Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt
Maßgeschneiderte Kunststoffe sind heute extrem vielseitig einsetzbar, ihre Anwendungen reichen von Lebensmittelverpackungen, über dünne feuerfeste Dämmplatten und körperresorbierbare Nahtmaterialien bis hin zu Motorenaufhängungen im Automobil. Um diese Bandbreite an Anwendungen zu erreichen, werden Kunststoffe mit sehr unterschiedlichen, aber auch sehr spezifischen Eigenschaften benötigt. Ermöglicht wird diese Einstellung von Eigenschaften durch das Beimischen von Additiven und Füllstoffen. So werden beispielsweise Farbpigmente zum Einfärben genutzt; zur Erhöhung der Bruchfestigkeit können Glas- oder Carbonfasern sowie Nanomaterialien beigemischt werden, während Öle und Wachse die Fließeigenschaften während der Verarbeitung verbessern. Im Laufe der letzten Jahrzehnte kam es seitens der Verbraucher zu einem deutlich gesteigerten Interesse an Biopolymeren, weshalb zunehmend auch natürliche und biologisch abbaubare Zuschlagstoffe in den Fokus geraten. Auch die Umweltfreundlichkeit der jeweiligen Herstellungsmethoden für Additive, sowie des gesamten Herstellungsprozesses sind zu entscheidenden Aspekten geworden.
Die Zugschlagstoffe sind auch von entscheidender Bedeutung für Sicherheit und Haltbarkeit der Werkstoffe, z. B. gegenüber verschiedenen Stressfaktoren wie Wärme, UV-Licht oder mechanischer Beanspruchung. Denn solche Faktoren begünstigen beispielsweise den oxidativen Abbau von Polymeren und bewirken eine zunehmende Verschlechterung ihrer Leistung und Eigenschaften während ihrer Lebensdauer. Die oxidativen Zersetzungsprozesse herkömmlicher Polyolefine, Polyamide und Polyester sind überschaubar und gut verstanden. Hingegen sind solche Prozesse bei Biopolymeren auf Stärkebasis und Biopolyestern, den beiden wichtigsten Biopolymerklassen, vielschichtiger und stark von den unterschiedlichen Stressfaktoren abhängig. Grundsätzlich kann der Schutz von Kunststoffen jedoch durch verschiedene Zuschlagstoffe mittels unterschiedlicher Mechanismen erfolgen.
Antioxidantien und UV-Licht-Stabilisatoren beispielsweise ermöglichen den Schutz von Kunststoffen gegenüber thermischen, thermomechanischen und UV-Licht Belastungen. Bisher werden vor allem synthetische Additive genutzt, um die Polymere vor oxidativem Abbau zu schützen. Um das Risiko einer unkontrollierten Freisetzung und Anreicherung von solchen synthetischen Stabilisatoren z. B. in Getränken vorzubeugen, werden synthetische Additive beispielsweise auf Polymerketten oder Nanopartikeln immobilisiert. Im Zuge von Nachhaltigkeitsbestrebungen wird jedoch bereits seit den neunziger Jahren vermehrt daran geforscht, diese Stoffe durch natürlich vorkommende Moleküle mit stabilisierenden Eigenschaften zu ersetzen. Hierbei sind natürliche Polyphenole, Vitamine und Carotinoide von Interesse, wie beispielsweise Thymol, Rosmarin, Vanillinsäure, Ferulasäure, Tocopherol und Carotin. Sie dienen dabei als ökologisch nachhaltige und biokompatible Kandidaten für die Formulierung innovativer Materialien, die in den Bereichen von Biomedizin, Landwirtschaft, Lebensmittelverpackungen und Textilien, als Stabilisatoren für den Schutz von Kunststoffen vor oxidativem Abbau genutzt werden können.
Überraschenderweise wurde kürzlich festgestellt, dass abhängig von der Konzentration solcher natürlicher Additive nicht nur antioxidative, sondern auch pro-oxidative Prozesse gefördert werden können. Einige bio-basierte Additive sind in der Lage, die Oxidation zu beschleunigen, wenn sie in hohen Konzentrationen, d.h. >2 Gew.-%, in Biopolymeren und Polymeren zugegeben werden. Dadurch können die Abbauzeiten verkürzt und die abiotische Oxidation beschleunigt werden, ähnlich wie bei klassischen pro-oxidativen Mitteln. Dies ermöglicht es den Abbau solcher Kunststoffe zu kontrollieren und auf die beabsichtige Lebensdauer zuzuschneiden.
Weichmacher sind in der Regel nichtflüchtige Verbindungen mit niedrigem Molekulargewicht. Sie werden einem Material zugesetzt, um die Flexibilität zu erhöhen. Dabei haben sie beispielsweise nicht nur Einfluss auf Verformbarkeit, Härte, Dichte und Viskosität eines Kunststoffs, sondern beeinflussen z. B. auch Kristallinität, optische und elektrische Eigenschaften, Feuerbeständigkeit sowie die Möglichkeiten zu seiner Zersetzung. Weichmacher können sowohl durch chemische Bindung mit den Polymerketten verbunden sein, als auch nur durch physikalische Wechselwirkungen mit dem Polymer interagieren. Letztere weisen häufig das Problem auf, dass sich die Moleküle in der Polymermatrix bewegen und an der Oberfläche austreten können. Dadurch werden einerseits die Eigenschaften des Kunststoffs beeinflusst, andererseits entstehen gesundheitliche Risiken für die Anwender. Deshalb wächst auch beständig das Interesse der Forschung an Weichmachern mit niedrigen Migrationswerten und geringer Toxizität. Natürliche Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen stellen in Bezug auf diese Kriterien ein interessantes Forschungsfeld dar. Beispielsweise können sie aus Pflanzenölen (nach chemischen Modifikationen), Zitraten (z. B. Zitronensäure) und Zuckerderivaten (z. B. Mannose, Glucose) gewonnen werden, die sowohl als Weichmacher für Petro- als auch Biopolymere eingesetzt werden können.
Ähnliche Bestrebungen wie für Weichmacher bestehen im Bereich der flammhemmenden Additive für Kunststoffe. Auch diese sind bei ihrer Freisetzung, aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt, häufig problematisch. Deshalb sind bereits seit Anfang 2000 vor allem phosphorhaltige Moleküle von Interesse, die wie Weichmacher sowohl kovalent an die Polymere gebunden, als auch durch physikalische Wechselwirkungen mit dem Kunststoff verbunden sein können. Zudem hat sich die Forschung in diesem Zeitraum zunehmend auch mit entsprechenden Flammschutzmitteln aus natürlichen Rohstoffen beschäftigt. In den letzten Jahren wurden beispielsweise bio-basierte Furane, Gerbsäure, Casein, DNA und Lignin aus unterschiedlichen natürlichen Rohstoffen als Flammschutzmittel untersucht und entwickelt. So bildet beispielsweise Lignin bei der thermischen Zersetzung hohe Verkohlungsrückstände, was zu einer verbesserten Flammwidrigkeit der Polymerwerkstoffe führt. Allerdings ist die Flammschutzwirkung von reinem Lignin unzureichend, weshalb chemische Modifikationen z. B. mit stickstoff- und/oder phosphorhaltigen Molekülen nötig sind, um die Flammschutzwirkung weiter zu verbessern. Darüber hinaus stellt die Kombination verschiedener Metallionen mit modifiziertem Lignin eine wirksame Strategie zur weiteren Verbesserung der Effizienz dar.
Bio-basierte Additive können darüber hinaus auch als antimikrobielle Zusätze in Kunststoffen genutzt werden. In Bezug auf antimikrobielle Wirkungen spielen vor allem Pflanzenextrakte und ätherische Öle eine Rolle, die aufgrund der enthaltenen Bestandteile, wie z. B. Eugenol, Zimtaldehyd, Thymol, Squalen oder Rosmarinsäure, zu diesem Zweck eingesetzt werden können. Hier besteht jedoch noch größerer Forschungsbedarf.
Das Feld der Kunststoffadditive ist sehr breit gefächert. Das Interesse an bio-basierten, nicht toxischen Zugschlagstoffen nimmt in diesem Bereich jedoch beständig zu und obgleich das Thema in der Forschung teilweise bereits seit den 1990ger Jahren präsent ist, rückt die Thematik in den letzten Jahren weiter in den Vordergrund, vor allem auch durch die zunehmende Reife an Biokunststoffen.
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