4D-Druck

Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner

Für viele Werkstoffe ist zunehmend von Interesse, ob sie auch im Bereich der generativen Fertigungsverfahren eingesetzt werden können. Daher wird mit annähernd der gesamten Materialpalette bezüglich ihrer Druckbarkeit experimentiert. Dies gilt zunehmend auch für adaptive Materialien wie Formgedächtnislegierungen. 3D-Druck hat sich als Synonym für den Sammelbegriff additive bzw. generative Fertigung durchgesetzt und umfasst die Nutzung unterschiedlicher Fertigungsmethoden, bei denen durch sukzessives Verbinden formloser Ausgangsmaterialien, wie z. B. Pulver, Pasten oder Bindemitteln, Werkstücke entsprechend einer digitalen Vorlage punktgenau in den drei räumlichen Richtungen aufgebaut werden. Der 4D-Druck bezeichnet dabei den 3D-Druck von adaptiven Materialien, die noch mehr oder weniger lange nach dem eigentlichen Druckvorgang entscheidende Zustandsänderungen erfahren können.

Ursprünglich wurde mit 4D-Druck ausschließlich eine vorherbestimmte geometrische Umgestaltung des entstandenen Werkstückes auf einen externen spezifischen Reiz hin, wie z. B. Variation von pH-Wert, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit, beschrieben. Eine solche vom Herstellungsprozess entkoppelte Weiterentwicklung eines Bauteils wird als Transformation bezeichnet. Die induzierte Variation einer physikalischen Kenngröße des Werkstücks, etwa der mechanischen Eigenschaften oder der Farbe, zählt mittlerweile auch zu den Transformationsmechanismen 4D-gedruckter Werkstücke.

Das Konzept des 4D-Drucks ist eng mit der Vision der sog. Programmable Matter verknüpft. Dabei werden Gegenstände als temporäre Zusammenfügungen von programmierbaren Bausteinen gesehen, die immer nur für den Moment des Bedarfs bestehen bleiben. Viel interessanter als diese, den Hype um den 3D-Druck nutzende, und vermutlich doch nicht zu realisierende Vision ist allerdings der 4D-Druck als Innovationstreiber für adaptive Materialien. Der Begriff hat sich in diesem Kontext durchgesetzt und verdrängte seine gleichzeitige Verwendung für 3D-Druckverfahren, die zusätzliche räumliche Anordnungen des Druckkopfes bzw. des Werkstücks erlauben.

Mit dem 4D-Druck wird die generative Fertigung um den Parameter der steuerbaren sekundären Formgebung erweitert, dazu werden vornehmlich Formgedächtnismaterialien und Hydrogele erforscht. Einige Polymere und Legierungen können aufgrund ihres Formgedächtniseffektes Formänderungen ausführen, indem sie in ihre Ursprungsform zurückkehren. Sehr vereinzelt sollen auch organo-keramische Ausgangsmaterialien für den 4D-Druck genutzt werden. In diesem Bereich liegt ein hohes Potenzial, da die generative Fertigung von Keramiken mit Schwierigkeiten behaftet ist, die auf diese Weise umgangen werden könnten. Für Formgedächtnislegierungen werden vorrangig Laser-basierte Verfahren eingesetzt, vereinzelt werden nun auch die Vorteile Elektronenstrahl-basierter Verfahren zur Verfestigung überprüft. Diese Werkstücke zeigen ein superelastisches Verhalten und eine große reversible Dehnung von über 10 %. Auch Entwicklungen im Bereich der Legierungen selbst werden zukünftig in der generativen Fertigung aufgegriffen werden. Speziell neue Ultrahochtemperatur-Formgedächtnislegierungen, bei denen bisherige Hochtemperatur-Formgedächtnislegierungen mit Hoch-Entropie-Legierungen gemischt werden, könnten hier von Interesse sein. Erste Versuche wurden z. B. bereits mit magnetischen Formgedächtnislegierungen durchgeführt. Darüber hinaus ist die Kombination von Formgedächtnislegierungen und –polymeren interessant. Beim 4D-Druck genutzte Hydrogele zeigen in Abhängigkeit von äußeren Einflussfaktoren ein spezifisches Quellungsverhalten und können dabei mechanische Arbeit in Form einer Größenvariation verrichten. Durch chemische Modifikationen von Hydrogelen können Aktorik und Sensorik kombiniert und Sensitivitäten gegenüber elektrischen Impulsen, bestimmten Chemikalien oder Lichtreizen erzeugt werden. Für ein Hydrogel-System konnte experimentell gezeigt werden, dass sowohl eine vollständige Umformung in einem Wasserbad als auch eine lokale Umformung durch eine entsprechend lokale Temperaturerhöhung mittels Zweiphotonenabsorptionsprozessen ausgelöst werden kann. Weitere adaptive Materialien wurden bisher nur sehr vereinzelt untersucht. So sollen beispielsweise elektroaktive Polymere und Flüssigkristall-Elastomere für den Einsatz als Aktoren oder adaptive Optiken genutzt werden.

Eine andere Form intelligenter Materialien, die mittels Multimaterial-3D-Druck hergestellt werden können, sind sog. multistabile Werkstücke. Diese nehmen je nach Belastung die geeignetere Form an. Während des Drucks werden ein starres Polymer für den fixen Teil des Objektes und ein elastisches, adaptives Polymer für den beweglichen Teil kombiniert, zur Transformation werden Hubelemente genutzt. Neben diesen Möglichkeiten zur Formveränderung gibt es Materialien mit weiteren Effekten, wie z. B. thermochrome Farbveränderungen oder Tribolumineszenz, also Farbänderungen aufgrund von Temperaturvariationen bzw. die Aussendung von Licht aufgrund von Reibungskräften.

Jede Kombination von Fertigungsverfahren und Materialien bringt spezifische Herausforderungen mit sich. Zum einen gibt es technologische Einschränkungen, die den Druckprozess betreffen; so spielt bei der Realisierung der Komposite z. B. Multimaterialdruck eine zentrale Rolle. Zu den werkstoffwissenschaftlichen Einschränkungen zählen Materialsensitivitäten. Bei den mit 4D-Druck hergestellten Formgedächtnislegierungen wurde z. B. gezeigt, dass auch die Transformation selbst von der komplexen thermischen Historie, die sich von einem Guss deutlich unterscheidet, beeinflusst wird. Auch auf leichte Variationen in der Zusammensetzung oder Oxidationsprozesse reagieren z. B. Nickel-Titan-Systeme sehr sensitiv. Ein weiterer Bereich betrifft den Designprozess. Es ist nur dann möglich, adaptive Materialien für kommerzielle Produkte zu nutzen, wenn ein Wissenstransfer von den Materialwissenschaften zu den Produktdesignern stattfindet und einfach zu bedienende IT-gestützte Tools zur Verfügung stehen.

Adaptive Geometrien sind seit langem ein Forschungsthema bei der beanspruchungsgerechten Auslegung von Rotorblättern und Flügelkonstruktionen. Hier ist ebenfalls die Vermeidung von Geräuschen ein wichtiger Faktor. Darüber hinaus kann die Einstrahlung von Licht mit adaptiven Materialien beeinflusst werden, dies betrifft sowohl Sonnenkollektoren als auch Fassadenelemente zur Temperaturregulierung. Auch Sensor-Aktor-Systeme, wie z. B. Licht-schaltbare Mikroventile, sich selbstentfaltende Zelte und thermisch aktivierbare Self-Deployable Structures, die erst am Einsatzort automatisiert ihre Verwendungsform einnehmen, sind von großem Interesse. In der Robotik könnten künstliche Muskeln als lautlose Antriebe Anwendung finden.

Der 4D-Druck befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und die Einsatzmöglichkeit solcher gedruckter Objekte liegt dort, wo Werkstücke durch eine präzise vordefinierte Umformung ihre Aufgabe optimieren oder grundsätzlich erst übernehmen können. Mittelfristig werden sehr spezifische Anwendungsfelder, wie die Luft- und Raumfahrt sowie die Windenergiegewinnung, den Technologie-Push der additiven Fertigung aufgreifen und den 4D-Druck in die Anwendung bringen. Langfristig könnte der 4D-Druck hier im Bereich des Structural Health Monitoring eingesetzt werden.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
berichtet in jeder Ausgabe exklusiv
über Werkstofftrends

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.