte Kunststoffe können bioabbaubar sein.

Darüber hinaus werden natürlich vorkommende Polymere wie Cellulose oder Chitin als Biopolymere bezeichnet. [2]

Vorteile von Biokunststoffen

Die Verwendung von Biokunststoffen bietet zahlreiche ökologische Vorteile. Darunter zählen die Einsparung fossiler Ressourcen sowie die Reduktion des CO2-Fußabdruckes sowie der Treibhausgasemissionen der Produkte. Zudem können nachwachsende Rohstoffe lokal angebaut werden, was ökologische und logistische Vorteile mit sich bringt. Bioabbaubare Kunststoffe tragen darüber hinaus zur Abfallreduzierung bei.

Optimierung und Modifikation von Biokunststoffen
Abbildung 2: Spielkisten aus mit nativer Kartoffelstärke gefülltem PLA

Abbildung 2: Spielkisten aus mit nativer Kartoffelstärke gefülltem PLA

Um die Leistungsfähigkeit von Biokunststoffen zu erhöhen, können sie mit Naturfasern, natürlichen Füllstoffen und biologischen Additiven verstärkt oder gemischt werden. Beispiele hierfür sind Cellulose-, Hanf-, Jute- oder Holzfasern sowie native Stärke. Diese Modifizierungen sollen den Einsatz von Biokunststoffen in technisch anspruchsvollen Anwendungen wie bspw. im Automobil, in der Elektrotechnik oder in Spielwaren ermöglichen. Ein Beispiel sind Spielkisten aus einem mit nativer Kartoffelstärke gefülltem PLA (Abbildung 2), die sowohl im Außen- als auch Innenbereich eingesetzt werden. Um solche Produkte dauerhaft nutzen zu können, müssen die Materialien hinsichtlich ihrer Beständigkeit untersucht und optimiert werden.

Herausforderungen und Hemmnisse

Trotz zahlreicher Vorteile ist der Einsatz von Biokunststoffen derzeit noch gehemmt. Ursachen sind hohe Preise aufgrund geringer Produktionsmengen und die natürlichen Leistungsgrenzen der Kunststoffe. Zudem widerspricht die Forderung nach biologischer Abbaubarkeit der Langlebigkeit der Produkte. Schnell kompostierbare Biokunststoffe weisen eine vergleichsweise geringe Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit auf und eignen sich daher eher für kurzlebige Produkte wie Einweggeschirr.
Forschung und Praxisrelevanz

Der Forschungsverbund BeBio2, der seit Oktober 2021 tätig ist, führt dazu in 12 Teilprojekten Beständigkeitsuntersuchu­ngen an Biokunststoffen und Bioverbundwerkstoffen durch. Die Projekte sind dabei in zwei Hauptbereiche unterteilt: A „Consumer Products“ und B „Industrial Products“.

Teilprojektbereich A: Consumer Products

In diesem Bereich werden Biokunststoffe für Konsumgüter wie Spielwaren, Büroartikel und Haushaltsprodukte untersucht. Ziel ist es, die Materialien so zu optimieren, dass sie den spezifischen Anforderungen dieser Produkte gerecht werden. Dazu gehören beispielsweise die Beständigkeit gegen Reinigungsmittel und äußere Einflüsse wie UV-Strahlung.

Teilprojektbereich B: Industrial Products

In Teilprojektbereich B liegt der Fokus auf industriellen Anwendungen wie Medizinprodukten, Automobilteilen, Bau- und Elektrokomponenten. Die Projekte in diesem Bereich untersuchen die Beständigkeit der Materialien gegenüber Belastungen wie hohen Temperaturen, chemischen Einflüssen und mechanischen Beanspruchungen.
Innerhalb der drei Forschungseinrichtungen werden umfassende Prüfungen zur Charakterisierung der Eigenschaften der Kunststoffe durchgeführt. Dazu zählen mechanische Prüfungen, morphologische Untersuchungen, rheologische Analysen und optische Tests. Diese Prüfungen sind essenziell, um die Langzeitbeständigkeit der Biokunststoffe unter verschiedenen Einsatzbedingungen zu bewerten und geeignete Materialien für spezifische Anwendungen zu identifizieren.
Um die Forschung möglichst praxisnah zu gestalten, wird der Forschungsverbund durch zahlreiche Unternehmenspartner unterstützt. Diese Partner bringen ihre Expertise ein und lenken die Forschung auf praxisrelevante Fragestellungen und Probleme.

Datenbank zur Beständigkeit von Biokunststoffen

Ein zentraler Bestandteil des Forschungsverbundes ist die Erstellung einer öffentlich zugänglichen Datenbank, in der die gewonnenen Daten zur Beständigkeit von Biokunststoffen und Bioverbundwerkstoffen gesammelt und bereitgestellt werden. Diese Datenbank wird in Zusammenarbeit mit der Altair Engineering GmbH entwickelt und soll Unternehmen dabei helfen, fundierte Entscheidungen beim Einsatz von Biokunststoffen zu treffen.

Schlussfolgerung

Der Forschungsverbund BeBio2 zielt darauf ab, die Datenlage zur Beständigkeit von Biokunststoffen und Bioverbundwerkstoffen erheblich zu verbessern und diese Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Durch die enge Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Unternehmen wird eine praxisnahe Forschung gewährleistet, die direkt in die industrielle Anwendung übertragen werden kann. Die Ergebnisse des Verbundes sollen dazu beitragen, die Akzeptanz und den Einsatz von Biokunststoffen zu erhöhen und somit einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung globaler Umweltprobleme zu leisten.
Zum Ende der Projektlaufzeit soll eine Übersicht der Ergebnisse in der Zeitschrift Werkstoffe veröffentlicht werden.

Literaturverweise

[1] Plastics Europe. Plastics – the Facts 2020: An analysis of European plastics production, demand and waste data. [Online] Available at: https://www.plasticseurope.org/application/files/5716/0752/4286/Plastics_the_facts-WEB-2020-2021.pdf
[2] European Bioplastics. Bioplastics Market Data. [Online] Available at: https://www.european-bioplastics.org/market/

Autor:innen: Victoria Goetjes, Jan-Christoph Zarges, Hans-Peter Heim

 

Weitere Informationen:

www.bebio2.de

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