Soft Robots

Dr. Diana Freudendahl, Stefan Reschke, Dr. Ramona Langner

Mit dem Begriff Roboter werden im allgemeinen Sprachgebrauch präzise Computer-gesteuerte automatisierte und zum Teil humanoide Maschinen verbunden, die eine starre Struktur besitzen und Gelenke, Scharniere oder Klappen aufweisen. Soft Robots bestehen im Gegensatz dazu aus nachgiebigen Materialien und sind an biologische Systeme angelehnt. Potentielle Anwendungsgebiete von Soft Robots sind beispielsweise Such- und Bergungseinsätze auf unzugänglichem Terrain, die feinfühlige Handhabung empfindlicher Gegenstände oder weiche Orthesen, die insbesondere für die Rehabilitation von Gliedmaßen sehr gezielte Versteifungen oder Formungen ermöglichen. Um autonomes Verhalten zu ermöglichen, müssen alle Anlagen der Sensorik und Aktorik, der Steuerungscomputer, die Energieversorgung und Kommunikationsvorrichtungen in das flexible Material eingebettet werden. Idealerweise werden dazu Smart Materials genutzt, die gleich mehrere dieser Funktionen integrieren. Die anwendungsnahe Forschung an Soft Robots ist zudem ein sehr interdisziplinäres Feld, das querschnittliche Expertisen aus Informatik, Materialwissenschaften und dem Maschinenbau nutzt.

Häufig werden Soft Robots mit einer 3D-CAD (computer-aided design) Software entworfen, wobei auch evolutionäre Algorithmen, also naturanaloge Optimierungsverfahren, genutzt werden um Form und Funktion möglichst ideal auszugestalten. Für die Herstellung von komplexen Soft Robots aus solchen CAD-Dateien sind generative Fertigungsverfahren am besten geeignet. Die für den Aufbau solcher Soft Robots eingesetzten Materialien besitzen typischerweise Eigenschaften, die natürlichen Geweben ähneln (z. B. Muskeln, Haut, Knorpel), bzw. ein Elastizitätsmodul von weniger als einem Gigapascal aufweisen, wie z. B. verschiedene Elastomere oder Hydrogele. Passend dazu wird eine Aktorik benötigt, die die einzelnen Segmente eines Soft Robots gezielt bewegen kann. Hierbei gibt es zwei Varianten der Kraftübertragung: Einerseits können Spanndrähte, Formgedächtnismaterialien oder elektroaktive Polymere (z. B. Acrylate, Silicone, Polyurethane) eingesetzt werden, die es erlauben mechanisch oder aufgrund bestimmter Reize (z. B. Strom, Licht oder Temperatur) Kräfte oder Drehmomente punktuell in die Struktur einzuleiten. Zum anderen kann auch pneumatisch oder hydraulisch erzeugter Druck genutzt werden, beispielsweise in Form von künstlichen pneumatischen Muskeln oder Flüssig-Elastomer-Aktoren. In jedem Fall ist jedoch ein Mindestmaß an elektronischen Komponenten nötig, um den Roboter zu steuern.

Besondere experimentelle Ausnahmen in Bezug auf den Antrieb stellen z. B. eine künstliche Qualle oder ein künstlicher Rochen dar. Für diese Soft Robots wurden auf entsprechend geformten dünnen Silikonmembranen Herzmuskelzellen so wachsen gelassen, dass sie einem vorher geplanten Muster entsprachen. Durch das Zusammenziehen und Entspannen der Muskelzellen war die künstliche Qualle in der Lage sich ohne zusätzliche Komponenten frei, jedoch unkontrolliert durch Wasser fortzubewegen. Der 2016 vorgestellte Rochen kann gezielt mit Lichtimpulsen gesteuert werden.

Zur Kontrolle von Aktoren, Sensoren und Energiequellen wurde bisher vornehmlich konventionelle und starre Elektronik eingesetzt. Mit dem Fortschreiten von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der flexiblen Elektronik kann jedoch damit gerechnet werden, dass sich diese zunehmend bei der Gestaltung von Soft Robots durchsetzen wird. Hierbei ist beispielsweise die Entwicklung von E‑Skin besonders interessant. Diese Technologie kann sowohl für die Wahrnehmung der Umgebung, als auch für die Selbstwahrnehmung (Propriozeption) des Roboters genutzt werden. Darüber hinaus gibt es Beugungs‑, Zug‑ oder Scherkraftsensoren z. B. aus geschichteten Elastomeren mit mikrofluiden Kanalstrukturen und entsprechenden leitenden Flüssigkeiten, die direkt in die Außenwand integriert werden können. Eine solche Sensorik ist in der Herstellung sehr aufwändig, diese kann zukünftig jedoch beispielsweise mit Hilfe generativer Fertigungsverfahren vereinfacht werden.

Im Gegensatz zu starren robotischen Systemen, die häufig nur mit sechs Freiheitsgraden beschrieben werden können, werden für die Kontrolle der Fortbewegung von Soft Robots besondere Algorithmen benötigt, die praktisch eine unendliche Anzahl von Freiheitsgraden erlauben. Diese Beweglichkeit verleiht Soft Robots potenziell Fähigkeiten, die in ähnlicher Weise nur bei lebenden Systemen zu finden sind. Zudem wären bei Soft Robots potenziell auch Änderungen der Oberflächenform, ‑struktur sowie der Farbe möglich, ähnlich wie bei Tintenfischen, wenn entsprechend intelligente Polymere für die Außenhaut eingesetzt würden. Als Demonstrationsobjekte für die Gestalt von Soft Robots wurden bereits verschiedenste Formen gezeigt, wie z. B. X‑förmige Kriechroboter, raupenartige Soft Robots, ein fisch‑ sowie rochenartige Roboter, handähnliche Gebilde, und Greifer mit zumeist drei bis sechs Fingern.

Die größte Herausforderung für den Betrieb von Soft Robots stellt die Energieversorgung dar. Idealerweise handelt es sich dabei um kleine, weiche, dehn- und tragbare Energiequellen. Der Einsatz kleiner Energiequellen, die Miniatur-Kompressoren antreiben, ist möglich, solche Strukturen sind aber normalerweise nicht weich oder dehnbar. Mittlerweile wurden jedoch alternative Systeme entwickelt, wie z. B. eine pneumatische Batterie, bei der mit Hilfe von Wasserstoffperoxid ein Gasdruck zur Fortbewegung aufgebaut werden kann, oder die Nutzung von Kraftstoffen für zielgerichtete Verbrennungsprozesse. Vielversprechend ist aber vor allem die Forschung an flexiblen Batterien, basierend auf Graphen, organischen Polymeren oder integrierten elektrisch leitenden Fasern, die in Soft Robots eingebaut werden könnten.

Die bereits genannten Anwendungsgebiete bieten insgesamt ein großes Potential für Soft Robots. Solche Systeme könnten z. B. als künstliche Exoskelette zur Unterstützung des Bewegungsapparats, als kollaborative Roboter in Industrie oder Medizin, sowie als explorative Roboter eingesetzt werden. Miniaturisierte Systeme könnten im Bereich des Katastrophenschutzes potenziell nicht nur zum Auffinden von Personen genutzt werden, sondern auch zur generellen Aufklärung, z. B. als Detektoren für Gefahrstoffe oder zur Inspektion und Reparatur von engen Leitungen. Zudem besitzen miniaturisierte Systeme das Potenzial in der Medizin sowohl zur Unterstützung von minimalinvasiven Operationen als auch zur Diagnose und Therapie direkt im Körper eingesetzt zu werden. Es wurden auch bereits Möglichkeiten untersucht, wie Soft Robots nach der Durchführung einer gestellten Aufgabe durch eingebaute (Selbst-)Zerstörungsmechanismen aktiv zersetzt werden könnten.

Erste Schritte in der Entwicklung von Soft Robots sind bereits getan und mit einer stetigen Fortentwicklung der Technologie kann gerechnet werden. Bis zu einem größeren Durchbruch im Massenmarkt kann es jedoch noch einige Zeit dauern. Das Gebiet ist aufgrund seiner Interdisziplinarität von Entwicklungen in verschiedensten Bereichen abhängig, wobei gerade auch die Materialwissenschaften wichtige Beiträge liefern können.

*Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
berichtet in jeder Ausgabe exklusiv
über Werkstofftrends

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