Dr. Diana Freudendahl, Dr. Heike Brandt, Dr. Ramona Langner
Die Wärmeleitfähigkeit von Materialien spielt in den verschiedensten Bereichen, von der Biologie über das Wohnen bis hin zur Elektronik, eine große Rolle oder ist für bestimmte Funktionalitäten wie sehr hohe Rechenleistungen sogar essentiell und zukünftig von enormer Wichtigkeit. Materialien mit ultrahoher Wärmeleitfähigkeit gibt es jedoch nur wenige; hier werden sie definiert als Materialien deren Wärmeleitfähigkeit κ bei Raumtemperatur über der von Kupfer (>400 W/mK) liegt. So besitzt Diamant die höchste bekannte Wärmeleitfähigkeit (>2000 W/mK), gefolgt von Materialien wie Graphit (≈2000 W/mK, bezogen auf die Wärmeleitung entlang der Schichten), Siliziumcarbid (490 W/mK) und Silber (427 W/mK). In der Elektronik wird beispielsweise Diamant zur Wärmeableitung eingesetzt. Typischerweise ist dabei mikrokristallines Diamantmaterial in einem Metall gebunden, wobei Wärmeleitfähigkeiten von einigen hundert W/mK erreicht werden. Eine direkte Produktion von Diamanten in Wafergröße zur Wärmeableitung auf Chipebene ist jedoch immer noch sehr teuer und bildet die Ausnahme.
Daher wird auch weiterhin nach Materialen mit ultrahoher Wärmeleitfähigkeit gesucht. Allgemein akzeptierte Kriterien für die Suche, insbesondere nach nichtmetallischen Materialien mit ultrahoher Wärmeleitfähigkeit, sind (a) eine einfache Kristallstruktur, (b) eine geringe durchschnittliche Atommasse, (c) starke interatomare Bindungen und (d) eine geringe Anharmonizität (Schwingungsabweichungen im Atomgitter des Kristalls). Im Laufe der Jahre wurden jedoch nur geringe Fortschritte bei der Identifizierung neuer Materialien erzielt, die diesen Kriterien entsprechen. Eine besondere Ausnahme in diesem Bereich stellen daher die Borverbindungen Bornitrid (BN), Borphosphid (BP), Borarsenid (BAs) und Borantimonid (BSb) dar, deren Erforschung für diesen Anwendungsbereich insbesondere in den letzten drei Jahren sehr zugenommen hat.
In Festkörpern bestehen verschiedene Mechanismen der Wärmeleitung, abhängig davon, ob sie elektrisch leitfähig sind oder elektrische Isolatoren (dielektrische Festkörper) darstellen. Bei elektrisch leitfähigen Festkörpern wie Metallen tragen vor allem Elektronen zum Wärmetransport und somit zur Wärmeleitung bei. Die Wärmeleitfähigkeit dielektrischer Festkörper wie Diamant, Graphit oder den genannten Borverbindungen geht hingegen auf Gitterschwingungen zurück, die Phononen genannt werden. Dabei wird die durch die zugeführte Energie hervorgerufene Schwingung der Atome an die daran gebundenen Nachbarn weitergeleitet. Die Wärmeleitfähigkeit wird dabei vor allem durch die Grenzflächenstreuung von solchen kristallinen Festkörpern begrenzt. Bei den Borverbindungen spielen in diesem Zusammenhang insbesondere auch die natürlichen Isotopenmischungen eine große Rolle. Große Isotopenunterschiede, wie z. B. bei Bor in BN und Antimon in BSb, führen zu einer stärkeren Isotopen-bedingten Streuung. Dieser Effekt ist jedoch bei BP oder BAs vermindert, da die natürliche Isotopenzusammensetzung der schwereren Atome, Phosphor und Antimon, wesentlich homogener ist.
Beim Abführen von Wärme, insbesondere bei elektronischen Komponenten, sind zudem die Wärmeausdehnungskoeffizienten der verwendeten Halbleitermaterialien wie Silizium von Bedeutung. Deren Wärmeausdehnungskoeffizienten können teilweise sehr verschieden zu den wärmeableitenden Materialien sein (z. B. Kupfer), was zu thermisch induzierten Spannungen führt. Hier könnten die Borverbindungen deutliche Vorteile liefern, so sind die theoretisch berechneten Wärmeausdehnungskoeffizienten von kubischem Borarsenid (3,6 x 10-6 K-1) und Borphosphid (2,8 x 10-6 K-1) denen von Silizium (2,6 x 10-6 K-1) relativ ähnlich, z. B. im Vergleich zu Kupfer mit 16,5 x 10-6 K-1.
Die Synthese solcher Borverbindungen gelang teilweise bereits Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre. Allerdings stellt die Herstellung qualitativ hochwertiger Kristalle mit minimalen Defektstellen und entsprechend hoher Wärmeleitfähigkeit immer noch eine Herausforderung dar und konnte größtenteils erst kürzlich erreicht werden. Obwohl BSb-Filme mittels Pulsed Laser Deposition ebenfalls bereits hergestellt werden konnten, wurden bisher noch keine Messungen in Bezug auf die Wärmeleitfähigkeit durchgeführt. Erste Berechnungen zur Wärmeleitfähigkeit, bezogen auf natürliche Isotopengemische von Bor, lassen jedoch Werte um 460 W/mK vermuten. BSb könnte in isotopenreiner Form demnach auch noch eine weitaus höhere Wärmeleitfähigkeit von über 1100 W/mK aufweisen. Im Gegensatz zur Antimonverbindung konnten defektfreie Einkristalle des Halbleiters BAs bereits synthetisiert und grundlegende Materialparameter bestimmt werden. So war es möglich experimentell eine Wärmeleitfähigkeit von κRT ≈ 1200 W/mK zu bestimmen und die Wärmeausdehnungskoeffizienten von 3,85 x 10-6 K-1 (linear) und 11,55 x 10-6 K-1 (Volumen) zu messen. Damit scheint BAs beispielsweise besonders gut zur Ableitung von Wärme an Galliumnitrid und Galliumarsenid geeignet zu sein, deren Wärmeausdehnungskoeffizienten, bezogen auf den linearen Wert von BAs, ähnlich sind. Kürzlich gelang auch die Herstellung von qualitativ hochwertigen BP-Kristallen, sowohl mit natürlicher Isotopenhäufigkeit als auch angereichert mit dem Isotop 11B. Auch hier liegen die gemessen Wärmeleitfähigkeiten über der von Kupfer, bei 490 W/mK (natürliche Isotopenmischung) und 540 W/mK (angereichert mit 11B). Die isotopenangereicherten Kristalle sind damit auch in guter Übereinstimmung mit zuvor berechneten Werten.
In diesem Jahr wurde nun auch die gemessene Wärmeleitfähigkeit isotopenangereicherter kubischer Bornitrid-Kristalle veröffentlicht. Hier hatten Berechnungen bereits eine Wärmeleitfähigkeit nahe an der von Diamant ergeben. Für cBN mit natürlicher Isotopenverteilung konnte bereits früher eine ultrahohe Wärmeleitfähigkeit von 768 W/mK gemessen werden. Nach der nun erfolgten Isotopenanreicherung konnten sowohl für 10B als auch für 11B Wärmeleitfähigkeiten von über 1600 W/mK festgestellt werden. Dies übertrifft die Wärmeleitfähigkeiten der bisher genannten Materialien und konkurriert damit, auch wenn sie noch deutlich darunter liegt, aus technologischer Sicht mit der von Diamant. Zudem konnten in diesem Zusammenhang auch weitere Erkenntnisse zu den Mechanismen der Wärmeleitfähigkeit solcher Stoffe erlangt werden. Experimentelle Tests mit Dünnschichten aus hexagonalem BN (hBN) ergaben κ-Werte zwischen 220 – 420 W/mK, die zudem ebenfalls durch Isotopenanreicherung (z. B. 10B) deutlich gesteigert werden konnten – mit gemessenen Werten von über 550 W/mK.
Insbesondere das Design des ultrahoch-wärmeleitfähigen cBN ist ein Ergebnis der kollaborativen Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Ingenieuren, mit dem Ziel solch ein Material zu entwickeln. Häufig werden Materialien jedoch auf bestimmte Funktionalitäten zugeschnitten und erst im Nachgang die Wärmeleitfähigkeit bestimmt. So weisen mindestens BN und BP auch andere interessante Eigenschaften auf, wie z. B. eine hohe Chemikalienbeständigkeit, eine gute Stabilität bei hohen Temperaturen und eine große Härte, womit sie auch für den Einsatz unter harschen Bedingungen für elektronische Geräte geeignet wären. Der spezifische Ansatz, ultrahoch-wärmeleitfähige Materialien herzustellen, ist jedoch nötig, um die Grenzen hochwärmeleitfähiger Stoffe weiter voranzutreiben.
Fraunhofer Institut für
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