Neues Material ermöglicht lokal flexible Dioden

Innovation mit großem Potential für Anwendungen im Elektronikbereich

Das Foto zeigt Dr. Janio Venturini (links), Prof. Tom Nilges und Erstautorin Anna Vogel vor einem Messgerät zur Bestimmung von Kristallstrukturen, einem sogenannten Einkristalldiffraktometer.

Das Foto zeigt Dr. Janio Venturini (links), Prof. Tom Nilges und Erstautorin Anna Vogel vor einem Messgerät zur Bestimmung von Kristallstrukturen, einem sogenannten Einkristalldiffraktometer.

Dioden sorgen für einen gerichteten Stromfluss und sind aus der modernen Elektronik nicht mehr wegzudenken. Bisher müssen sie aus zwei Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden. Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat nun ein Material entdeckt, mit dem es möglich ist, nur durch eine einfache Temperaturänderung eine Diode zu erzeugen.

Um eine Diode herzustellen, werden normalerweise zwei Halbleiter-Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammengebracht. Dabei handelt es sich üblicherweise um modifiziertes Silizium, in das unterschiedliche Elemente eingebracht werden, um die gewünschten Eigenschaften zu erzeugen. In der Fachsprache wird dieses Verfahren als Dotierung bezeichnet.

Durch die Dotierung mit Phosphor, Arsen oder Antimon werden zusätzliche freie Elektronen in das Material eingebracht, es ist n-dotiert, wobei n für die negativ geladenen Elektronen steht. Bor, Aluminium oder Gallium dagegen binden Elektronen aus dem Silizium, wodurch positive Ladungslöcher entstehen. Das Material ist p-dotiert. Werden die Materialien zusammengebracht, entsteht eine Diode, die den Strom nur in eine Richtung fließen lässt.

Temperatur verändert Material-Eigenschaften

„Wir haben nun ein Material gefunden, bei dem wir durch bloße Temperaturänderung bestimmen können, ob es n-leitend oder p-leitend ist“, sagt Tom Nilges, Professor für Synthese und Charakterisierung innovativer Materialien an der TUM. Die Forschenden konnten zeigen, dass eine Temperaturänderung von wenigen Grad ausreicht, um diesen Effekt zu erzielen – und dass sich mit einem Temperaturgradienten im Material eine funktionierende Diode erzeugen lässt.

„Wenn das Material bei Raumtemperatur vorliegt, haben wir einen ganz normalen p-Halbleiter, legen wir einen Temperaturgradienten an, können wir in den erwärmten Bereichen gleichzeitig einen n-Halbleiter generieren“, erklärt Nilges. Wichtig für die Anwendbarkeit: Der Effekt funktioniert im Bereich der Raumtemperatur. „Um eine Diode zu erzeugen, genügt eine lokale Erhöhung der Temperatur um wenige Grad, in unserem Fall von 22 Grad Celsius auf 35 Grad Celsius.“

Den Vorteil des neuen Materials sieht Nilges nicht nur darin, dass keine Dotierung mehr nötig ist: „Jede Diode, die gebaut wird, ist immer vorhanden. Bei unserem Material ist es anders: Mit dem Temperaturgradienten verschwindet auch die Diode. Wird die Diode wieder benötigt, reicht es, einen Temperaturgradienten zu erzeugen. Bedenkt man die Anwendungsbreite von Dioden, zum Beispiel in Solarzellen oder jeder Art von elektronischen Bauteilen, wird das Potential dieser Erfindung deutlich.“

Komplexe Zusammensetzung

Zwölf Jahre Arbeit stecken in der Suche nach dem perfekten Material, das die Forschenden mit dem Münzmetallchalkogenidhalogenid Ag18Cu3Te11Cl3 nun gefunden haben. Es besteht aus den Elementen Silber, Kupfer, Tellur und Chlor. Die Forschenden waren auf diese Verbindungsklasse gestoßen, als sie sich mit thermoelektrischen Materialien beschäftigten, die aus Wärme Strom generieren. Dabei zeigte ein Material den p-n Schalteffekt. Allerdings war dieser nur im Bereich von 100 Grad Celsius zu beobachten, was für eine praktische Anwendung ungünstig ist.

Nach vielen Analysen und Versuchen fanden die Forschenden in Ag18Cu3Te11Cl3 ein Material, das sowohl den gewünschten Effekt zeigt, als auch für Anwendungen im normalen Temperaturbereich geeignet ist. „Andere Forschungsgruppen haben diesen Schalteffekt bei verschiedenen Materialien auch entdeckt, aber bisher hat es niemand in eine konkrete Anwendung überführt“, erklärt Nilges.

In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden auch zeigen, dass sie mit ihrem Material durch Temperaturänderungen Transistoren erzeugen können.

Weitere Informationen: https://doi.org/10.1002/adma.202208698

 

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.