Dr. David Offenberg, Dr. Ramona Langner, Dr. Diana Freudendahl
Durch eine Bestrahlung mit Sonnenlicht können in einem Halbleiter negative und positive Ladungsträger freigesetzt werden. Bei Solarzellen erzeugt man dadurch elektrischen Strom. Bei der direkten solaren Wasserstofferzeugung nutzt man diese Ladungsträger, um damit direkt an der Oberfläche der Halbleiter Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Im Vergleich zur Wasserspaltung durch Elektrolyse mit Strom aus Solarzellen verspricht man sich von dieser direkteren Methode eine deutlich einfachere technische Umsetzung und eine höhere Effizienz. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist es bisher aber noch nicht gelungen, konkurrenzfähige Systeme zu entwickeln. In den letzten Jahren sind jedoch vielversprechende Entwicklungen und ein starker Anstieg der Forschungsaktivität zu beobachten. Solarer Wasserstoff könnte in Zukunft in vielen Bereichen fossile Energieträger ersetzen und für industrielle Prozesse aus Erdgas erzeugten Wasserstoff ablösen, um zu einer Senkung der CO2-Emissionen beizutragen.
Generell unterscheidet man zwei Herangehensweisen bei der direkten solaren Wasserstofferzeugung: die photokatalytischen und die photoelektrochemischen (PEC) Methoden. Beide beruhen, wie bereits angesprochen, auf photoaktiven Halbleitermaterialien, in denen also ein Photon zwei Ladungsträger in Form eines Elektron-Loch-Paares freisetzen kann, wenn seine Energie mindestens der sogenannten Bandlücke des Halbleiters entspricht. Für die Wasserspaltung werden die negativ geladenen Elektronen zur Reduktion des Wasserstoffs und die positiv geladenen Löcher zur Oxidation des Sauerstoffs genutzt. Bei photokatalytischen Systemen liegen die Halbleitermaterialien in der Regel als Pulver vor, das in einer wässrigen Lösung suspendiert ist. Wasserstoff und Sauerstoff entstehen bei Lichteinfall an jedem Partikel, so dass zur Gewinnung des Wasserstoffs zusätzlich ein Gas-Separator benötigt wird. Photoelektrochemische Systeme basieren dagegen typischerweise auf räumlich getrennten Elektroden, an denen Wasserstoff und Sauerstoff separat entstehen. Hier wurde eine Vielzahl technischer Umsetzungen demonstriert, z. B. mit nur einer zu beleuchtenden Elektrode (Photoelektrode) und einer damit elektrisch verbundenen Metallelektrode. Dabei gibt es sowohl Ansätze mit Photoanoden (hier entsteht der Sauerstoff) als auch mit Photokathoden (hier entsteht der Wasserstoff). Üblicher sind dagegen mittlerweile PEC-Zellen mit Photoanode und -kathode, die in der Regel mit einem elektrischen Leiter verbunden sind. Seltener sind beide monolithisch zu einer Scheibe kombiniert, an deren einen Seite der Wasserstoff und der anderen der Sauerstoff entsteht – auch bezeichnet als künstliches Blatt.
Halbleitermaterialien zur direkten solaren Wasserstofferzeugung müssen eine Reihe von grundlegenden, aber schwierig zu vereinenden Anforderungen erfüllen. So wird für die Spaltung eines Wassermoleküls theoretisch eine Energiemenge von 1,23 eV (Elektronenvolt) benötigt, weswegen die Bandlücke mindestens diesen Wert besitzen muss. Größer als etwa 3,1 eV darf die Bandlücke jedoch nicht sein, da hier der UV-Bereich beginnt und die Intensität des Sonnenlichts auf der Erdoberfläche stark abfällt. Für eine möglichst effiziente Nutzung des Sonnenlichts sollte die Bandlücke so gering wie möglich sein. In der Praxis wird die Wasserspaltung jedoch durch verschiedene physikalisch-chemische Effekte gehemmt, so dass oft Bandlücken im Bereich von 1,6 bis 2,4 eV erforderlich sind. Um diese Überspannungen zu reduzieren, werden in der Regel sogenannte Cokatalysatoren in Form dünner Schichten oder nanoskaliger Partikel auf die Elektrodenoberflächen aufgebracht (typischerweise Edelmetalle, wie z. B. Platin auf Kathoden). Ebenfalls üblich ist die Kopplung zweier oder mehrerer Halbleiter mit für sich genommen zu geringer Bandlücke, die zusammen jedoch Elektronen mit ausreichender Energie für die Wasserspaltung liefern.
Die sofortige Rekombination gerade erzeugter Elektron-Loch-Paare ist ein bedeutender Verlustmechanismus bei der direkten solaren Wasserstofferzeugung und beeinträchtigt maßgeblich ihre Effizienz. Das Einbringen von Fremdatomen (Dotierungen) und geeignete Nanostrukturierungen sind gängige Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer dieser Ladungsträger. In PEC-Zellen können die Ladungsträger durch das Anlegen einer Spannung oder die Verwendung von zwei Photoelektroden wirksamer voneinander getrennt werden. Der Einsatz von Cokatalysatoren und die Kopplung mehrerer Halbleiter tragen außerdem auch zu einer effizienteren Trennung der Elektron-Loch-Paare bei.
Eine besondere Schwierigkeit stellen die extremen Umgebungsbedingungen dar, denen die verwendeten Halbleitermaterialien und Cokatalysatoren ausgesetzt sind. Unter der intensiven Beleuchtung in wässrigen Lösungen mit oft extremen pH-Werten und hohen Salzkonzentrationen, die für die Wasserspaltung vorteilhaft sind, kommt es zu unerwünschten chemischen Reaktionen, die die Lebensdauer der Systeme stark begrenzen. Eine gängige Methode zum Schutz der Materialien ist das Aufbringen von Schutzschichten aus stabileren Oxiden (z. B. TiO2), die so dünn sind, dass sie einen ausreichenden Ladungsaustausch erlauben. In erster Linie wird die Lebensdauer jedoch durch die Wahl der Halbleitermaterialien bestimmt. So ermöglichen übliche Photovoltaik-Halbleiter (z. B. Si, CIGS, III/V-Halbleiter) zwar hohe Wirkungsgrade bei der direkten solaren Wasserspaltung, sind aber in wässriger Lösung chemisch sehr instabil. Umgekehrt verhält es sich bei verschiedenen Metalloxid-Halbleitern (z. B. TiO2, Fe2O3, BiVO4, WO3), die eine hohe Stabilität in Wasser aufweisen, deren geringeres Absorptionsvermögen, geringere Ladungsträgerbeweglichkeit und schnellere Elektron-Loch-Rekombination allerdings verschiedenste Materialmodifikationen erforderlich machen.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich die Forschung zur direkten solaren Wasserstofferzeugung immer noch in einem frühen Stadium befindet. Wirkungsgrade experimentell demonstrierter Systeme liegen im Fall von photokatalytischen Ansätzen erst bei wenigen Prozent und von PEC-Ansätzen in der Regel unter 10 % bzw. deutlich darüber bei der Verwendung von teureren Photovoltaik-Halbleitern – dann jedoch nur mit sehr geringer Lebensdauer. Im Vergleich dazu erreicht man heute bei der elektrolytischen Wasserstofferzeugung mit Solarstrom Wirkungsgrade von über 10 % mit marktreifen Systemen und über 20 % mit experimentellen Systemen. Prinzipiell könnte man mit PEC-Zellen mit mehreren Halbleitern Wirkungsrade von über 30 % erreichen und aufgrund des einfacheren technischen Aufbaus Wasserstoff zu geringeren Kosten herstellen. Solche Systeme könnten mit der derzeit wirtschaftlichsten und gängigsten Methode der Dampfreformierung von Erdgas konkurrieren, wozu aber die Lebensdauer der Systeme von derzeit typischerweise maximal 1000 Stunden auf mindestens 10 Jahre gesteigert werden müsste. Eine Skalierung von Laborsystemen zu praxisrelevanten Größen wäre außerdem nur dann wirtschaftlich möglich, wenn ausschließlich kostengünstige Halbleitermaterialien, Cokatalysatoren und Fertigungsverfahren eingesetzt würden. Wann dies alles erreichbar sein wird, lässt sich beim derzeitigen Entwicklungsstand noch nicht vorhersehen.
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