Dr. Diana Freudendahl, Stefan Reschke, Dr. Ramona Langner
Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist eine Reduktion der Emission von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan von größtem Interesse. Mit einem Anteil von mehr als 60% bildet CO2 den Hauptbestandteil dieser Gase. Aktuell wird ein Ausstoß von über 31 Gt CO2/Jahr und eine Atmosphären-Konzentration von annähernd 400 ppm verzeichnet. Dies entspricht einem Anstieg von über 40% gegenüber 280 ppm im 18. Jhd. – vor Beginn der Industrialisierung. Es wurden bereits einige Strategien entwickelt, um den Gesamt-CO2-Ausstoß zu verringern, beispielsweise durch Einsatz von Technologien mit höherer Energieeffizienz oder mit Hilfe erneuerbarer Energien.
Zur Reduktion der aktuellen CO2-Konzentration in der Atmosphäre wird auch bereits seit längerem die Abscheidung sowie die unterirdische oder ozeanische Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) erforscht und eingesetzt. Diese CCS-Technologien sind jedoch noch nicht soweit ausgereift, dass sie derzeit effizient genutzt werden können. Zum Teil stehen sie auch in der Kritik. Daher rücken nun auch Technologien zu CO2-Abscheidung und Recycling bzw. Verwendung (Carbon Capture and Usage, CCU) in den Vordergrund, die langfristig im Stoffkreislauf von CO2 eine Rolle spielen können.
CO2 ist grundsätzlich ein stabiles und reaktionsträges Molekül, kann jedoch unter entsprechenden Bedingungen mit den richtigen Reaktionspartnern umgesetzt werden. Dies wird zum Beispiel bei der Photosynthese von Pflanzen und Algen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Jahr 1868 gelang es bereits, im Labor aus CO2 und Ammoniak Harnstoff herzustellen. Diese Reaktion wird auch heute noch industriell genutzt, da Harnstoff ein Bestandteil von Dünge- und Futtermitteln ist, sowie als Rohstoff in der chemischen und pharmazeutischen Industrie eingesetzt wird. Dabei ist das CO2 chemisch so gebunden, dass es nicht wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird. Derzeit wird vermehrt an weiteren Möglichkeiten für CCU geforscht, wobei verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen.
Die direkte Nutzung von CO2 als Nährstoffquelle für Mikroorganismen kann zur Erzeugung von Kraftstoffen, Chemikalien, Biopolymeren und Nährstoffen genutzt werden. Dabei wird das Treibhausgas teilweise direkt, häufig jedoch erst nach sehr guter Reinigung, zu den Nährmedien der Mikroorganismen geführt. Unter optimierten Bedingungen konnten mit Mikroalgen ein hoher photosynthetischer Umsatz, eine schnelle Produktion und eine hohe Produktvariabilität (z.B. verschiedene Zucker) beobachtet werden. Dabei wird CO2 biologisch gebunden und die Gesamtbilanz des Treibhausgases verbessert. Derzeit ist die Produktion mit Mikroalgen noch nicht wirtschaftlich, weshalb u.a. die Stoffwechselwege der Organismen biotechnologisch weiter optimiert werden müssen. Eine größere Produktionsanlage zur Herstellung von Biokunststoffen (Polyhydroxyalkanoate) mit Hilfe zweier spezieller Bakterienstämme, die CO2 als Nährquelle nutzen können, gelang bereits 2013. Produkt-Extraktionen aus solchen Mikroorganismen sind häufig aufwändig, können jedoch mit sogenannten überkritischen Fluiden, wie z.B. überkritisches CO2, verbessert werden, so dass die Produktionskosten langfristig sinken könnten. Teilweise fällt bei der Verstoffwechslung von CO2 durch Mikroalgen Calziumcarbonat aus, was als potentieller Langzeitspeicher für das Treibhausgas dienen kann. Diese Carbonate können beispielsweise auch zur Stabilisierung und Lagerung von toxischen Verbindungen genutzt oder im Bauwesen eingesetzt werden.
Eine technische Möglichkeit zur direkten Nutzung stellt die direkte Elektrolyse des CO2 in einer Carbonat-Schmelze dar, wie kürzlich im Labormaßstab gezeigt werden konnte. Dabei bilden sich an einer Stahlelektrode Carbonfasern, die vielfältige Einsatzmöglichkeiten aufweisen.
Prinzipiell können aus CO2 und geeigneten Reaktionspartnern verschiedene Basischemikalien hergestellt werden. Aktuell steht die Entwicklung neuer und besserer katalytischer Methoden zur chemischen Fixierung von CO2 im Vordergrund. Damit können der Energieverbrauch und somit die Kosten solcher Prozesse gesenkt und die Wirtschaftlichkeit verbessert werden.
Beispielsweise kann Ameisensäure, die u.a. für die Textil- und Lederindustrie von Interesse ist, aus der direkten Reaktion von Wasserstoff mit CO2 hergestellt werden. Dabei sind die Ausbeuten z.B. abhängig von dem Katalysator, dem vorherrschenden Druck beider Gase und der Temperatur. Typischerweise werden Metallkomplexe (Ruthenium, Iridium) als Katalysatoren eingesetzt. Die katalytische Reaktion von Ethen mit CO2 führt zur Acrylsäure. Durch Polymerisation wird ein Kunststoff (Polyacrylsäure) erhalten, der große Wassermengen binden und daher z.B. zum Aufsaugen von Flüssigkeiten eingesetzt werden kann. Wird Acrylsäure vor der Polymerisation modifiziert (verestert), können verschiedene Kunststoffe (Polyacrylate) hergestellt werden, die z.B. in Lacken Verwendung finden. Aus sogenannten Carbamaten, die u.a. aus CO2-basierten Alkoholen hergestellt werden können, können durch Polymerisation Polyurethan-Kunststoffe erhalten werden. In Form von Schäumen ist die Nutzung dieser Kunststoffe z.B. zur Herstellung von Matratzen denkbar.
Eine direkte Umsetzung von CO2 mit C-H-Bindungen, wie sie beispielsweise im Methan vorliegen, ist noch nicht zufriedenstellend gelungen, wird aber weiterhin erforscht. Bei aktuellen Forschungsbemühungen stehen jedoch Energie-Rohstoffe aus CO2 im Fokus. Im Pilotmaßstab konnte z.B. aus CO2 und Wasser(stoff) kürzlich ein Rohstoffgemisch hergestellt werden, das die Grundlage für Benzin, Diesel und Methanol bildet. Dazu wurde Elektrizität aus erneuerbaren Energien für die Elektrolyse genutzt. Eine Kommerzialisierung sowie die Erweiterung der Produktion sind geplant. Davon kann langfristig auch die Werkstoffforschung profitieren, die so erhaltene Rohstoffe als Basischemikalien einsetzen kann.
Um CCU umfassend ökologisch betrachten sowie Vor- und Nachteile gut einschätzen zu können, werden zukünftig auch aussagekräftige Life-Cycle Assessments (LCA) benötigt. Erste Ansätze dazu wurden bereits vorgestellt. Hürden für eine breite Verwendung von CO2 als Rohstoff sind z.B. die hohen Kosten für die Abscheidung und Reinigung des Gases, der Gesamtenergieverbrauch der Prozesse sowie der eingeschränkte Markt. Trotzdem sind zunehmende Forschungsförderungen und ‑aktivitäten, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels, als starke treibende Kräfte anzusehen und eine solargestützte Umsetzung von CO2 in Chemikalien, Werk- und Brennstoffe langfristig möglich. Insbesondere die Kopplung der Prozesse mit Sonnenenergie könnte zukünftig bei der katalytischen Synthese von Basischemikalien zu Erfolgen führen.
*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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