Dr. Diana Freudendahl, Dr. Heike Brandt, Dr. Ramona Langner
Mindestens schon seit der Seefahrt der Antike hat der Magnetismus den Menschen begleitet und wird heute in Technologien wie Festplattenspeichern und für medizinische Bildgebungsverfahren verwendet. Dieser langen Geschichte steht das sehr junge Forschungsfeld der 2D-Materialien gegenüber, das erst – ausgehend von der Entdeckung des Graphens – seit weniger als 20 Jahren eingehender untersucht wird. Obgleich seitdem sehr viele 2D-Materialien vorhergesagt, gefunden und isoliert wurden, war lange nicht klar, ob es auch magnetische 2D-Materialien geben könnte. Durch Modifikationen nicht-magnetischer 2D-Materialien, z. B. durch Einfügen von Defekten, kann zwar Magnetismus in diesen Materialien generiert und induziert werden, aber gänzlich intrinsische 2D-Magnete waren noch bis vor 5 Jahren unbekannt. Zwar wurde diese Eigenschaft bereits Mitte des letzten Jahrhunderts vorhergesagt, aber es gelang erst 2016 ein erstes permanent magnetisches 2D-Material zu isolieren.
Ein besonderes Problem in Bezug auf den magnetischen Zustand einzelner isolierter 2D-Materialschichten stellt dabei die Temperaturstabilität dar. Denn vereinfacht dargestellt verhalten sich die Atome im 2D-Material aufgrund ihres magnetischen Moments ähnlich kleinen Stabmagneten. Das magnetische Moment wird dabei unter anderem durch den Spin (Eigendrehimpuls) der Elektronen hervorgerufen. Damit ein Material ferromagnetisch ist, müssen die magnetischen Momente der Atome gleich ausgerichtet sein, um dadurch ein permanentes Magnetfeld zu erzeugen. Wird eine bestimmte Schwellentemperatur überschritten, gerät diese Gleichrichtung durcheinander und stellt sich auch nicht zwangsläufig von alleine, z. B. bei Unterschreiten der Schwellentemperatur, wieder ein. In einem vielschichtigen Kristall ist die Aufrechterhaltung der Ausrichtung unter solchen Bedingungen, zumindest in Bezug auf den gesamten Kristall, stabiler als in einer einzelnen isolierten Schicht und das Material bleibt dauerhaft magnetisch.
2D-Magnete sind dabei für verschiedene Anwendungen, insbesondere in der Spintronik, nützlich. Die Spintronik ist ein Forschungszweig der Nanoelektronik, der auf der Nutzung des Spins der Elektronen zur Informationsdarstellung und -verarbeitung beruht. Besonders interessant sind magnetische 2D-Materialien darüber hinaus im Bereich der physikalischen Grundlagenforschung, da sie es erlauben grundlegende Theorien des Magnetismus zu testen und exotische physikalische Phänomene an der atomaren Grenze zu erforschen. Da sie einzigartige magnetische Eigenschaften aufweisen, bergen sie zudem das Potenzial für neue Datenspeichergeräte, optische On-Chip-Kommunikation, den Einsatz in Quantencomputern sowie für integrierte, flexible und biokompatible Komponenten. Sie können auch für neuartige Detektoren genutzt werden, die sogenannte Tunnelübergänge von Elektronen zur Detektion nutzen. Dabei wechseln aufgrund eines quantenmechanischen Phänomens die Elektronen durch eine isolierende Barriere von einem magnetischen Material zu einem anderen.
Die Herstellung intrinsisch magnetischer 2D-Materialien für solche Anwendungen ist derzeit noch Gegenstand der Forschung. Derzeit können sie beispielsweise durch die Ablösung einer einzelnen Molekülschicht – wie schon bei Graphen und anderen 2D-Materialien – aus magnetischen Kristallen erhalten werden. Auf diese Weise gelang beispielsweise 2017 die Isolierung einer magnetischen Chromtriiodid-Einzelschicht aus einem entsprechenden Kristall. Um reale Anwendungen zu ermöglichen, ist es jedoch nötig die Synthese von 2D-Materialien über große Flächen mit präziser Kontrolle der Schichtdicke zu erreichen. Daher werden beständig weitere Verfahren erprobt wie beispielsweise der chemische Dampftransport (chemical vapour transport, CVT), bei dem typischerweise ein Feststoff in Gegenwart eines gasförmigen Transportmittels verflüchtigt und in Form von Kristallen abgelagert wird, oder die physikalische Gasphasenabscheidung (physical vapour deposition, PVD), bei der durch physikalische Verfahren das Ausgangsmaterial in die Gasphase überführt wird.
Am vielversprechendsten im Hinblick auf die Herstellung einzellagiger magnetischer Materialien, z. B. im Wafermaßstab, ist derzeit jedoch die chemische Gasphasenabscheidung (chemical vapour deposition, CVD), da sie zur Herstellung von 2D-Materialien schon gut untersucht ist. Mit der CVD können zudem eine Vielzahl von Substanzen verwendet werden, die bei der Herstellung von 2D-Magneten als Vorstufen dienen (Metalle, Halogene, Chalkogene, Silizium-, Germanium- und Phosphorverbindungen). Das Verfahren lässt sich in der Regel gut skalieren und der Prozess präzise kontrollieren.
Die meisten der bisher hergestellten 2D-Magnete basieren jedoch noch auf mechanischer Ablösung der Einzelschichten aus größeren Kristallen, wobei die erhaltenen Schichten mechanisch flexibel sind. Bisher isolierte magnetische 2D-Materialien funktionieren zudem nur bei niedrigen Temperaturen, diese Grenzen werden aber in der Forschung derzeit noch kontinuierlich weiter hin zu höheren Temperaturen verschoben. Die typischen Curie-Temperaturen von 2D-Magneten, bei denen die ferromagnetischen Eigenschaften des Materials vollständig verschwinden, sind jedoch nach wie vor viel niedriger als die der 3D-Kristalle. Es konnte auch gezeigt werden, dass es möglich ist den Magnetismus in 2D-Magneten durch äußere Einflüsse wie elektrische Felder oder Dehnung zu verändern und zu steuern. Experimentelle Ergebnisse zeigen zudem, dass die Materialien mittels chemischer Verfahren oder Dotierungen funktionalisiert werden können. Außerdem ist das Stapeln verschiedener 2D-Magnete, auch mit anderen nicht-magnetischen 2D-Materialien, von großem Interesse. Dadurch können die Eigenschaften weiter modifiziert und gesteuert werden, wie z. B. eine Etablierung von Multiferrozität (also das gleichzeitige Auftreten von Magnetismus und elektrischer Leitfähigkeit) oder unkonventionelle Formen der Supraleitung.
Die überaus vielversprechenden 2D-Magnete stehen trotz der rasanten Fortschritte der letzten Jahre noch vor großen Herausforderungen. Neben den bereits beschriebenen Problemen bei der Herstellung realer 2D-Magnete, sind in einem zweiten Schritt Prozesse notwendig, die eine skalierbare Produktion mit hoher Materialqualität und eine Kompatibilität mit der bestehenden Halbleitertechnologie erlauben. Zudem ist die Magnetisierung derzeit nur bei niedrigen Temperaturen stabil und auch die Langzeitstabilität ist für reale Anwendungen noch nicht ausreichend. Neben solchen grundlegenden Herausforderungen bestehen auch anwendungsspezifische etwa im Bereich spintronischer Bauelemente, wie z. B. das effiziente Tunneln an unterschiedlichen Barrieren.
Es steht zu erwarten, dass sukzessive Durchbrüche bei der Herstellung und Modifizierung von 2D-Magneten langfristig jedoch zu großen Fortschritten z. B. im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie führen können. Auch ein tiefgreifenderes Verständnis der Kontrollmöglichkeiten des 2D-Magnetismus wird weitere potenzielle Anwendungen eröffnen können.
Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
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