Holzwerkstoffe – Von vorgestern bis übermorgen

Der Baustoff Holz begleitet die Menschheit seit jeher und ebenso entwickelt ihn der Mensch kontinuierlich weiter. Insbesondere seit Anfang des 20. Jh.s sind zahlreiche interessante Holzmaterialien entstanden, viele spannende Entwicklungen werden uns auch zukünftig überraschen und Holz zu einem intelligenten Werkstoff machen.

Vor dem 20. Jh. wurden vor allem Möbel und Innen-ausbauten aus massivem Vollholz gefertigt, das meist regional verfügbar war und von Schreinern handwerklich bearbeitet wurde. Um 1900 etablierten sich meist aus Nadelgehölzen gefertigte klassische Brettschicht-, Brettsperr- und Furniersperrhölzer. Doch in der holzverarbeitenden Industrie fielen bereits damals große Mengen an Holzresten wie Sägemehl, Holzschliff oder Hackschnitzel an – sie zu Wertstoffen zu machen und in industrielle Prozesse zurückzuführen war die Grundidee der Spanplatte. Alfred Schmid und Max Himmelheber wurde bereits 1932 ein erstes schweizerisches Patent für die Spanplatte erteilt, durch welches Phenolharze mit Holzschliff zu einem holzähnlichen Werkstoff, dem sogenannten Homogenholz, verpresst werden sollten. Ziel ihrer Arbeiten war es, eine kostengünstige, gleichmäßig dichte, stabile Platte mit planebener Oberfläche herzustellen, die sich nicht verzieht, zuverlässig furnierbar und überall belastbar sein sollte. Zu diesem Zeitpunkt konnten etwa 40 % des gefällten Holzes produktiv verwertet werden. Zwischen diesem Vorläufer und der ersten industriellen Ferti­gung in den 1940er Jahren lag ein langer Weg intensiver Entwicklungsarbeit. Himmelheber entwickel-te und patentierte viele Maschinen für seine Spanplattenfabriken, die seit den 1950er Jahren rund um die Welt entstanden. Das bald globale, durch den wachsenden Massenkonsum rentable Geschäft entwickelte sich weg von der handwerklichen hin zur industriellen Holzverarbeitung.

Rückblickend kann die Spanplatte als disruptive Innovation eingestuft werden, die Massivholzprodukte ins Luxussegment verdrängte. Die klassischen Schicht- und Sperrhölzer hat sie jedoch nicht verdrängt, allerdings wurden diese erst ab den späten 60er Jahren mit chemischen Leimen verbunden – vielleicht erst durch die Innovation der Spanplatte bedingt. Auch Schicht- und Sperrhölzer werden seit-her kontinuierlich weiterentwickelt und gerade in neuerer Zeit an die Bedürfnisse des Verklebens von Laubgehölzen, angepasst, da der Klimawandel die Wachstumsbedingungen für Bäume stark verändert.

Neuere Entwicklungen von Holzwerkstoffen – ca. ab den 90er Jahren – umfassen beispielsweise mitteldichte Holzfaserplatten (MDF), hochdichte Holzfaserplatten (HDF), Oriented Strand Boards (OSB) und Wood-Plastic-Composites (WPC). Sie werden, wie klassische Spanplatten, vor allem für den Mö-bel-, Innen- und Dachausbau verwendet, WPC da-rüber hinaus auch in der Automobilindustrie, z. B. für Innenverkleidungen. Bei MDF- und HDF-Platten wird fein zerfasertes Nadelholz mit einem Leim zu einem homogenen Holzwerkstoff verpresst, der in Längs- und Querrichtung ähnliche Quell- und Schwundeigenschaften aufweist. WPC gehören hingegen zu den naturfaserverstärkten Kunststoffen, bei denen Holzfasern oder Holzmehle mit einem Anteil von 50 % – 90 % in einer Kunststoffmatrix dispergiert sind.

Eine innovative Möglichkeit, die Eigenschaften von Holz als Baumaterial zu verbessern, ist die Herstellung von sogenanntem Delignified Wood (DW). Lignin ist neben Zellulose einer der Hauptbestandteile von verholzten Pflanzen(-teilen) und trägt entscheidend zu ihrer Verstärkung bei. Es bildet ein dreidimensionales polymerisiertes Netzwerk, welches die Zellulosefasern umgibt. Um DW zu erhalten, wird das Lignin gänzlich oder teilweise entfernt, sodass nur die Struktur aus Zellulose übrigbleibt. Wird dieses Material durch Heißpressen verdichtet, lässt sich ein holzartiger Werkstoff erhalten, der im Gegensatz zu herkömmlichem Holz mit der Zeit nicht zu seiner ursprünglichen Form und Dichte zurückkehrt und über herausragende mechanische Eigenschaften verfügt. In DW können jedoch auch die Lignin-Netzwerke (teilweise) durch bestimmte Polymere ersetzt werden. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Funktionalitäten direkt im Holzwerkstoff erzielen. Ein Hauptmerkmal von solchem DW ist seine hohe Transparenz. Beispielsweise wurde mit einer Struktur basierend auf Birkenholz und PMMA bei einer Dicke von 1,5 mm eine Transparenz von 92 % erzielt, was nahe am Wert für reines PMMA liegt. Neben hochtransparenten Elementen könnten beispielsweise auch leicht durchscheinende Holzbalken erzeugt werden, die die Lichtverteilung in einem Gebäude verbessern könnten. Weitere Zusätze, die mit dem Polymer in die Holzstruktur eingebracht werden, z. B.
Metallnanopartikel, führen zu weiteren vielfältigen Funktionalitäten wie Fluoreszenz, Flammhemmung, Ultraviolettabschirmung, superhydrophoben oder elektrochromen Eigenschaften sowie einer guten mechanischen und photochemischen Stabilität.

Komplexe dreidimensionale Bauteile unmittelbar auf der Basis eines digitalen Modells fertigen zu können, ist auch für holzbasierte Bauteile von hohem Interesse. So verwundert es nicht, dass nahezu sämtliche bekannten Prozesse der additiven Fertigung ebenfalls mit Holzresten ausprobiert werden. Dabei erweist sich das Ausgangsmaterial als nicht sortenreines Naturprodukt mit natürlicher Varianz als kritischer Parameter. Da seine starke Heterogenität unvermeidbar ist, liegt eine Anpassung des Fertigungsverfahrens nahe. Derzeit wird beispielsweise mit der Individual Layer Fabrication (ILF) an der Integration des mechanischen Pressens als Prozessschritt gearbeitet. Dabei werden flüssige Klebstoffe eingesetzt, um mit einem Massenanteil an Holz von über 85 % und einer Biegefestigkeit von über 30 MPa vergleichbare Eigenschaften wie die von Spanplatten zu erreichen. Von Entwicklungen im Bereich des Multimaterial-Drucks könnten außerdem speziell intelligente Holzwerkstoffe profitieren, die wiederum durch ihre Sensorfunktionen wichtige Impulse für Smart-Home-Konzepte liefern. In Form intelligenter Fußböden könnten z. B. Energiegewinnung und Fernüberwachung – insbesondere zur Sturzerkennung in Echtzeit und Sicherheitsüberwachung – kombiniert werden.

Für die Zukunft der Holzwerkstoffindustrie gilt auch die Nutzung nachhaltiger alternativer Rohstoffe als zentral, die maßgeblich zur Ressourcenschonung beitragen. Die Verwendung von Abfällen – etwa recyceltem Holz aus der Bau- und Möbelindustrie, Verpackungsabfällen, Textilfasern sowie landwirtschaftlicher Biomasse – reduziert die Abhängigkeit von Primärholz. Zusätzlich gewinnen nachhaltige Baustoffe wie Bambus, Stroh oder pilzbasierte Materialien, als leichte und schnell nachwachsende Alternativen zu Holz, sowie der Ersatz herkömmlicher Bindemittel durch nicht-toxische und kompostierbare Alternativen wie Lehm oder biolo-gische Harze zunehmend an Bedeutung. Die Inte-gration ihrer vielfältigen Materialeigenschaften stellt die Industrie jedoch vor neue Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Anpassung von Verar-beitungstechnologien. Letztlich wird vor allem die Kom-bination verschiedener Rohstoffe zukünftig eine immer größere Rolle spielen, um sowohl eine wachsende Nachfrage als auch ambitionierte Nachhaltigkeitsziele durch die Holzwerkstoffindustrie zu erfüllen.

 

Autor:innen: M. Weißbach, R. Langner, H. Brandt, D. Freudendahl

 

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