Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner, Jürgen Kohlhoff, Stefan Reschke
Biokunststoffe erobern in den letzten Jahren langsam aber stetig den Markt. Einer der bekanntesten Werkstoffe in dieser Gruppe ist Polymilchsäure (PLA, Polylactic acid), die neben Stärkeblends, Celluloseestern und Polyhydroxyalkanoaten (PHA) mittlerweile einen festen Platz im Kunststoffmarkt hat. PLA sind biobasierte und bioabbaubare/kompostierbare Polyester, die aus Milchsäure produziert werden und in zwei stereochemischen Formen auftreten bzw. als deren Gemisch vorliegen. Die Polymere wurden erstmals 1845 beschrieben, aber erst etwa 90 Jahre später konnte ein Herstellungsverfahren entwickelt werden, bei dem Polymilchsäure aus Milchsäuremolekülen synthetisiert werden konnte. Die Eigenschaften der verschiedenen reinen PLA-Copolymere variieren je nach stereochemischer Zusammensetzung. Die monomere Milchsäure und das Dimer (Lactid), ein ringförmiger Zusammenschluss von zwei Milchsäuremolekülen, können synthetisch oder durch Fermentation gewonnen werden. Die biobasierte Produktion durch fermentative Milchsäuregärung überwiegt dabei bei weitem mit einem Produktionsanteil von ca. 90%. Die polymere Milchsäure wird hauptsächlich durch die Reaktion der Lactiden durch Ring-Öffnende- Polymerisation (ROP) erhalten. Dies führt zu höhermolekularem PLA als der Einsatz der freien Säure, da bei dieser Reaktion Wasser als Nebenprodukt auftritt und durch eine aufwändige Destillation aus dem Reaktionsgemisch entfernt werden muss.
Das Produkt, ein klarer farbloser Thermoplast, weist eine mittlere Sprödigkeit und gute mechanische Eigenschaften auf, ähnlich wie Polyethylenterephthalat (PET). Der Biokunststoff besitzt außerdem eine hohe Kapillarwirkung und eine geringe Flammbarkeit. Das Polymer ist jedoch hygroskopisch, weshalb es vor der Verarbeitung mit Hilfe verschiedener herkömmlicher Fertigungsverfahren getrocknet werden muss.
Die Anwendungsbereiche von reinem PLA sind vielfältig. Es wird sowohl in vielen biomedizinischen Einsatzgebieten genutzt, als auch in der Verpackungsindustrie, für Hygieneprodukte, Bio-Müllbeutel und Windeln verwendet. Um die Qualität in Hinsicht auf die Eigenschaften von PLAProdukten zu verbessern und die immer noch relativ hohen Produktionskosten zu senken, wird PLA häufig auch als Copolymer oder Blendprodukt eingesetzt. PLA/Glycolsäure-Copolymere werden z.B. in der Medizin als Wirkstoffträger genutzt, da sie eine kontrollierte Freisetzung der Arzneien ermöglichen. Einige sehr häufig genutzte Blendprodukte sind zudem beispielsweise PLA-Stärke-Mischungen, die im Catering-Bereich (z.B. Geschirr) zum Einsatz kommen. Die genannten Einsatzbereiche zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass Recycling, Rückgewinnung oder Wiederverwendung des Materials nicht möglich oder gewollt ist.
Die Verbreitung von PLA und anderen Biokunststoffen nimmt stetig zu. So werden PLA-Fasern z.B. auch zunehmend als Garne in der Bekleidungsindustrie oder als Füllstoff zur Polsterung verwendet. Ein wachsender Einsatzbereich für PLA ist zudem als Rohmaterial in generativen Fertigungsverfahren wie dem 3D-Druck. Entsprechende Drucker erlangen eine immer größere Reife und sind mittlerweile auch in preisgünstigen Varianten auf dem Massenmarkt erhältlich. Eines der am häufigsten genutzen Verfahren für den 3D-Druck mit PLA ist die Schmelzschichtung (FDM, Fused Deposition Modeling). Ein zeitnahes Kompostieren ist in diesen Zusammenhängen oft nicht gewünscht. Daher ist bei diesen und auch anderen Anwendungsbereichen die Wiederaufbereitung von größeren Mengen des Materials nach erfolgter Nutzung sinnvoll.
Für das Recycling nach dem Einsatz beim Verbraucher müssen derzeit allerdings noch angemessene Wege etabliert werden. Während biobasierte, aber nicht bioabbaubare Kunststoffe wie Bio-PE und Bio-PET mit dem „normalen“ Plastikmüll recycelt werden können, enden grüne Kunststoffe vielfach in der Müllverbrennung oder auf dem Kompost. Effektive Methoden zur Wiederaufbereitung der Materialien sind daher von großem Interesse. Erste Ansätze zur Etablierung eines geschlossenen Materialkreislaufs werden mittlerweile angeboten, für entsprechende Sortier- und Verwertungsanlagen gibt es einige Pilotprojekte. PLA ist aufgrund seiner Temperatursensivität problematisch für bereits etablierte Recyclingverfahren, aber es kann mit Hilfe verschiedener spezieller Methoden recycelt werden. Das mechanische Zerkleinern von vorgereinigtem PLA stellt eine Möglichkeit für die Rückgewinnung des Rohmaterials dar, wobei insbesondere die Temperatur während des Prozesses überwacht werden muss, um eine thermische Zersetzung des Polymers zu vermeiden. Derart zerkleinertes Material z.B. aus Produktionsprozessen kann nach Trocknung eingeschmolzen und direkt wiederverwertet werden, wobei der Qualitätsverlust gegenüber Neuware einer Studie zufolge relativ gering ist. Andere aktuelle Verfahren zur Wiederverwertung spalten den Kunststoff in seine Monomeren (Milchsäure) auf, reinigen diese und bilden wieder Lactide, die dann für eine erneute Polymerisation zur Verfügung stehen.
Diverse neue und zum Teil noch experimentelle Methoden zur Wiedergewinnung der Lactide sind jedoch ebenso vielversprechend und bereits an der Schwelle zur Übertragung in den Pilotmaßstab. Bei der sogenannten thermischen Depolymerisation werden Katalysatoren zur Zersetzung des Polymers bei höheren Temperaturen eingesetzt. Dieses Verfahren führt zur direkten Rückbildung von Lactiden und vermeidet die Bildung von freien Michsäuremolekülen. Die Dimere können durch einen Destillationsschritt gereinigt und als Ausgangsmaterial für die erneute Polymerbildung genutzt werden. Eine erste Pilotanlage für das Recycling unter Verwendung dieser Methode ist in Planung. Bei einem anderen Verfahren wird zuerst PLA in einem Lösungsmittel gelöst und Verunreinigungen und Additive anschließend durch einen Reinigungsschritt abgetrennt. Danach wird das gelöste Polymer wieder ausgefällt und getrocknet. Wichtig ist hierbei die Wahl des Lösungsmittels, das möglichst nur PLA, aber keine anderen Polymere löst. Auch bei diesem Verfahren wird an einer Übertragung in den Pilotmaßstab gearbeitet.
Bereits für das Jahr 2015 wird weltweit für PLA und PLA-Blends eine Produktionskapazität von ca. 250 000 t erwartet, mit einer stetig steigenden Tendenz. So soll im Jahr 2020 die Produktionskapazität 800 000 t/Jahr überschreiten. Durch intensive Forschungsaktivitäten konnten wesentliche Schwächen des Materials durch passende Additive ausgeglichen werden, so dass der Kunststoff mittel- bis langfristig als Substitut für erdölbasierte Faserwerkstoffe etwa für die Bekleidungsindustrie von großem Interesse sein könnte. Auch das Recycling aller Arten von bioabbaubaren Kunststoffen wird zukünftig mehr Bedeutung erlangen.
*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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