Die additive Fertigung großvolumiger Kunststoffbauteile ist zeitaufwändig. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU haben nun mit SEAM (Screw Extrusion Additive Manufacturing) ein System und Verfahren entwickelt, das im Vergleich zum herkömmlichem 3D-Druck acht Mal schneller ist. Den ultraschnellen 3D-Drucker konnten Besucher vom 1. bis 5. April 2019 erstmals auf der Hannover Messe am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Aktion erleben.
Auf Messen werden sie gerne genutzt: 3D-Drucker, die kleine Souvenirs schichtweise aus geschmolzenem Kunststoff aufbauen. Bis zu einer Stunde kann es dauern, so ein Mitbringsel im Hosentaschenformat herzustellen. Dieses Verfahren ist viel zu langsam, um damit Bauteile in Großserien herzustellen, wie sie beispielsweise die Automobilindustrie benötigt. Ein System des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz ändert dies nun und hebt den 3D-Druck damit auf eine neue Stufe: Für die Fertigung eines 30 Zentimeter hohen Bauteils aus Kunststoff benötigt die Highspeed-Technologie lediglich 18 Minuten. Ein Forscherteam des Fraunhofer IWU hat es für die Additive Fertigung großvolumiger, belastbarer Kunststoffbauteile entwickelt. Werkzeughersteller, aber auch die Automobil- und Luftfahrtbranche profitieren von dem neuartigen 3D-Drucker, der eine um den Faktor 8 gesteigerte Prozessgeschwindigkeit erreicht. Er nutzt das an dem Chemnitzer Institut entwickelte Fertigungsverfahren SEAM, kurz für Screw Extrusion Additive Manufacturing.
Doch wie erzielt SEAM die hohen Prozessgeschwindigkeiten? »Indem wir Werkzeugmaschinen-Technologie mit 3D-Druck kombinieren «, sagt Dr. Martin Kausch, Wissenschaftler am Fraunhofer IWU. Zur Verarbeitung des Kunststoffs verwenden die Forscher eine eigens konstruierte Einheit, die das Rohmaterial aufschmilzt und mit einer hohen Austragsleistung ausstößt. Diese Einheit installierten sie über einer Bauplattform, die sich mithilfe des Bewegungssystems einer Werkzeugmaschine auf sechs Achsen schwenken lässt. »Diese Kombination ist bislang einzigartig«, so Dr. Kausch. Auf der Bauplattform wird der heiße Kunststoff in Schichten abgelegt. Das Bewegungssystem der Maschine sorgt dafür, dass die Bauplatte so unter der Düse entlanggleitet, dass die zuvor programmierte Bauteilform erzeugt wird. Der Tisch lässt sich mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde in die X-, Y- sowie Z-Achse bewegen und auch um bis zu 45 Grad kippen. »Damit drucken wir acht Mal schneller als herkömmliche Verfahren. Herstellungszeiten von Kunststoffbauteilen lassen sich somit enorm reduzieren«.
3D-Drucker verarbeitet preisgünstiges Ausgangsmaterial
Pro Stunde werden bis zu sieben Kilogramm Kunststoff durch die heiße Düse mit dem Durchmesser von einem Millimeter gedrückt. Die vergleichbaren 3D-Druckverfahren FDM (Fused Deposition Modeling) oder FLM (Fused Filament Modeling) erreichen in der Regel nur 50 Gramm Kunststoff pro Stunde. Die Besonderheit: SEAM verarbeitet statt teurem FLM-Filament rieselfähiges, preisgünstiges Standard-Kunststoffgranulat zu belastbaren, faserverstärkten, mehrere Meter großen Bauteilen. Auf diese Weise lassen sich die Materialkosten um das 200-fache senken.
Mit SEAM können die Forscherinnen und Forscher komplexe Geometrien ohne Stützstrukturen umsetzen. Der Clou: Mit dem neuen System gelingt es sogar, auf bereits bestehende Spritzgießbauteile aufzudrucken. »Da sich unsere Bauplattform schwenken lässt, sind wir in der Lage, mit einer separat bewegten Z-Achse auf gekrümmte Strukturen aufzudrucken«, sagt Kausch. »In Tests konnten wir verschiedenste Kunststoffe verarbeiten. Dies reicht von thermoplastischen Elastomeren bis hin zu Hochleistungskunststoffen mit 40 Prozent Kohlenstofffaser. Das sind für die Industrie besonders relevante Materialien, die sich mit klassischen 3D-Druckern nicht verarbeiten lassen.«
Weitere Informationen: www.iwu.fraunhofer.de