Dr. David Offenberg, Dr. Ramona Langner, Dr. Diana Freudendahl
Metalinsen sind neuartige optische Bauteile, die Licht nicht wie herkömmliche Linsen fokussieren, sondern auf sogenannten Metaoberflächen beruhen. Dadurch können sie bis zu 1000-mal flacher ausfallen und zukünftig bisher unerreicht kompakte und leichte optische Systeme ermöglichen – möglicherweise sogar mit Auflösungen unterhalb der Wellenlänge.
Eine Metalinse besteht aus einem flachen lichtdurchlässigen Trägermaterial mit einer nanostrukturierten Oberfläche, die mehrere hundert Nanometer dick ist und sich aus unterschiedlich dimensionierten Elementen wie Säulen, Rillen oder Bohrungen von wenigen zehn bis hunderten Nanometern Durchmesser zusammensetzt. In den letzten Jahren gab es vor allem bedeutende Fortschritte bei der computerbasierten Berechnung solcher komplexer nanostrukturierter Oberflächen, mit denen die Ausbreitung des Lichts beeinflusst wird. So funktionieren experimentell demonstrierte Metalinsen nicht mehr nur im Bereich einer einzelnen Wellenlänge, sondern beispielsweise auch fast im gesamten sichtbaren Spektralbereich. Je nach Wellenlängenbereich, in dem eine Metalinse eingesetzt werden soll, werden für diese Metaoberflächen Materialien mit einem entsprechend geeigneten Transmissionsverhalten verwendet (z. B. Titandioxid, Siliziumnitrid oder Galliumphosphid im sichtbaren und Aluminiumnitrid im ultravioletten Spektralbereich sowie Chalkogenid-Legierungen im mittleren und Silizium im langwelligen Infrarotbereich).
Die nanoskaligen Elemente wirken dabei wie optische Resonatoren und verzögern die einzelnen Lichtwellen beim Durchgang durch die Metaoberfläche. Da sie sich in ihren Abmessungen voneinander unterscheiden, kommt es an unterschiedlichen Stellen der Metaoberfläche zu verschieden starken Verzögerungen. Hinter der Metaoberfläche überlagern sich die Lichtwellen zu neuen Wellenfronten mit anderen Ausbreitungsrichtungen. Speziell bei Metalinsen sind die Elemente so konzipiert und verteilt, dass sich das Licht dahinter so ausbreitet wie bei einer herkömmlichen Linse. Generell lassen sich Metaoberflächen aber auch so gestalten, dass sie die Funktionalitäten von anderen optischen Komponenten nachahmen, wie beispielsweise von Strahlteilern, Polarisatoren oder Beugungsgittern.
Um störende Beugungseffekte zu vermeiden, müssen die einzelnen nanoskaligen Elemente im Durchmesser deutlich kleiner sein als die Wellenlänge des Lichts. Zur Herstellung von Metaoberflächen kommen daher lithografische Verfahren zum Einsatz. Die bisher demonstrierten Metalinsen sind oft noch mittels Elektronenstrahllithographie erzeugt worden, wobei die gewünschten Strukturen nacheinander mit einem Elektronenstrahl zunächst in eine entsprechende Lackschicht geschrieben werden müssen. Da dieser Prozess sehr zeitaufwändig ist und die Zahl der benötigten Elemente zudem mit dem Quadrat des Linsendurchmessers wächst, sind die demonstrierten Metalinsen bisher noch sehr klein – mit unter 100 Mikrometern Durchmesser zu klein für die meisten praxisrelevanten Anwendungen. In Zukunft sollen sie jedoch mit den existierenden fotolithografischen Verfahren der Chipherstellung mit größeren Durchmessern und in Massen gefertigt werden können – dann zu einem Bruchteil der Kosten herkömmlicher Linsen.
Beim Design größerer Metalinsen stößt man allerdings auf eine weitere Herausforderung. So müssen Lichtwellen vom Rand der Metalinse einen weiteren Weg zurücklegen als solche, die durch die Mitte der Metalinse zum Fokuspunkt laufen, so dass sie dort nicht gleichzeitig ankommen. Um diesen Effekt zu kompensieren, müssen die Strukturen der Metaoberfläche zusätzlich zur fokussierenden Wirkung die Lichtwellen aus den mittleren Bereichen passend verzögern. Eine Lösung hierfür wäre, die Metalinsen entsprechend dicker zu machen, wobei jedoch die benötigte Höhe der Nanostrukturen technisch heute noch längst nicht realisierbar wäre. Womöglich gibt es hierfür alternative Lösungen. So könnte man mehrere Metalinsen übereinanderstapeln, um wie bei herkömmlichen Linsensystemen die optischen Abbildungsfehler der einzelnen Linsen gegenseitig zu korrigieren, oder entsprechende Fehler ließen sich im Nachhinein herausrechnen, wie dies in ähnlicher Weise bei heutigen Smartphone-Kameras mit ihren einfachen Optiken zunehmend gehandhabt wird.
In den letzten beiden Jahrzehnten haben Forscher zwar immer wieder demonstriert, wie sich mit nanostrukturierten Metamaterialien Licht auf diese neuartige Weise manipulieren lässt. Allerdings funktionierten die vorgestellten optischen Bauteile bisher immer nur mit Licht einer bestimmten Wellenlänge oder einer bestimmten Polarisation. 2019 gelang Forschern diesbezüglich ein entscheidender Durchbruch. Auf der Grundlage von Computerberechnungen konnten sie eine komplex strukturierte Metalinse herstellen, die Licht unabhängig von dessen Polarisation und über fast den gesamten Bereich des sichtbaren Spektrums fokussieren kann (460 bis 700 Nanometer) – und dies sogar in einen einzigen Brennpunkt. Letzteres gelingt mit einer herkömmlichen Linse nicht, da unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen werden. Zur Korrektur dieser sogenannten chromatischen Aberration müssen in Objektiven von Mikroskopen und Kameras daher zusätzliche Korrekturlinsen eingesetzt werden, um scharfe Bilder erzeugen zu können. Mit solchen achromatischen Metalinsen werden daher äußert flache Objektive vorstellbar, aber auch sie sind mit ihren 26 Mikrometern Durchmesser momentan noch bei weitem zu klein für eine praktische Anwendung.
Besonders interessant sind Metalinsen perspektivisch für bildgebende Anwendungen, bei denen möglichst flache und kompakte Optiken benötigt werden, wie z. B. für Kameras in Smartphones, Tablets und Mini-Drohnen oder für medizinische Endoskope. Ihr geringes Gewicht wäre außerdem im Zusammenhang mit tragbaren optischen Systemen wie Virtual-Reality- oder Augmented-Reality-Brillen vorteilhaft. Darüber hinaus könnte der Einsatz von Metalinsen zu Verbesserungen in der Mikroskopie, der Fotolithografie und der optischen Kommunikation führen.
Welche konkrete Rolle Metalinsen in Zukunft spielen werden, lässt sich bei ihrem derzeitigen Entwicklungsstand noch kaum vorhersagen. Außerdem werden aktuell auch andere Konzepte für ultraflache Linsen entwickelt, z. B. sogenannte diffraktive optische Elemente, die sich möglicherweise einfacher herstellen lassen als aktuell konzipierte Metalinsen. Metaoberflächen im Allgemeinen wären sehr vielseitig einsetzbar und werden vermutlich zukünftig dazu beitragen, optische Systeme kompakter, kostengünstiger und leistungsfähiger zu machen – möglicherweise eher in Kombination mit herkömmlichen optischen Bauteilen. Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob es Forschen gelingen wird, ihren Durchmesser massenfertigungstauglich aus dem Mikrometer- in den Millimeterbereich zu bringen.
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