Stefan Reschke, Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner
Die Speicherung und Bereitstellung großer Datenmengen auf kleinstem Raum wird derzeit hauptsächlich durch das Nutzerverhalten im boomenden Markt mobiler Endgeräte sowie das sich entwickelnde „Internet of Everything“ (mit Einzelaspekten wie z.B. Industrie 4.0, Smart Home, Product-as-a-Service) zu einem kritischen Faktor in Bezug auf Nutzerzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit. Parallel dazu sinkt nach wie vor die durchschnittliche Nutzungsdauer mobiler Computer und Kommunikationsgeräte, was anhaltend zu steigenden Umweltbelastungen v.a. in der dritten Welt führt. Laut einer UNEP-Studie werden weltweit jährlich über 50 Mio Tonnen Elektronikmüll produziert, der nicht biologisch abbaubar ist. Dessen Recycling erfolgt mangels Anlagenkapazität, aufgrund komplexer Bauteilstrukturen und Werkstoffmischungen sowie insbesondere auch hoher Kosten bislang nur sehr unvollständig. Überwiegend wird er weltweit in Armutszonen verschifft und dort deponiert bzw. unkontrolliert verwertet.
Seit den 1990er Jahren stieg, getragen von Entwicklungen in Nanotechnologie, Neuro- und Biowissenschaften, parallel dazu das Interesse an biologisch inspirierten, seit ca. 15 Jahren auch an biobasierten IuK-Technologien. Denn biologische „Werkstoffe“ haben ein sehr niedriges spezifisches Gewicht, sind extrem hoch integrierbar (Beispiel Gehirn), kompatibel mit flexiblen Trägerstrukturen und „Nanotechnologie“, kostengünstig, biologisch abbaubar und theoretisch auch einfach zugänglich und handhabbar. Hinzu kommt, dass der Elektronentransfer einer der grundlegendsten und ausgereiftesten biologischen Prozesse ist.
In Bezug auf Datenspeicher, hauptsächlich in Form von RRAM und Flash Memory, haben sich in den letzten Jahren vier stoffbezogen Forschungsschwerpunkte herausgebildet: Protein-, Saccharid-, RNA- und DNA- sowie Virus-basierte Speichertechnologien. In RRAMs spielen sie die Rolle einer aktiven, in Flash Memories die einer dielektrischen Schicht. Darüber hinaus können große Molekülstrukturen wie Chitosan oder Seide auch als flexible, transparente und abbaubare Substrate mit sehr niedrigem spezifischen Gewicht dienen. In bionischen Datenspeichern werden sie in ursprünglich-biologischer wie auch modifizierter Form eingesetzt. Allerdings befinden sich fast alle Entwicklungen in einem sehr frühen Laborstadium, auch wenn es bereits erste Demonstratoren gibt.
Proteine sind in der Natur die am weitesten verbreiteten und am leichtesten zugänglichen Biomoleküle. Technisch hochrelevante Eigenschaften wie reversibles RedOx-Verhalten, widerstandsabhängiges Schaltverhalten und auch elektrische Isolation machen sie zu vielversprechenden Bausteinkandidaten in bionischen Datenspeichern. Ferritin, Myoglobin und Seiden-Fibroin sind derzeit am intensivsten untersucht. Ferritin ist ein kugelförmiges Protein, das einen stabilen Käfig um einen Eisenkern bildet. In Abhängigkeit von einem externen elektrischen Feld kann dieser Käfig reversibel Eisenionen freisetzten und verändert dabei seinen Widerstand. Nanoskalige Multilayer, die Ferritin enthalten, eignen sich daher zum Aufbau nichtvolatiler RRAMs. In anderer Konfiguration ermöglichen sie Feldeffekttransitor-Flash Memories (FET-FS). Auch unter Verwendung des in Muskelgewebe beheimateten Myoglobin lassen sich FET-FS herstellen. Seiden-Fibroin als weiteres für RRAMs geeignetes Biomolekül vereint hohe mechanische Stabilität, optische Transparenz, und schaltbaren elektrischen Widerstand.
In Sacchariden liegen Hydroxyl-Gruppen in großer Dichte vor. Deren Dipol-Ausrichtung kann über das Anlegen einer externen Spannung modifiziert werden. Dies wiederum lässt sich in Flash Memories zur Verstärkung des Hysterese-Effekts nutzen. Ein Beispiel hierfür ist das Saccharid Maltoheptaose. Andererseits wurde Chitosan, ein extrem häufig auftretendes Polysaccharid, systematisch auf seine Eignung in RRAMs untersucht. Nanoschichten aus Chitosan lassen sich über das Anlegen positiver oder negativer Vorspannung reversibel zwischen hoher und niedriger elektrischer Leitfähigkeit umschalten.
RNA und DNA dienen in der Nanotechnologie schon seit über 25 Jahren als vielseitiges Ausgangsmaterial für die reproduzierbare Konstruktion zwei- und dreidimensionaler (Träger-)Strukturen und Bauteile. Als ein Basiselement resistiver Speichertechnologien wurden kürzlich RNA-Quantenpunkt-Kombinationen als funktionelle nanoskalige Abstandshalter zwischen den Quantenpunkten und einem Goldsubstrat erfolgreich getestet. Ebenso erfolgreich verliefen Untersuchungen zur DNA-gesteuerten Herstellung von Kupferoxid-DNA-Aluminium-Nanokompositen für RRAMs. Hier übernimmt die DNA eine Brückenfunktion zwischen den metallischen Nanopartikeln und verbessert das Schaltverhalten signifikant. Auch reine DNA-Multischicht-RRAMs auf Goldelektroden wurden hergestellt. Hierbei wurde erstmals ein Multilevel-Speicherverhalten beobachtet, was zur Entwicklung von Biomemristoren führen könnte.
Die Erforschung von Speichertechnologien unter Nutzung von Viren beschränkt sich bislang im wesentlichen auf den in der Nanotechnologie vielfältig eingesetzten Tabakmosaikvirus. Eine seiner interessanten Eigenschaften ist die autonome Zusammenlagerung einzelner Viren zu geordneten Strukturen. In Bezug auf Speichertechnologien übernimmt das in ihm enthaltene RNA-Molekül durch seinen hohen Anteil an aromatischen Ringstrukturen in Kombination mit Metallnanopartikeln wie z.B. aus Platin die Rolle des Ladungsdonors.
Auch wenn bionische und bio-basierte Speichertechnologien erst am Anfang ihrer systematischen Erforschung stehen, versprechen sie schon heute ein großes Anwendungspotential. Zusammen mit weiteren aus lebenden Systemen abgeleiteten Technologien wie bionische/künstliche synaptische Verbindungen, die z.B. für Anwendungen in Memristoren und Feldeffekt-Transistoren geeignet sind, oder solche, die eine Energiegewinnung und –speicherung auf quasi molekularer bzw. zellulärer Ebene ermöglichen (z.B. mittels Enzymsystemen oder organischen Komponenten in neuartigen Batterietypen), eröffnen sich langfristig völlig neue Perspektiven in Bezug auf mobile IuK-Technologien.
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