Stabile Fertigungsprozesse durch Beherrschung der Komplexität bei Werkstoffen

Bild 1: Bei der FEM-Simulation von Fertigungsprozessen sind werkstoffspezifische Materialkarten unverzichtbar (Quelle Fa. Dynaweld)

Bild 1: Bei der FEM-Simulation von Fertigungsprozessen sind werkstoffspezifische Materialkarten unverzichtbar (Quelle Fa. Dynaweld)

Allgemein werden in der heutigen Fertigung stabile Prozesse angestrebt, da sie eine Voraussetzung für Produktivität und Kosteneffizienz sind. Werkstoffe können dabei zugleich Erfolgsfaktor, beispielsweise durch überlegene Eigenschaften, und Störfaktor, beispielsweise durch Chargenschwankungen sein. Chargenschwankungen treten beispielsweise dann häufig auf, wenn der Hersteller eines Halbzeugs geändert wurde. Dies ist wiederum ein Beleg dafür, dass die Bestellvorschrift für das entsprechende Halbzeug nicht präzise genug gefasst war. Oft reichen die Angaben in Normen nicht aus, um stabile Prozesse zu gewährleisten. Besonders ärgerlich sind „metastabile“ Fertigungsprozesse. Sie laufen vermeintlich stabil und ur­plötzlich entstehen hohe Mengen an Ausschuss und/oder Nacharbeit. Eine mögliche Fehlerquelle ist dabei der Werkstoff.

Wie und mit welchen Werkzeugen und Methoden können die „Erfolgspotenziale“ der Werkstoffe ausgeschöpft und gleichzeitig die „Störfaktoren“ minimiert werden?

Besonders kritisch sind thermische Prozesse wie Gießen, Umformen, Wärmebehandeln und Schweißen. Aus diesem Grund werden derartige Prozesse oft im Vorfeld der Freigabe mit klassischen FEM-Werkzeugen simuliert (Bild 1). Der Werkstoffeinfluss wird dabei in Form einer modellhaften Beschreibung, der sogenannten „Materialkarte“ berücksichtigt. Genau hier liegt ein wesentliches Problem: Allgemein gibt es eine Materialkarte für einen Werkstoff – die Schwankungsbreite der im Rahmen der Norm oder Liefervorschrift möglichen Werkstoffzusammensetzung und der sich daraus ergebenden Werkstoffeigenschaften wird nur selten berücksichtigt.

Bild 2: Wärmeleitfähigkeit von Aluminium 7075 als Funktion der Wärmebehandlung – berechnet mit JMatPro®

Bild 2: Wärmeleitfähigkeit von Aluminium 7075
als Funktion der Wärmebehandlung – berechnet
mit JMatPro®

Berechnen von Materialkarten für alle möglichen Werkstoff­varianten

In Abhängigkeit von den in Normen erlaubten Schwankungsbreiten der Legierungselemente ergeben sich zum Teil stark schwankende Eigenschaften, deren Schwankungsbreite in der Simulation berücksichtigt werden sollte. Die Berechnung der Werkstoffeigenschaften mit JMatPro® ist seit mehr als 10 Jahren eine „Best Practice“ an dieser Stelle. JMatPro® liefert für jeweils spezifische Zusammensetzungen die maßgeschneiderten Materialkarten (Bild 2). Damit können im Vorfeld einer Null-Serie die potenziellen Störgrößen durch den Werkstoffeinfluss bewertet werden.

Optimieren von Werkstoffen durch Variation der Parameter

Wenn der Werkstoff schon in Bezug auf sein „Störpotenzial“ bewertet wurde – warum dann nicht gleich Eigenschaften und/oder Kosten mit optimieren? Es gibt oft eine Vielzahl von Werkstoffalternativen, allerdings wird die Entscheidung für den „richtigen Werkstoff“ oft ohne systematische Analyse getroffen.

Für metallische Strukturwerkstoffe kann im Rahmen der Bandbreite der Spezifikationen natürlich auch optimiert werden. Dafür werden im einfachen Fall die chemischen Zusammensetzungen vollfaktoriell variiert und anschließend unter Berücksichtigung von Zielkonflikten der beste Kompromiss aus Kosten, Performance und Prozessstabilität identifiziert. Diese Informationen führen dann zu verbesserten technischen Liefervorschriften und/oder zum Wechsel des Werkstoffs.

Bild 3: Bewertung von Werkstoffalternativen mit Matplus EDA® am Beispiel Duplex Gusswerkstoff

Bild 3: Bewertung von Werkstoffalternativen mit Matplus EDA® am Beispiel Duplex Gusswerkstoff

Lohnen sich Werkstoffdatenbanken?

Der Einsatz von Werkstoffdatenbanken im Sinne der marktüblichen „Kataloge“ kann nur einen kleinen Beitrag zur Lösung beitragen, da:

  • Viele Anbieter von Werkstoffdatenbanken tendenziell zu viele Alternativen anbieten, die zudem am Markt oft nicht wirklich verfügbar sind.
  • Viele Werkstoffdatenbanken zu wenige spezifische Daten haben, die für die Optimierung von Eigenschaften und Fertigungsprozessen geeignet sind.
  • Materialkarten für die Simulation allgemein nicht zur Verfügung stehen.
  • Unternehmen allein aus Komplexitätsgründen die Werkstoffvielfalt beschränken.

Es kommt also darauf an, unternehmensspezifische Werkstoffdatensysteme aufzubauen,  die für die Anwendergruppen im Unternehmen konsistente und freigegebene Daten bereitstellen. Derartige Lösungen zeichnen sich dadurch aus, dass

  • die Anzahl der freigegeben Werkstoffe für Fertigung und Konstruktion minimiert ist.
  • die Daten und Materialkarten für diese Werkstoffe vollständig sind.

Ein Werkzeug für den Aufbau derartiger Systeme ist Matplus EDA® (Bild 3), das sich als gut skalierbares webbasiertes System in die IT-Infrastruktur der Unternehmen integriert. Eine umfangreiche Sammlung von Referenzdatenbanken, z.B. Stahldat für Stahl, Aluselect für Aluminium, MMPDS für Luftfahrtwerkstoffe, steht zur Verfügung um daraus ein unternehmensspezifisches System zusammenzustellen, in dem für Einkauf, Konstruktion und Fertigung die jeweils freigegebenen Werkstoffe vorhanden sind. Zusätzlich integriert werden können sowohl Daten aus Werkstoffprüfungen, Normen und Datenblättern, als auch erweiterte berechnete Werkstoffdaten, z.B. aus JMatPro®.

Der Wert guter Werkstoffdaten für die Fertigung

Was stört eigentlich an der vielfach zu beobachteten „maximalen Komplexität und Inkonsistenz“ bei den Werkstoffdaten? Lohnt es sich, das Thema anzufassen und Geld auszugeben oder „ist es noch immer gutgegangen“? Studien bei fertigenden Unternehmen zeigen, dass:

  • in der Beschaffung deutlich Kosten für Halbzeuge gespart werden können.
  • werkstoffbedingte Instabilitäten in der Fertigung signifikant reduziert werden können.
  • dass neue Mitarbeiter schneller produktiv werden und bessere Entscheidungen bezogen auf den kostenoptimalen Einsatz von Werkstoffen treffen können.

Die Matplus GmbH unterstützt Unternehmen bei der Bewertung derartiger Aspekte und zeigt, wie durch Einsatz der geeigneten Werkstoffdatensysteme deutliche Wettbewerbsvorteile erreicht werden können.


Autoren*innen

Uwe Diekmann,
Parisa Rostami,
Petra Becker

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