Ein Biopolymer soll etablierte GFK-Bauteile ersetzen
Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) werden zu beträchtlichen Mengen in vielen Konstruktionen und Bauteilen verwendet. Doch obwohl mittlerweile jährlich ca. 250.000t GFK end-of-life-Abfälle anfallen, wurde bisher keine brauchbare Lösung gefunden, die ein echtes Recycling von GFK ermöglicht. Das einzige technisch umsetzbare Konzept ist z. Zt. eine thermische Verwertung und das Verwenden des bei der Pyrolyse verbleibenden Glasfaserabfalles als Zementadditiv. Von einem Recycling im eigentlichen Sinne kann hier
definitiv nicht gesprochen werden.
Die Dringlichkeit des Recyclingproblems wird durch die gesetzlichen Vorgaben forciert, die die Hersteller zur Rücknahme Ihrer Produkte verpflichten.
Substitution von GFK-Bauteilen
Da sich auch langfristig keine Lösung für ein echtes Recycling von GFK-Werkstoffen abzeichnet, zielt ein neues Forschungsprojekt am ITCF Denkendorf darauf ab, diese Werkstoffe zu substituieren. Als Ersatz dient ein neuer, sortenreiner und rezyklierfähiger Verbundwerkstoff aus reiner Cellulose. Dadurch soll eine sichere, stabile und bezahlbare Rohstoffversorgung für die GFK verarbeitende Industrie gesichert werden.
Das Biopolymer Cellulose wird dabei sowohl als hochfeste Verstärkungsfaser genutzt, wie auch als Matrixkomponente eingesetzt. Auf diese Weise soll ein chemisch sortenreiner Verbundwerkstoff aus Cellulose („PURCELL“) erzeugt werden, welcher sich durch Nutzung bereits bestehender Technologien komplett rezyklieren lässt. Die Sortenreinheit der PURCELL-Komposite gewährleistet dabei ein technisch sehr einfaches Recyclingverfahren.
Die bislang hergestellten Labormuster zeigen für die PURCELL-Komposite ein den GFK vergleichbares Eigenschaftsspektrum und erreichen bereits mechanische Kenngrößen von thermoplastischen GFK-Platten, den sogenannten Organoblechen. Da die neuen Verbundwerkstoffe zu 100% aus nachwachsender Cellulose aufgebaut sind,
können als Rohstoffquelle heimische Hölzer, aber auch heimische Verstärkungsfasern, wie Hanf oder Flachs eingesetzt werden.
Ziel der Entwicklung ist es, dass die neuen Verbundwerkstoffe sämtliche technische Parameter von Standard-GFK-Verbundstoffen erreichen. Nur dann ist eine Substitution von GFK durch Purcell möglich. Obwohl die Purcell-Labormuster schon nahezu die Eigenschaften von GFK erreichen, muss auch für größere Muster das Anforderungsspektrum erfüllt werden. Dieses Upscaling ist eine technische Herausforderung, die angegangen werden muss.
Einfaches Herstellungsverfahren
Die Herstellung des neuen Werkstoffes geht zurück auf ITCF-Entwicklungsarbeiten zur umweltfreundlichen Herstellung von Cellulosefasern aus ionischen Flüssigkeiten (IL). In diesen Arbeiten ist es gelungen, aus der eigentlich schwer löslichen Cellulose durch Einsatz der neuen ionischen Flüssigkeiten hochkonzentrierte Lösungen herzustellen. Aufgrund der sehr flexibel einstellbaren Fließeigenschaften dieser Lösungen ist die Idee entstanden, diese Spinnmassen als Matrixkomponente in Verbundwerkstoffen einzusetzen. Als Verstärkungsfasern wurden hierbei technische Cellulosereifencordfasern, Naturfasern wie Baumwolle aber auch Flachs und Hanf eingesetzt.
Der Aufbau der PURCELL-Verbundwerkstoffe ist technisch sehr einfach umzusetzen: Textilien werden mit der hochkonzentrierten Cellulose-IL-Lösung beschichtet. Je nach gewünschter End-Dicke des Bauteils geschieht dies in mehreren Lagen. Danach werden die Verbundvorstufen gepresst und die IL mit Wasser ausgewaschen. Die Trocknung und Verbundkonsolidierung geschieht in einer Heißpresse. Die IL wird aus dem Waschwasser durch Destillation
zurückgewonnen. Beim Pressen der Vorstufe werden die Verstärkungsfasern oberflächlich angelöst und dabei untrennbar mit der Cellulosematrix verbunden. Hierauf sind die überraschend guten mechanischen Verbundeigenschaften begründet.
In der technischen Auslegung der Verbundparameter ist man völlig frei. So kann der Verbundkörper zusätzlich einseitig mit einer Cellulosematrixschicht versehen werden. Diese kompakte Celluloseschicht ist extrem widerstandsfähig und leicht bearbeitbar (Lackierung, Topcoat, etc.).
Wesentliche Vorteile bietet der nachwachsende Rohstoff in seinem vollständigen Recyclingzyklus. Die Purcell-Platten werden gereinigt, zerkleinert, in einer ionischen Flüssigkeit aufgelöst und erneut als Matrix eingesetzt. Noch nicht getestet wurde die Kompostierbarkeit für nicht mehr einsatzbare Reste, aber die gute Kompostierbarkeit von Cellulose ist bekannt. Aufgrund dieser systembedingten Eigenschaften fällt auch im end-of–life Zustand des Verbundwerkstoffes kein Abfall an. Und auch von der Kostenseite her sind die Celluloserohstoffe konkurrenzfähig.
Das PURCELL-Kooperationsprojekt zwischen dem ITCF und dem ITV wird vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft
Baden-Württemberg im Themenfeld „technologischer Ressourcenschutz“ gefördert.
Weitere Informationen: www.itcf-denkendorf.de