Dr. Diana Freudendahl, Stefan Reschke, Dr. Ramona Langner
Die weltweite Kunststoffproduktion steigt stetig an, und gleichzeitig nimmt auch die Herstellung biobasierter Kunststoffe immer weiter zu. Neben bekannteren Biokunststoffen wie Celluloseestern, Stärkeblends oder Polymilchsäure wird nun auch zunehmend Lignin als Rohstoff für Basischemikalien und die Herstellung wertvoller polymerer Werkstoffe eingesetzt. Lignin besteht aus einer Mischung aus drei verschiedenen Zimtalkoholen, die in pflanzlichen Geweben zwischen Cellulose und Hemicellulose eingelagert und zu Polymeren verknüpft werden. Auf diese Weise tragen sie wesentlich zu der besonderen Festigkeit verholzter Pflanzen bei. Das bisher eher als Abfallstoff betrachtete Lignin wird aus dem Zellwandmaterial verholzter Pflanzen, der Lignocellulose, gewonnen. Diese wird vor allem in der Papierherstellung als Rohstoffquelle für Cellulose und Hemicellulose benötigt. Lignin kann bis zu 30% der Biomasse einer Pflanze ausmachen, wobei die chemische Struktur des Polymers von Pflanze zu Pflanze variiert. Dies liegt daran, dass sowohl die von den Pflanzen eingesetzten Mengen der einzelnen Monomere (Einzelbestandteile des Lignins) als auch die chemischen Verknüpfungen zwischen diesen Monomeren nicht einheitlich sind.
Zur Isolierung von Cellulose, Hemicellulose und Lignin aus Lignocellulose wurden verschiedene industrielle und laborbasierte Aufschlussmethoden entwickelt. Dabei wird auch das Lignin soweit aufgespalten, dass die Fragmente sich in dem für den Aufschluss verwendeten Lösungsmittel lösen. Je nach Methode (z. B. Sulfit-Prozess, Kraft-Prozess, Soda-Prozess, Organosolv-Prozess) variieren die Eigenschaften des abgetrennten Lignins, wie die Reinheit, die chemische Struktur der Fragmente und das Molekülgewicht, zudem können die Fragmente z. B. Schwefel enthalten. Das aus diesen Prozessen gewonnene technische Lignin wird überwiegend als Brennstoff verwendet.
Es werden aber auch Prozesse entwickelt, die es ermöglichen dieses technische Lignin in reine chemische Produkte zu überführen. Das ist von besonderem Interesse, da die Monomere des Lignins eine interessante Quelle biobasierter aromatischer Grundchemikalien wie Benzol, Toluol und Xylol darstellen. Derzeit werden solche Chemikalien fast ausschließlich aus Kohle und Erdöl durch thermische oder katalytische Prozesse in Kokereien und Raffinerien gewonnen. Um verwertbares Lignin für die Herstellung aromatischer Verbindungen zu erhalten, sind aktuell vor allem drei methodische Ansätze von Interesse (Pyrolyse, Oxidation und säurekatalysierte Hydrolyse).
Bei der Pyrolyse, wird das Lignin durch Erhitzen (300 – 600 °C) in einer Wasserstoffatmosphäre in kleinere Fragmente zerlegt. Durch die Zugabe von Katalysatoren können die benötigten Reaktionstemperaturen deutlich gesenkt werden (z. B. 80 – 120°C). Generell sind solche Hydrierungen jedoch eher schwierig zu kontrollieren, weshalb die aromatischen Verbindungen häufig weiter reduziert werden.
Des Weiteren können aromatische Monomere aus Lignin auch durch Oxidationsreaktionen erhalten werden, also durch die Zersetzung des Polymers mittels Sauerstoff. Für diese Reaktionen sind im Prinzip keine Katalysatoren nötig, sie verbessern jedoch sowohl die Spezifität der Bindungsbrüche (Fragmentbildung) als auch die Ausbeuten. In letzter Zeit werden auch unkonventionelle Aktivierungsmethoden (z. B. elektrochemische Verfahren, Photokatalyse oder Mikrowellen) und Reaktionsmedien (z. B. ionische oder superkritische Flüssigkeiten) genutzt.
Neben diesen beiden am weitesten verbreiteten Verfahrensweisen wurden weitere Verfahren getestet, wobei unter anderem die säurekatalysierte Hydrolyse und biologische Aufschlussmethoden von Interesse sind. Die derzeit vielversprechendsten Ansätze im Bereich der säurekatalysierten Hydrolyse nutzen ionische Flüssigkeiten oder Zeolithe, dabei werden aromatische Monomere in Ausbeuten von bis zu 60% erhalten. Zudem sind bestimmte Pilzenzyme in der Lage Lignine zu spalten. Aktuell werden solche Methoden jedoch eher im Bereich der Bioraffinerien zur Spaltung der Lignine eingesetzt, um die aromatischen Fragmente in der Kraftstofferzeugung zu nutzen.
Das in den verschiedenen Prozessen erhaltene Lignin kann in unterschiedlichen verwertbaren Formen vorliegen – Monomere, Makromonomere und funktionalisierte Makromonomere. Die kleinsten Einheiten, also die Ligninmonomere, sind vor allem für die Herstellung von Basischemikalien wie z. B. Benzol oder Vanillin wichtig. Diese können zum einen direkt als Kraftstoffzusatz oder in der Lebensmittel- und pharmazeutischen Industrie verwendet werden, zum anderen können auch diese Basischemikalien zur Polymersynthese verwendet werden. Vor allem die Ligninmonomere selbst sind jedoch für die Herstellung neuer Polymere von Interesse. Die reinen Zimtalkohole eignen sich vor allem zur Synthese von Polyurethanen, Polyestern, Epoxid- und Phenolharzen, Polyamiden sowie Polyvinylpolymeren.
Da der Abbau von Lignin bis zu den Monomeren jedoch noch sehr energieintensiv ist, stellt die Nutzung von Ligninmakromonomeren, also größeren Ligninfragmenten, eine attraktive Alternative dar. Solche Makromonomere besitzen ausreichend Anknüpfungspunkte (freie Hydroxylgruppen), die zur Synthese von Polyurethanen, Polyestern, Epoxid- oder Phenolharzen genutzt werden können. Um die Reaktionsfähigkeit der Makromonomere zu verbessern, können diese Strukturen zudem chemisch modifiziert werden, z. B. durch Veresterungen oder Aminierungen. Dadurch werden Löslichkeit, Reaktivität, Sprödigkeit sowie die Verarbeitbarkeit verbessert. Diese funktionalisierten Makromonomere können vor allem zur Herstellung von Polyurethanen, Epoxid- oder Phenolharzen eingesetzt werden. Erste Versuche solche Strukturen auch zur Herstellung von Hydrogelen zu nutzen wurden ebenfalls bereits durchgeführt.
Neben der Herstellung reiner Polymere können Lignin (Makro-)Monomere auch als Additive bei der Herstellung von Kompositen und Copolymeren verwendet werden. Dazu wird vor allem Lignosulfonat aus technischem Lignin genutzt. Lignin kann darüber hinaus auch zur Herstellung von Carbonfasern genutzt werden und so eine kostengünstige Alternative zu bereits etablierten Methoden darstellen. Aktuelle Projekte vorfolgen das Ziel, ligninbasierte Carbonfasern für den Massenmarkt weiterzuentwickeln.
Aktuell gibt es noch keine Methoden, die sehr gute Ausbeuten bezüglich der aromatischen Strukturen liefern oder entsprechend wirtschaftlich sind. Um die Aufarbeitung des Lignins zukünftig zu vereinfachen und die Eigenschaften beispielsweise von ligninhaltigen Polymeren zu verbessern, könnte auch die Forschung an sogenannte Designer-Ligninen helfen. Dazu werden gezielt die Stoffwechselwege von Pflanzen so beeinflusst, dass die Lignine in den Zellwänden z. B. bereits einen geringeren Vernetzungsgrad aufweisen oder weniger wasserabweisend sind.
*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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