Dr. Diana Freudendahl, Dr. Heike Brandt, Dr. Ramona Langner
Kunststoffe begleiten uns praktisch überall durch den Alltag, was ihrer ausgesprochenen Vielseitigkeit zu verdanken ist. Eine sehr prägnante Eigenschaft von Kunststoffen, die häufig auch bewusst eingesetzt wird, ist ihre gute thermische Isolation (die Wärmeleitfähigkeit liegt allgemein im Bereich 0,1 – 0,6 W/mK). In einer zunehmend digitalisierten Welt kann sich dies aber auch nachteilig auswirken, z. B. bei der Weiterentwicklung von flexibler organischer Elektronik oder der weiteren Miniaturisierung von Systemen. Wärmeleitfähige Polymere stellen daher eine sinnvolle Ergänzung im Repertoire der Kunststofftechnik dar. Neben ihrem vielseitigen Einsatz in elektronischen Komponenten könnten sie beispielsweise auch als Wärmetauscher, für thermoregulierende Textilien (stabil > 200 °C) oder im Bereich der Energieindustrie eingesetzt werden. Dabei können derartige Kunststoffe bedarfsgerecht in ihren Eigenschaften zur elektrischen Isolierung oder Leitung verändert und damit optimiert werden. Um eine solche Optimierung der Wärmeleitung in Polymeren zu ermöglichen ist ein gutes Verständnis der an der Wärmeleitung beteiligten Mechanismen unabdingbar.
Die Wärmeleitung in Kunststoffen ist direkt abhängig von den amorphen und kristallinen Strukturbereichen im Material. Die wärmeisolierenden Eigenschaften von Polymeren werden vor allem durch die amorphen Bereiche bestimmt, die eine ungehinderte Leitung von Phononen (temperaturinduzierte Schwingungen der Atome und Moleküle) an den Polymerketten verhindern. Die Wärmeleitfähigkeit hingegen wird durch die kristallinen Bereiche in den Polymeren bestimmt – je größer ihr Anteil ist, desto eher ist ein Kunststoff thermisch leitfähig. Dabei spielen insbesondere das Rückgrat der Polymere sowie Größe und Menge der Verzweigungen eine besondere Rolle.
Um die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen zu verbessern, gibt es verschiedene Ansätze, die auch in Kombination wirken können. Zur Erhöhung des kristallinen Strukturanteils können Produktionsverfahren wie Elektrospinnen, Festkörperextrusion und Hochdruckkristallisation angewendet werden, um die Polymerketten zu strecken. Hier besteht jedoch noch immer Forschungsbedarf, um die genauen Zusammenhänge zwischen der Streckung von Polymerketten und der resultierenden verbesserten Wärmeleitfähigkeit aufzuklären. Zudem werden auch Computersimulationen verwendet, um die Wärmeleitung zu verbessern. Sie können den inneren geometrischen Aufbau simulieren, sowie die Abhängigkeiten von der jeweiligen Molekülstruktur und die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Polymerketten oder Kettenabschnitten darstellen.
Neben diesen inhärenten strukturellen Ausprägungen kann die Wärmeleitfähigkeit von Polymeren auch durch die Zugabe von Metall- oder Keramik(nano)partikeln sowie Kohlenstoffmodifikationen wie Graphen, Kohlenstoffnanoröhren (CNT) oder Diamant beeinflusst werden. In Ausnahmefällen konnten so bis zu 26 W/mK erreicht werden (Polyamid PA66 mit 20 gew% h-BN). Die Eigenschaften der daraus resultierenden Polymer(nano)komposite sind dabei vor allem von Beladung, Verteilung, Form, Größe, Struktur, Zusammensetzung und Oberfläche der Füllstoffe geprägt. Ihr Einfluss auf die Wärmeleitung übersteigt die der inhärenten Polymerstruktur in der Regel deutlich und steht in direkter Abhängigkeit zur Wärmeleitfähigkeit der Füllstoffe und ihrer Fähigkeit, leitende Netzwerke auszubilden. Zur Abschätzung dieser Parameter können ebenfalls Computersimulationen eingesetzt werden. Häufig liegen die experimentell erhaltenen Werte jedoch niedriger als die berechneten, aufgrund der sehr hohen Komplexität des Gesamtsystems.
Eine höhere Beladung der Polymermatrix mit solchen Partikeln geht normalerweise mit einer Verbesserung der Leitfähigkeit einher. Eine zu hohe Beladung hat jedoch den Nachteil, dass die mechanischen Eigenschaften des Polymers sich verschlechtern. Zudem kann es dazu führen, dass die, durch die Füllstoffe etablierten, wärmeleitenden Netzwerke aufgrund von Zusammenballungen zerfallen. Nanopartikel können durch eine bessere Verteilung in der Polymermatrix effektivere wärmeleitende Netzwerke im Polymer ausbilden als entsprechend größere Partikel, welche im Verhältnis jedoch weniger Grenzfläche zum Polymer aufweisen. Denn die Oberfläche der Partikel bestimmt auch mit, wie groß der Widerstand der Wärmeleitung zwischen einem Polymer und den darin enthaltenen Füllstoffpartikeln ist. Funktionalisierungen an den (Nano)Partikeln können dies jedoch verbessern. Auch die inhärente Struktur und Größe der (Nano)Partikel ist von Bedeutung. Die Form der Partikel (Sphären, Stäbchen, Röhren, Plättchen, …) bestimmt zudem die relative Oberfläche und welche Grenzflächen zur Wärmeleitung zur Verfügung stehen. So ist das Oberflächen-Volumenverhältnis von sphärischen Partikeln im Vergleich zu Zylindern und Quadern zwar im Vorteil, andererseits erlauben sie jedoch lediglich Punktkontakte was die Wärmeleitfähigkeit einschränkt. Experimentelle Ergebnisse zeigten, dass Plättchen die Wärmeleitfähigkeit am deutlichsten verbessern können, jedoch zumeist nur in einer Ebene.
Mit (Nano)Partikeln können neben der Wärmeleitfähigkeit auch weitere Funktionalitäten in einen Komposit eingebracht werden. Beispielsweise kann mit Füllstoffen wie Graphit, Metallpartikeln, CNTs oder Graphen auch eine elektrische Leitfähigkeit eingestellt werden, während Füllstoffe wie Aluminiumoxid, Bor- oder Aluminiumnitrid zwar die Wärmeleitung unterstützen, aber elektrisch isolierend wirken. Auch Kombinationen von verschiedenen Füllstoffen, wie
z. B. Glaskügelchen mit Nitrid- oder Kohlenstoffpartikeln, konnten umgesetzt werden. Hierbei dient das Glas der Verstärkung des Materials, während der andere Füllstoff die Wärmeleitfähigkeit verbessert. Es wurden auch erste Kombinationen unterschiedlicher wärmeleitender Füllstoffe untersucht, wobei synergistische Effekte beobachtet werden konnten.
Die erfolgreiche Herstellung effektiver wärmeleitender Kunststoffe ist jedoch auch besonders von adäquaten Produktionstechnologien abhängig. Die Verarbeitungstechnologie beeinflusst beispielsweise stark die Dispersion und Verteilung der wärmeleitenden Füllstoffe in der Polymermatrix. So kann z. B. ein elektrisches oder magnetisches Feld genutzt werden, um die Orientierung der wärmeleitenden Füllstoffe zu steuern oder die in-situ-Polymerisation, um die Dispersion der wärmeleitenden Füllstoffe zu fördern. Darüber hinaus haben auch äußere Bedingungen wie Betriebstemperatur, Richtung des Wärmeflusses und Luftfeuchtigkeit Auswirkungen auf die Wärmeleitfähigkeit. So nehmen beispielsweise PVA-Folien, wie die meisten Polymerkomposite, Wasser auf. Dadurch erhöht sich deren Wärmeleitfähigkeit bei einer Steigerung der (Luft)Feuchtigkeit von 20 % auf 40 % um 0,2 W/mK. Ähnliche Steigerungen können durch das gezielte Abstimmen der Betriebstemperatur erreicht werden.
Sowohl für die Verbesserung der Wärmeleitfähigkeit von ungefüllten als auch für partikelgefüllte Kunststoffe besteht noch großer Forschungsbedarf. Auch die Verknüpfung dieser Ansätze könnte im Hinblick auf Effektivität und synergistischer Kombinationen lohnend sein. Neben diesem großen Forschungspotenzial, besitzen wärmeleitende Kunststoffe auch einen breiten Anwendungsbereich, weshalb weitere Forschung und auch Entwicklung in diesem Bereich erwartet werden kann.
Fraunhofer Institut für
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