Passive Strahlungskühlung

In einer immer wärmeren Welt steigt auch die Notwendigkeit der Kühlung von Gebäuden, Objekten oder Personen immer weiter. Gleichzeitig verbrauchen derzeitige Kühlsysteme sehr viel Energie, wodurch sie wiederum den Verbrauch fossiler Energieträger befeuern. Schätzungen zufolge verbrauchen Kühlsysteme bereits 15% des weltweit produzierten Stroms und sind für 10% der emittierten Treibhausgase verantwortlich. Daher wird dringend nach Lösungen gesucht, den Energieverbrauch von Kühlsystemen zu senken. Einen Beitrag könnte hier die passive Strahlungskühlung leisten, mit der Objekte bzw. Oberflächen ohne zusätzliche Energiezufuhr auf Temperaturen deutlich unterhalb der Umgebungstemperatur abgekühlt werden können.

Grundsätzlich versteht man unter passiver Strahlungskühlung (Passive Radiative Cooling, PRC) das Abstrahlen von Wärme durch ein Objekt in Form von Infrarotstrahlung. Dieses Phänomen ist zwar weitverbreitet, allerdings wenig effizient, da Luftströmungen oder Sonneneinstrahlung einen viel größeren Effekt auf die Temperatur des Objekts ausüben. Würde es allerdings gelingen, die Effizienz der PRC durch neue Materialsysteme deutlich zu verbessern, könnte dies zu großen Energieeinsparungen führen. Das Haupteinsatzgebiet wird derzeit im Bereich der Gebäudekühlung gesehen, wo geschätzt wird, dass im Vergleich zur Nutzung herkömmlicher Klimaanlagen Einsparungen im Bereich von 45 bis 68% möglich sein könnten. Dabei könnten PRC-Systeme nicht nur als Fassadenanstriche genutzt werden, sondern auch zur Kühlung eines Kühlmittels für eine Klimaanlage dienen. Ein weiteres relevantes Anwendungsgebiet stellt die Kühlung von Solarzellen dar. Diese können jeweils nur einen Teil der auftreffenden Sonneneinstrahlung in Energie umwandeln, während der Rest in Wärme umgewandelt wird. Da dies die Effizienz der Solarzelle herabsetzt, könnte mittels einer PRC-Kühlung die Stromerzeugung optimiert werden. Eine weitere potenzielle Anwendung besteht in PRC-Textilien, die ihren Träger kühlen sollen. Weitere in der Literatur beschriebene Anwendungen liegen unter anderem im Bereich der Kühlung von Wasser, dem Innenraum von Fahrzeugen oder Gewächshäusern sowie von Kraftwerks- oder Elektronikkomponenten.
Nächtliche passive Strahlungskühlung wird bereits seit vielen Jahrzehnten erforscht und es wurden einige vielversprechende Materialsysteme entwickelt. Analog zur Wärmeabstrahlung der Erde ans kühlere Weltall wurden diese Materialien optimiert, Wellenlängen im sogenannten atmosphärischen Fenster (zwischen 8 und 13 µm) abzustrahlen. In diesem Bereich ist die Strahlungsabsorption der Atmosphäre sehr gering ausgeprägt, sodass die Infrarotstrahlung nahezu ungehindert ins Weltall gelangen kann. Erst vor etwa 10 Jahren gab es einen Durchbruch im Bereich der passiven Strahlungskühlung am Tag (Passive Daytime Radiative Cooling, PDRC). Seitdem wurde eine Vielzahl neuer Materialsysteme erforscht, darunter insbesondere neuartige photonische Strukturen, mit Nanopartikeln versehene Polymere und Metamaterialien.
Entscheidend für die Effizienz einer PDRC ist dabei die geeignete Kombination von Materialien bzw. Schichten, die einerseits effektiv Wärme abstrahlen und andererseits besonders gut Sonneneinstrahlung reflektieren können. Den einfachsten Fall stellt ein Zweischichtsystem dar, bei dem die untere Schicht starke Reflexionseigenschaften aufweist, während die obere Schicht hochtransparent ist und stark Wärme abstrahlt. Als reflektive Schichten werden beispielsweise Metalle wie Aluminium oder Silber gewählt, aber auch Beschichtungen auf Basis von Titandioxid-Nanopartikeln kommen zum Einsatz. Als wärmeabstrahlende Schichten werden etwa mit Siliziumdioxid- sowie Siliziumcarbid-Nanopartikeln versetzte Polymerschichten erforscht. Für einen solchen Aufbau wurde bereits gezeigt, dass dieser unter idealen Bedingungen die Oberfläche gegenüber der Umgebungstemperatur um 17 (nachts) bzw. 5 (tagsüber) Grad abkühlen kann.
Aufbauend auf diesen Vorarbeiten wurden photonische Strukturen und schließlich Metamaterialien mit immer komplexeren Schichtaufbauten entwickelt, wobei z. B. über die Schichtdicke und die Größe und Form der Nano- oder Mikropartikel die jeweiligen Eigenschaften der reflektiven und der abstrahlenden Schicht immer präziser eingestellt werden können. Solche Schichtaufbauten enthalten beispielsweise viele Schichten aus Siliziumdioxid, Titandioxid oder Aluminiumoxid. Aber auch Schichtaufbauten etwa aus verschiedenen Polymerschichten, die sich z. B. in ihren lichtbrechenden Eigenschaften oder ihrer Porosität unterscheiden, werden entwickelt. Ergänzend werden Oberflächenstrukturierungen eingesetzt. Beispiele dafür sind stabförmige Strukturen aus Quarz oder pyramidenartige Strukturen. Auf diese Weise entstehen hochkomplexe, mehrere Mikrometer dicke 3D-Strukturen aus einem Multischichtaufbau und einer strukturierten Oberfläche, die im Labor sehr hohe Kühlleistungen zeigen.
Mittlerweile wird verstärkt auch daran geforscht, solche Materialsysteme an spezifische Anwendungen anzupassen. Beispielsweise wurden photonische Strukturen basierend auf SiO2-Nano- und Mikropartikeln mit phosphoreszierenden Stoffen kombiniert, um farbig leuchtende Anstriche zu erzeugen. Darüber hinaus wurden die Mechanismen einer effektiven Kühlung auch auf anwendungsnähere Materialien übertragen. So wurden bereits Baumwollstoffe entwickelt, die in ihren Emissionseigenschaften veränderbar sind und gleichzeitig wichtige textile Eigenschaften wie eine gewünschte Farbgebung behalten. Auch Holzwerkstoffe, wie sie im Gebäudebau eingesetzt werden, wurden bereits mit kühlenden Eigenschaften versehen. Zudem verfolgt man verstärkt biomimetische Ansätze für den Aufbau neuer Strukturen, die sich etwa an der Oberflächenstruktur des Panzers der Silberameise, die in der Sahara vorkommt, oder den Kalzitschalen von Wüstenschnecken orientieren. Diese werden auch zunehmend mit Verfahren der künstlichen Intelligenz optimiert.
Derzeit sind für eine verbreitete Anwendung von PDRC noch eine Vielzahl von Herausforderungen zu überwinden. Zum einen bestehen grundlegende Einschränkungen im Design der Kühlsysteme, etwa ungewollte Kühlverluste, sodass passive Strahlungskühlung bei weitem nicht die Effizienz herkömmlicher Kühlsysteme erreicht und diese auch nur annähernd ersetzen könnte. Für eine reale Anwendung müssten daneben auch verstärkt Aspekte wie eine ausreichende Langlebigkeit und Robustheit –
z. B. gegenüber Verschmutzung – Beachtung finden. Grundsätzlich wird die Effizienz von PDRC zudem von verschiedenen regionalen und saisonalen Effekten beeinflusst. So zeichnet sich beispielsweise ab, dass PDRC für Städte in Küstennähe weniger gut geeignet sein könnte. Auch Möglichkeiten zur kostengünstigen Massenfertigung fehlen häufig noch. Zu guter Letzt ist im derzeitigen Stadium noch unklar, welche passiven Kühlsysteme für spezifische Anwendungen besonders geeignet sind und auf diese hin optimiert werden sollten. PDRC stellt daher vermutlich eine mittel- bis langfristige Option dar.

Weitere Informationen:

Autor:innen: Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl

https://www.fraunhofer.de/

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