In diesem Beitrag wird die Entwicklung eines neuen Verbundwerkstoffs auf Basis von Edelstahl und Aluminiumoxid unter Verwendung der Additiven Fertigung vorgestellt. Die Pulver wurden im Volumenverhältnis 1:1 gemischt und mit Zellulose und Additiven zu einer viskosen Masse verarbeitet. Durch Material Extrusion wurden Probekörper hergestellt, die anschließend bei 1350 °C unter Argon gesintert wurde. Die Mikrostruktur zeigt ein dichtes Gefüge, in dem Edelstahl-Partikel gleichmäßig versintert und Aluminiumoxid-Partikel umhüllt sind. Dieses Gefüge führt zu einer gesteigerten Härte und Verschleißbeständigkeit des Materials. Der Prozess und die Eigenschaften des Materials bieten neue Perspektiven für den Einsatz in verschleißkritischen Anwendungen.
Einleitung
Metalle und Keramiken unterscheiden sich grundlegend in ihren Eigenschaften, was sie für unterschiedliche Anwendungen prädestiniert, aber auch einschränkt. Metalle zeichnen sich durch ihre hohe Duktilität und Verformbarkeit aus, was sie weniger spröde macht und die Bearbeitbarkeit erleichtert. Zudem verfügen sie über eine hohe Zähigkeit, wodurch sie Schlagbelastungen besser widerstehen können. Ihre gute elektrische und thermische Leitfähigkeit macht sie zudem zu hervorragenden Werkstoffen für Anwendungen, die Wärme- oder Stromleitung erfordern. Allerdings sind Metalle nicht ohne Schwächen: Ihre Härte und Verschleißbeständigkeit sind im Vergleich zu Keramiken geringer, und sie neigen bei hohen Temperaturen zur Festigkeitsminderung.
Keramiken hingegen bieten eine hohe Härte und Verschleißbeständigkeit, die sie ideal für abrasive oder mechanisch belastende Anwendungen macht. Zudem sind sie oft leichter als Metalle, was sie für gewichtsreduzierende Anwendungen interessant macht. Trotz dieser Vorteile leiden Keramiken unter ihrer Sprödigkeit: Sie brechen leicht unter Schlag- oder Zugbelastungen, da sie kaum plastisch verformbar sind. Hinzu kommt, dass die Herstellung und Bearbeitung von Keramiken aufwändiger und kostenintensiver sind. Ihre geringe elektrische und thermische Leitfähigkeit kann je nach Anwendung ebenfalls ein Nachteil sein.
Metall-Keramik-Verbundwerkstoffe kombinieren die Eigenschaften beider Werkstoffgruppen und bieten eine Lösung, um deren jeweilige Schwächen zu minimieren. Unter Metall-Keramik-Verbundwerkstoffen werden häufig gradierte Strukturen verstanden, die sog. „Functionally Graded Ceramic-Metal Materials“. Diese inhomogenen Festkörper stellen einen Übergang von einer metallischen zu einer keramischen Seite dar. Das Konzept gradierter Strukturen wurde in den 1990er Jahren entwickelt. [1]
Grundlagen
Der Fokus der hier vorgestellten Untersuchungen liegt jedoch auf keramisch gefüllten Metall-Matrix-Verbundwerkstoffen. Keramisch gefüllte Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe (englisch: Ceramic-Filled Metal Matrix Composites, MMCs) sind eine spezielle Klasse von Verbundwerkstoffen, die aus einer metallischen Matrix und dispergierten keramischen Partikeln, Fasern oder Whiskern bestehen.
Unter idealen Bedingungen weist der Verbundwerkstoff mechanische, thermische, physikalische und tribologische Eigenschaften auf, die durch die so genannte „Mischungsregel“ definiert sind, wie in Gleichung (1) dargestellt:
Pc = Pm · Vm + Pf · Vf -> (1)
wobei Pc die Eigenschaften des Verbundwerkstoffes, Pm die Eigenschaften der Matrixphase, Pf die Eigenschaften der Verstärkungsphase, Vm der Volumenanteil der Matrixphase und Vf der Volumenanteil der Verstärkungsphase sind [2].
Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe mit eingelagerten keramischen Partikeln kombinieren die vorteilhaften Eigenschaften von Metallen, wie Zähigkeit, Duktilität und thermische Leitfähigkeit, mit den hervorragenden mechanischen und thermischen Eigenschaften der Keramik, wie Härte, Verschleißbeständigkeit und thermische Stabilität. Die metallische Matrix dient in diesem Werkstoff als Grundstruktur, die die Keramikfüllstoffe mechanisch einbettet, sie zusammenhält und eine gewisse plastische Verformbarkeit ermöglicht. Typische Metalle, die als Matrix verwendet werden, sind Aluminium, Titan, Magnesium oder Edelstahl, abhängig von der angestrebten Anwendung. Die keramischen Füllstoffe, die oft in Form von Partikeln (z. B. Aluminiumoxid oder Siliciumcarbid) oder Fasern (z. B. Kohlenstoff- oder Siliciumcarbidfasern) vorliegen, verbessern die Härte, Festigkeit und Verschleißfestigkeit des Verbundwerkstoffs.
Die Keramikfüllstoffe sollen so in die Matrix eingebracht werden, dass sie gleichmäßig verteilt sind, um eine homogene Mikrostruktur zu erzielen. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, wie einer höheren spezifischen Festigkeit oder einer verbesserten Wärme- und Verschleißbeständigkeit. Gleichzeitig kompensiert die metallische Matrix die Sprödigkeit der Keramik, was die Bruchzähigkeit und Schlagfestigkeit des Materials erhöhen.
Ein besonderer Vorteil keramisch gefüllter Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe liegt in ihrer Vielseitigkeit. Durch die Wahl der Metall-Keramik-Kombination sowie das Mischungsverhältnis können die Eigenschaften des Materials gezielt an spezifische Anwendungen angepasst werden. Typische Einsatzbereiche finden sich in der Luft- und Raumfahrt, im Maschinenbau (z. B. Verschleißteile) und in der Medizintechnik.
Zusammenfassend sind keramisch gefüllte Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe multifunktionale Materialien, die eine optimale Balance zwischen Festigkeit, Härte, Zähigkeit und Verschleißbeständigkeit bieten und somit eine zentrale Rolle in anspruchsvollen technischen Anwendungen einnehmen können.
Für die Herstellung von Metall-Keramik-Verbundwerkstoffen stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Eine der etabliertesten Methoden ist die Pulvermetallurgie, bei der Metall- und Keramikpulver gemischt, gepresst und anschließend gesintert werden. Durch das Sintern unter hohen Temperaturen und in kontrollierter Atmosphäre entsteht ein dichtes Gefüge. Die Pulvermetallurgie ermöglicht eine gute Kontrolle über die Zusammensetzung und Mikrostruktur des Verbundwerkstoffs, erfordert jedoch präzise Prozessführung, um eine homogene Verteilung der Phasen zu gewährleisten. Beim Befüllen der Form mit der Pulvermischung kann es sehr leicht zu Entmischungen kommen. Auch das Benetzungsverhalten der metallischen Partikel auf der Oberfläche der keramischen Körner während des Sinterprozesses wird in der Literatur diskutiert [2].
Als weitere Möglichkeit, wird auch das Einbringen keramischer Partikel in eine Schmelze beschrieben. Die Schmelze wird dabei mittels eines Rührers bewegt, um eine gleichmäßige Verteilung der eingebrachten Partikel zu bewirken. Die unterschiedlichen Möglichkeiten werden in [3] beschrieben. In [4] wird die Herstellung eines mit SiC verstärkten Aluminiums über einen Schmelz-Rühr-Prozess beschrieben. Bis zu einem Anteil von 22 Ma.-% SiC wird eine homogene Verteilung beschrieben, darüber hinaus kommt es zu Verklumpungen der SiC Partikel. Die Dichten von SiC (3,21 g/cm3) und Aluminium (2,7 g/cm3) sind recht ähnlich, wodurch ein Mischprozess in der Schmelze möglich ist. Für den Verbundwerkstoff wird eine Steigerung der Härte um ca. 60% bei 22 Ma.-% SiC erreicht. Das ist weit weniger als nach Gleichung (1) zu erwarten wäre. Eine weitere Methode Metall-Matrix-Verbundwerkstoffe herzustellen ist die Schmelzinfiltration. Dazu wird ein poröser keramischer Körper mit einer Schmelze infiltriert. Das bekannteste Beispiel ist die Infiltration von porösen, ungesinterten SiC-Teilen mit flüssigem Silicium. Auf diese Weise wird der als SiSiC bezeichnete Werkstoff hergestellt. Der Si-Anteil beträgt lediglich 10 – 15 Vol.-% [5], damit unterscheidet sich SiSiC deutlich von anderen Metall-Matrix-Verbundwerkstoffen. Die bisher genannten Routen weisen unterschiedliche Unzulänglichkeiten auf. Neben den hohen Fertigungskosten, sind Entmischungen und Homogenität der Partikelverteilung zu beobachten. Ebenso bringt die Fertigung von komplexen Strukturen hohe Bearbeitungskosten mit sich. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden bietet sich die Additive Fertigung an. Hiermit können komplexer Geometrien hergestellt werden, die mit herkömmlichen Verfahren schwer realisierbar wären. Dabei können Metall- und Keramikphasen in Form von Pulvern oder Pasten kombiniert werden, um maßgeschneiderte Werkstoffe zu erzeugen. Die additive Fertigung bietet zudem Vorteile in der Ressourceneffizienz und Designfreiheit, stellt jedoch hohe Anforderungen an die Prozesskontrolle, insbesondere beim Sintern.
Für Metalle hat sich besonders die Methode „Powder Bed Fusion“ etabliert. Dabei werden Pulverpartikel mittels eines fokussierten Laserstrahls entlang einer durch die CAD-Daten vorgegebenen Bahn aufgeschmolzen. Beim Abkühlen konsolidiert die Schmelze mit der Umgebung und es entsteht eine feste Struktur. Nach Beendigung dieses Belichtungsprozesses wird die Bauplattform um eine definierte Höhe abgesenkt und eine weitere Pulverschicht aufgetragen, die wiederum mit dem fokussierten Strahl belichtet wird. Dieser Prozess wiederholt sich bis zur Fertigstellung des Bauteils.
In einem Überblick zur Additiven Fertigung von Metall-Matrix-Verbundwerkstoffen wer-den nur pulverbasierte Verfahren, wie Powder Bed Fusion und Direct Energy Deposition vorgestellt [6]. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass die Zugabe von sekundären Keramikpartikeln aufgrund der schnellen Abkühlungsgeschwindigkeit des Prozesses die Anfälligkeit für Risse erhöht. Darüber hinaus führen die unterschiedlichen thermischen Dehnungen zu hohen Spannungen im Gefüge. Bei der Verarbeitung einer Mischung von metallischen und keramischen Partikeln kommt es in besonderem Maße auf die Homogenität und Stabilität der Verteilung vor und während der Verarbeitung bzw. Formgebung an. Hier bestehen für alle Verfahren, die mit trockenen Pulvern arbeiten erhebliche Schwierigkeiten.
Eine deutliche Verbesserung ergibt sich, wenn die Pulvermischung in Form einer Paste gemischt wird, die dann mittels Material Extrusion additiv verarbeitet werden kann. Die Pasten gewährleisten eine stabile Homogenität während des gesamten Prozesses. Bei Material Extrusion wird eine Paste durch eine verfahrbare Düse gepresst und strangförmig entsprechend den CAD-Daten abgelegt. In diesem Beitrag wird beispielhaft die Herstellung eines Matrix-Verbundwerkstoffes aus Edelstahlmatrix mit Aluminiumoxidpartikeln beschrieben, für dessen Formgebung die Material Extrusion gewählt wurde.
Literaturverzeichnis
[1] M. S. El-Wazery and A. R. El-Desouky, “A review on functionally graded ceramic-metal materials,” J. Mater. Environ. Sci., vol. 6, no. 5, pp. 1369–1376, 2015.
[2] C. T. Lynch and J. P. Kershaw, “Metal matrix composites,” Def. Sci. J., vol. 43, no. 4, pp. 323–349, 1993.
[3] J. Hashim, L. Looney, and M. S. J. Hashmi, “Metal matrix composites: production by the stir casting method,” J. Mater. Process. Technol., vol. 92–93, pp. 1–7, 1999.
[4] M. Singla, D. D. Dwivedi, L. Singh, and V. Chawla, “Development of Aluminium Based Silicon Carbide Particulate Metal Matrix Composite,” J. Miner. Mater. Charact. Eng., vol. 08, no. 06, pp. 455–467, 2009.
[5] H. Cohrt, “Herstellung, Eigenschaften und Anwendung von reaktionsgebundenem, siliziuminfiltriertem Siliziumkarbid,” Z. Werkstofftechnik, vol. 16, no. 8, pp. 277–285, 1985.
[6] M. Dadkhah, M. H. Mosallanejad, L. Iuliano, and A. Saboori, “A Comprehensive Overview on the Latest Progress in the Additive Manufacturing of Metal Matrix Composites: Potential, Challenges, and Feasible Solutions,” Acta Metall. Sin. (English Lett., vol. 34, no. 9, pp. 1173–1200, 2021.
[7] W. Kollenberg, Additive Fertigung keramischer Komponenten. Vulkan-Verlag, 2020.
Autoren:
Prof. Dr. Wolfgang Kollenberg, Gesellschafter der WZR ceramic solutions GmbH, w.kollenberg@wzr-ceramic.de
Dr. Dieter Nikolay, Geschäftsführender Gesellschafter der WZR ceramic solutions GmbH, d.nikolay@wzr-ceramic.de

