Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner, Stefan Reschke
Neben anorganischen 2D-Materialien wie Graphen, Bornitrid und Molybdändisulfid wird auch seit über einem Jahrzehnt an zweidimensionalen organischen Strukturen geforscht. Die Bezeichnung „2D-Polymere“ wurde lange nicht klar definiert und beinhaltet z.B. lineare Polymerisierungsprodukte an Grenzflächen, unregelmäßig verknüpfte Polymere an Oberflächen oder mehrlagige Schichten in Polymerkristallen, teilweise ohne die für klassische Kunststoffe typische periodische Wiederholung von klar definierten Einheiten (Monomeren). Eine eingeschränktere Definition beinhaltet nur solche Materialien, die eine räumlich-periodische Wiederholung der Monomere aufweisen und deren Schichten als Einzelschichten beispielsweise aus Polymerkristallen isoliert werden können. Dabei ist die Schichtdicke abhängig von der Größe der Monomeren. Es ist anzunehmen, dass das Anwendungsspektrum dieser synthetischen zweidimensionalen Werkstoffe letztlich breiter sein wird als beispielsweise das des Graphens, da sowohl die Möglichkeit der nachträglichen Modifizierung als auch eine gezielte Herstellung von Monomeren mit bestimmten Eigenschaften möglich ist.
Zweidimensionale Polymerisierungen, also Verbindungen von Monomeren in zwei definierten Raumrichtungen, sind grundsätzlich schwierig zu kontrollieren und können thermodynamisch oder kinetisch verlaufen. Bei thermodynamischen Verfahren werden mehrschichtige periodische Netzwerke, sogenannte kovalente organische Gerüststrukturen (Covalent Organic Frameworks, COF) erhalten, die den metallorganischen Gerüststrukturen (Metal-Organic Frameworks, MOF) sehr ähnlich sind. Dabei geschehen die Reaktion der Monomeren und die Kristallisation gleichzeitig. Bei kinetisch kontrollierten Reaktionen hingegen lagern sich die Monomeren in einem ersten Schritt geordnet zu einer Schicht zusammen (z.B. in einem Kristall) und werden anschließend innerhalb der Schicht kovalent verknüpft.
2D-COFs bestehen zumeist aus Boronsäuren oder Aldehyden und 1,2-Dihydroxybenzolen oder Aminen, die modular miteinander zu einzelnen Schichten verknüpft werden können. Dabei sind die Schichten untereinander jedoch nicht kovalent verbunden. Die bisherigen Versuche zur Schichttrennung von 2D-COFs führten zumeist zu dünnem mehrschichtigem Material, aber auch bereits zu einzelnen 2D-Polymerschichten. Angaben zur Stabilität oder Stärke solcher Schichten wurden bisher jedoch nicht publiziert. Generell sind 2D-COFs beispielsweise interessant als Wasserstoff- oder Methanspeicher, als Membranen oder für die Katalyse.
Das wahrscheinlich erste Beispiel eines kinetisch kontrolliert hergestellten 2D-Polymers wurde im Jahr 1997 vorgestellt. Durch die lichtinduzierte regelmäßige Vernetzung von Kohlenwasserstoffen mit zwei oder vier (endständigen) Dreifachbindungen wurde eine flache enggepackte Einzelschicht auf einem Graphitsubstrat erhalten. Diese Schicht konnte anschließend mittels eines Rastertunnelmikroskops analysiert werden, wobei die Ergebnisse hervorragend zu vorher berechneten Größen passten.
In neueren Ansätzen werden als Monomere verschiedene Anthracen-Derivate eingesetzt, die durch Belichtung zur Reaktion gebracht werden und ausgedehnte 2D-Polymere bilden. Anthracene sind aromatische Kohlenwasserstoffe mit drei kondensierten Benzolringen. Im Jahr 2012 gelang zum ersten Mal die Synthese eines 2D-Polymers auf der Basis von Anthracenen. Die speziell hergestellten Monomere sind becherartig, mit drei Anthracen-Molekülen als Becherrand und sechs Dreifachbindungen in der Position der Seitenwände. Den Becherboden bildet ein 1,3,5-Benzoltricarboxylat, dass in die Vernetzungsreaktion jedoch nicht involviert ist. Diese becherartigen Monomere lagern sich alternierend mit der Öffnung nach oben bzw. unten aneinander, wobei die räumliche Anordnung innerhalb der entstehenden kristallinen Struktur lediglich die Reaktion in zwei Raumrichtungen erlaubt. Durch Belichtung entstehen kovalente Bindungen zwischen den Anthracen-Dreiringsystemen und den im Molekül vorhandenen Dreifachbindungen. Diese mehrschichtigen Kristalle können dann durch Schichttrennung, analog zu Graphen, bei 150°C in 1-Methyl-2-Pyrrolidon (NMP) als Lösungsmittel in einzelne Schichten zerlegt werden. Die Charakterisierung erfolgt mittels Rasterkraftmikroskopie, wobei eine einheitliche Schichtdicke von ungefähr 2,5 nm gemessen wurde, was der berechneten Dicke einer Einzelschicht entspricht. Die Struktur, die den Becherboden bildet, kann zudem nachträglich entfernt werden, was zu einem 2D-Polymer mit kleinen Poren führt. Dadurch wird es auch möglich, die Eigenschaften des Polymers weiter zu modifizieren.
2014 wurden zeitgleich zwei weitere Arbeiten veröffentlicht, die ebenfalls Anthracen-Moleküle als entscheidende Strukturmerkmale aufweisen. Zum einen wurde ein fluoriertes rotorartiges Molekül hergestellt, bei dem drei Anthracene in Form eines Ypsilons verbunden sind. Diese Monomere werden zuerst durch Kristallisation in eine geordnete zweidimensionale Schichtstruktur gebracht und dann mit UV-Licht bestrahlt. Dabei entstehen zuerst Dimere, bei längerer Bestrahlung dann die angestrebten polymeren Strukturen. Die erhaltenen 2D-Polymere können anschließend in NMP bei 25°C – 50°C vom Kristall abgelöst werden. Experimentell bestimmte Schichtdicken von 0,8 nm – 1 nm entsprechen dabei den theoretisch berechneten Werten und Porengrößen von ca. 0,9 nm lassen zudem eine Wasserdurchlässigkeit erwarten, die zwei bis drei Größenordnungen über der aktueller Umkehrosmose-Membranen liegt.
Zum anderen wurde in nur drei Schritten ein Monomer synthetisiert, das aus drei Anthracen-Molekülen besteht, die am ersten und dritten Ring miteinander über andere aromatische Ringsysteme (1,3,5-Triazine) verbunden sind. Auch in diesem Fall werden die Monomeren erst kristallisiert und dann durch UV-Belichtung polymerisiert. Diese Reaktionen können im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Beispielen jedoch bereits im Gramm-Maßstab durchgeführt werden. Die Schichttrennung in NMP führt bisher hauptsächlich zu mehrschichtigem Material. Die erhaltenen 2D-Polymerkristalle können zudem „recycelt“ werden, da bei 200°C eine Depolymerisation der Anthracene stattfindet. Obwohl diese Materialien immer noch Gegenstand der Forschung sind, wird aktuell bereits über eine Produktion im technischen Maßstab nachgedacht.
Die Synthese neuer 2D-Polymeren bleibt weiterhin eine große Herausforderung für die Polymerchemie, wobei die in letzter Zeit gemachten Fortschritte, insbesondere im Bereich der Charakterisierung, vielversprechend sind. Die Eigenschaften dieser sehr jungen Werkstoffgruppe sind bisher noch größtenteils ungeklärt; derzeit erwartete Anwendungsgebiete sind jedoch optische oder elektronische Anwendungen sowie Membranen für physikalische und biologische Vorgänge.
*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
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