Metallogele

Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl

Gele werden bereits seit längerem als Werkstoffe genutzt und sind unter anderem für medizinische Anwendungen von Bedeutung. Sie bestehen aus einem dreidimensionalen Netzwerk, z. B. aus miteinander verknüpften Polymerketten, welches Partikel einer Flüssigkeit immobilisiert. Auf diese Weise werden Materialien erhalten, die sich durch das Netzwerk wie Festkörper verhalten, aber das spezifische Gewicht und bestimmte Eigenschaften der Flüssigkeit aufweisen. Als Metallogele werden Polymergele bezeichnet, die zusätzlich metallische Komponenten wie Metallkationen oder metallische Nanopartikel enthalten. Durch diese verändern sich einerseits Basiseigenschaften des Gels wie der Mechanismus der Gelbildung oder seine Festigkeit. Insbesondere aber ist das Ziel, gewebeähnliche, bioverträgliche Materialien mit zusätzlichen Funktionalitäten zu versehen, etwa der Absorption oder Emission elektromagnetischer Strahlung, besonderen elektrischen Eigenschaften, Magnetismus, antibakteriellen, speziellen katalytischen oder selbstheilenden Eigenschaften. Grundsätzlich unterscheidet man dabei zwei verschiedene Typen von Metallogelen: solche, bei denen metallische Komponenten wie Metallkationen Teil der Netzwerkstruktur sind, sowie solche, in die Metalle nachträglich eingebracht wurden oder in denen diese Teil der im Gel enthaltenen flüssigen Phase sind.

Zur Herstellung von Metallogelen, deren Netzwerk metallische Komponenten enthält, kommen vor allem bestimmte metallorganische Verbindungen zum Einsatz, die von sich aus in der Lage sind, dreidimensionale Netzwerkstrukturen aufzubauen. Dabei nutzt man beispielsweise die Wechselwirkung zwischen Metallkationen und negativ geladenen Polymerketten oder freien Elektronenpaaren in organischen Molekülen. Ist dies nicht möglich, kommen Vorläuferstrukturen zum Einsatz, auf deren Basis sich nach mehreren Reaktionsschritten gezielt Gelstrukturen selbst aufbauen. Dabei dienen die Präkursoren nicht nur als Ausgangsmaterial für die gewünschten chemischen Reaktionen, sondern sie enthalten auch entsprechende Stellen, die Metalle koordinieren können. Einfacher stellt sich die Gewinnung von Metallogelen dar, in denen die Metalle kein Teil der Grundstruktur sind. Hier bietet es sich zum einen an, entsprechende Salze in Wasser zu lösen und dieses anschließend der Gelbildung zuzuführen, um so die enthaltenen Metallkationen im Gel zu binden. Metallische Nanopartikel lassen sich aber auch noch während der Gelbildung direkt im Gel verteilen. Allerdings gibt es hier unter Umständen Schwierigkeiten mit einer homogenen Verteilung der Metallpartikel. Wie bei anderen Gelen auch, liegt der Schwerpunkt möglicher zukünftiger Anwendungen von Metallogelen im medizinischen Bereich. Beispiele dafür sind neue antibakterielle Materialien, Materialien für Drug-Delivery-Systeme oder Tissue Engineering sowie Materialien für neue Biosensoren. Edelmetallnanopartikel werden bereits seit geraumer Zeit wegen ihrer antibakteriellen Eigenschaften verwendet. Auch in den entsprechenden Metallogelen wurden diese bereits demonstriert. Darüber hinaus sind gold- und silberhaltige Metallogele beispielsweise auch für die Krebstherapie interessant. Bei der Photothermaltherapie könnten mit ihrer Hilfe metallische Nanopartikel in den Tumor eingebracht werden, indem Wirkstoffe mit passenden Metallogelen etwa in die Blutbahn eingebracht oder als Teil von Salben o. ä. auf die Haut aufgetragen werden. Bei anschließender lokaler Bestrahlung mit Laserlicht erhitzen sich die Metallpartikel und zerstören dadurch das Tumorgewebe, während das umgebende gesunde Gewebe kaum geschädigt wird. Hier eröffnen sich möglicherweise auch Chancen, günstigere Materialien entwickeln zu können. So sind etwa Metallogele basierend auf Kupfernanopartikeln und Polysaccharid-Hydrogelen sehr vielversprechend.

Lichtemittierende Gele sind von besonderem Interesse für die biomedizinische Bildgebung, zum Beispiel für das Beobachten und Quantifizieren zellulärer Systeme bzw. Prozesse. Wie bereits in der medizinischen Bildgebung üblich, kommen hierfür vor allem auf Lanthaniden basierende Metallogele zum Einsatz, aber auch Metallhalide werden untersucht. Dabei kann ein Gel entweder grundlegend mit einer Lichtemission versehen werden, in bereits leuchtfähigen Gelen können aber auch die Farbintensität verstärkt oder neue Emissionsbanden eröffnet werden. Durch eine präzise Einstellung der chemischen Zusammensetzung – zum Beispiel durch Verändern des Verhältnisses von Europium- und Terbiumkationen im Gel – oder durch Veränderungen an der Netzwerkstruktur des Gels lassen sich dabei sehr feine Änderungen in den emittierten Wellenlängen erreichen. Das macht man sich zum Beispiel zunutze, um den Erfolg von Drug-Delivery-Systemen zu überwachen.

Ein weiteres großes Einsatzfeld stellen Wearables, also flexible, am Körper getragene, elektronische Geräte dar. Hier eignen sich Metallogele für verschiedene Komponenten. Sie können etwa als neuartige Interfaces dienen. Demonstriert wurden hier unter anderem pflasterähnliche Metallogelschichten, die als Touchpanels fungieren. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit sind flexible Energiespeicher. So wurde gezeigt, dass auf Metallogelen basierende Elektrolyte in Lithiumionenakkus im Gegensatz zu festen Polymerelektrolyten eine verbesserte Ionenleitfähigkeit, Bioverträglichkeit und mechanische Flexibilität aufweisen. Auch für flexible Elektroden eignen sie sich.

Darüber hinaus verfügen viele Metallogele über die Fähigkeit der Selbstheilung. Insbesondere metallische Koordinationszentren können als „Sollbruchstelle“ dienen, Energie aufnehmen und in der Struktur verteilen und sich anschließend wieder verbinden. Grundsätzlich bieten Metallogele aufgrund ihrer organometallischen Struktur und ihrer sehr vielseitigen chemischen Zusammensetzung aber viele Möglichkeiten, über die dynamische Neubildung der Netzwerkstrukturen und anderer Bindungen eine Reparatur des Materials zu ermöglichen. Das erhöht die Chancen für eine tatsächliche weitgehende Wiederherstellung des Materials auch unter unterschiedlichen Bedingungen. Dadurch könnte die Nutzungszeit tragbarer elektronischer Geräte oder die Funktionsfähigkeit von Sensorsystemen deutlich gesteigert werden.

Neue Metallogele aufzuspüren und herzustellen, ist derzeit immer noch eine Herausforderung, da die Forschung noch relativ am Anfang steht und die grundlegenden Mechanismen noch nicht gut genug verstanden sind. Bereits geringfügige Änderungen in der Gelzusammensetzung können zu großen Unterschieden in den Geleigenschaften führen. Daher ist mit ihrem weit verbreiteten Einsatz frühestens mittelfristig zu rechnen. Man erhofft sich hier insbesondere neue Impulse aus dem Bereich der computergestützten Werkstoffentwicklung, zum Beispiel durch maschinelles Lernen. Sind diese grundlegenden Probleme aber behoben, bietet sich eine neue interessante Materialklasse mit vielfältigen mechanischen, elektronischen, optischen Eigenschaften für „smarte“ Materialsysteme, die in einer Vielzahl von Anwendungsfällen – auch über die hier beispielhaft genannten hinaus – zu Verbesserungen führen könnten.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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