Dreidimensional strukturierte LTCC-Keramik

Stefan Reschke, Dr. Ramona Langner, Jürgen Kohlhoff

Unter LTCC-Keramik versteht man keramische Formkörper, die durch Sintern bei relativ niedrigen Temperaturen, in der Regel zwischen 800°C und 1000°C, aus einer oder mehreren verschiedenen keramischen Zusammensetzungen hergestellt werden. Üblicherweise handelt es sich bei diesen Werkstoffen um kristallisierbare Gläser (Glaskeramiken) oder Mischungen aus solchen mit Keramiken, die meist als Pulverschlicker oder -pasten in dünnen Schichten von je 50 bis ca. 500 Mikrometern Dicke ausgebracht und übereinander gestapelt werden. Neben Strukturwerkstoffen wie Aluminiumoxid, Cordierit oder Siliziumdioxid werden auch Funktionswerkstoffe wie Piezoelektrika eingesetzt. Bauteile aus LTCC-Keramik finden überwiegend in Mikro- und Mesosystemtechnik Anwendung.

Die etablierte Bezeichnung LTCC ist eine engl. Abkürzung und bedeutet „Low Temperature Cofired Ceramic”. Die niedrigen Sintertemperaturen werden durch die Glaskomponente in den Pulvern ermöglicht, das stapelnde Produktionsverfahren ermöglicht eine präzise reproduzierbare Herstellung dreidimensional strukturierter Keramiken. Die eingebrachten Strukturen können entweder an der Oberfläche und/oder im Inneren der Keramik liegen. Entsprechend gibt es unterschiedliche Verfahren zur Strukturierung und Herstellung des Formkörpers, die  bereits am so genannten Grünling, einem formstabilen bearbeitbaren Presskörper aus keramischem Pulver, oder auch an der gesinterten (Glas )Keramik appliziert werden.

Zusammen mit der Strukturierung lassen sich verschiedene zwei- und dreidimensionale Funktionalitäten in das Bauteilvolumen integrieren, z.B. per elektrisch leitender Pfade oder Hohlraumstrukturen. Genau diese extrem vielseitigen Kombinationsmöglichkeiten aus Strukturierung und Funktionalisierung macht dreidimensional strukturierte Keramiken so interessant. Das im Packaging von integrierten Schaltkreisen seit ca. 30 Jahren etablierte Verfahren gewinnt durch die Möglichkeit, mit modernen Bearbeitungsmethoden und Werkstoffen immer komplexere funktionale Strukturen in keramische Körper einzubetten, zunehmend an Bedeutung.

Ursprünglich wurden LTCC-Keramiken als Substrate zur Herstellung von Multichip-Modulen sowie für den Einsatz in der Mikrowellentechnik konzipiert. In ein entsprechendes Gesamtsystem integriert, können ihre Strukturen als Ankerpunkte zur Montage dienen, oder zur Handhabung mikrofluidischer Prozesse, als Wärmetauscher (Heiz- und Kühlelemente), als Sensoren für Temperatur, Druck, Strömungsgeschwindigkeit oder Entfernung, als Aktoren z.B. in Form von Mikroventilen oder -pumpen, oder in der biologischen und chemischen Analytik eingesetzt werden. Es können jedoch auch sehr leistungsfähige offene oder gekapselte passive Elemente wie Widerstände, Induktoren oder Kondensatoren hergestellt werden.

Neuere Anwendungen nutzen z.B. in der LTCC-Keramik verborgene dreidimensionale Hohlräume, die mit Luft gefüllt sind, als quasi-ideales Dielektrikum für RF-Bauteile im Hochfrequenzbereich. Beispiele hierfür sind Patch- und Micro-Strip-Antennen, die auf solchem LTCC-Substrat aufgebracht sind. Besondere Eignung zeigen sie auch für den Einsatz im Hochspannungsbereich, unter hohen Drücken oder im Hochvakuum. LTCC-Bauteile finden sich in Volumenmärkten wie  in der Automobil- und Kommunikationsindustrie, aber auch mit kleinen Stückzahlen in hochtechnologischen Nischenmärkten wie Raumfahrt oder Wehrtechnik.

Zur Strukturierung von LTCC-Keramiken gibt es eine Vielzahl von Verfahren. Die wichtigsten sind mechanisches Stanzen und Bohren, Laserschneiden, Heißprägen sowie photolithographische Verfahren. Mit dem Stanzen lassen sich im Grünling Löcher von sehr feinen Durchmessern im Bereich weniger 10 Mikrometer realisieren, mit dem mechanischen Bohren minimal einige Zehntel Millimeter. Beide Verfahren arbeiten zuverlässig bei den üblichen Schichtdicken zwischen 50 und 300 Mikrometern Dicke. Auch per Laserschneiden können Löcher bis hinab zu ca. 50 Mikrometern Durchmesser gebohrt werden, sowohl im Grünling als auch in der gesinterten Keramik. Ein wesentlicher Nachteil ist hier, dass sich die Bohrlöcher im Material zwischen Strahleintritt und -austritt mit zunehmender Schichtstärke verjüngen, sowie dass Schäden durch den Wärmeeintrag entstehen können. Mittels Heißprägen lassen sich hochkomplexe Strukturen in den Grünling übertragen. Je nach Substratzusammensetzung und -dicke sowie Stempelmaterial und -technik können derzeit z.B. Mikrokanäle bis minimal ca. 20 Mikrometern Breite und Strukturen von bis zu maximal 250 Mikrometern Tiefe geprägt werden. Photolithographische Verfahren lassen sich am teilgesinterten Körper einsetzen, um mittels Ätzverfahren Strukturen zwischen ca. 100 Mikrometern und einigen Zentimetern Breite sowie wählbarer Tiefe zu erzeugen.

Die so erzeugten Strukturen können entweder als Hohlraumsysteme bestehen bleiben, z.B. für mikrofluidische Anwendungen oder Antennenträger, oder mit Funktionswerkstoffen gefüllt werden. Zur Herstellung leitfähiger Strukturen wird z.B. Silber, Gold oder eine Palladium-Silber-Legierung verwendet, für die elektrischer Widerstände z.B. Oxide von Ruthenium, Iridium oder Wismut.

Um die einzelnen Lagen mit ihren eingebetteten Strukturen zu einem stabilen funktionsfähigen keramischen Multilagenkörper zusammenzufügen, gibt es Laminierverfahren unter hohen und niedrigen Drücken. Zu den Hochdruckverfahren zählen die Lamination mit Inserts, mit flüchtigen Stoffen, die während des Sinterns ausgetrieben werden, und mit Opferstoffen, die erst durch einen weiteren Prozessschritt nach dem Sintern aus der Keramik entfernt werden können. Zu den Niederdruckverfahren gehört beispielsweise das Verkleben der Lagen mit polymerbasierten Stoffen, die beim Sintern erst aufschmelzen und über Kapillarkräfte die Lagen weiter zusammenziehen, bevor sie sich zersetzen und ausgasen. Beide Verfahrenstypen vereinen in sich jeweils teils erhebliche Vor- und Nachteile, die genau abgewogen werden müssen.

Neue Entwicklungen erlauben mit LTCCElementen den Bau von miniaturisierten Brennstoffzellen, von Flüssig- und Gaschromatographen, von Biomonitoring-, PCR- (Polymerase Chain Reaction) und Drug-Delivery-Systemen, von Teilchenseparatoren, Photonikbauteilen, MEMS (Microelectromechanical Systems) oder MOEMS (Micro Optoelectromechanical Systems). Einige dieser Anwendungen werden erst durch LTCC-Keramiken möglich, bei  anderen sind sie den bislang eingesetzten Werkstoffen in den nutzbaren Eigenschaften teils deutlich überlegen und zunehmend kostengünstiger als z.B. etablierte Silizium- und Dünnschichttechnologie. Da der Herstellungsprozess zusätzlich häufig recht einfach und schnell ist, lohnt sich der Einsatz des LTCC-Verfahrens auch für Kleinserien.

*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
berichtet in jeder Ausgabe exklusiv
über Werkstofftrends

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