Business Analytics Anwendungen in der Logistik

Der Begriff Business Analytics (BA) beschreibt die datengetriebene Analyse von Geschäftsprozessen. Ziel ist es, mittels IT-Einsatz und unter Anwendung mathematischer und statistischer Verfahren vergangenheits- und zukunftsorientierte Einblicke in ein Unternehmen zu erhalten um, darauf aufbauend, möglichst optimale Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die folgenden Ausführungen sind dazu gedacht, dem Leser anhand logistischer Fragestellungen ein grundsätzliches Verständnis für den Begriff „Business Analytics“ zu vermitteln.

Drei Teilbereiche

Weithin anerkannt ist die Sichtweise, dass Business Analytics in drei Bereiche unterteilt werden kann. Diese sind

(1) Descriptive Analytics,

(2) Predictive Analytics und

(3) Prescriptive Analytics.

Abbildung 1 positioniert diese Teilbereiche hinsichtlich ihrer Umsetzungsschwierigkeit/Fortschrittlichkeit und dem Mehrwert, den sie typischerweise in Unternehmen stiften. Die folgenden Abschnitte gehen näher auf diese Systematisierung ein.

Abbildung 1: Descriptive, Predictive und Prescriptive Analytics (in Anlehnung an Gartner).

Abbildung 1: Descriptive, Predictive und Prescriptive Analytics (in Anlehnung an Gartner).

Teilbereich 1: Descriptive  Analytics (Vergangenheitsbezogene Analysen)

Der erste Teilbereich, Descriptive Analytics, beschäftigt sich – namensgebend – mit der deskriptiven Analyse von Ist- bzw. Vergangenheitsdaten. Im Logistik-Kontext können das beispielsweise Analysen zu Transportsendungen des vergangenen Kalenderjahres sein, um herauszufinden, welche Mengen von welchen Produkten in welchen Lieferregionen zugestellt worden sind. Oder es kann sich um die Analyse von Lagerbeständen handeln, um zu ermitteln, welche Artikel und welche Rohwaren wie lange eingelagert worden sind. Oder es kann sich um die Analyse der Lieferperformance der Lieferanten in den vergangenen Monaten handeln. Es geht also insbesondere um die Performance-Messung des Unternehmens anhand ausgewählter Key Performance Indicators (KPIs) um ein Abbild des Status Quo zu erhalten (Transparenz), um Trends zu erkennen, und Objekte zu identifizieren, die besondere Aufmerksamkeit erhalten sollten. Die zentrale Frage, die beantwortet werden soll ist: „Was ist passiert?“, gegebenenfalls mit der Erweiterung: „Warum ist es passiert?“.

Da der Fokus von Descriptive Analytics insbesondere auf der Analyse von Vergangenheitsdaten liegt, herrscht hier eine starke Überschneidung mit dem Begriff „Business Intelligence (BI)“. Denn typischerweise extrahieren BI-Systeme Daten aus Enterprise-Resource-Planning (ERP) Systemen (und ggf. sonstigen internen und externen Datenquellen) um sie dann in einem Data Warehouse zusammenzuführen um, darauf aufbauend, verschiedene Auswertungsmöglichkeiten anzubieten. Diese Auswertungsmöglichkeiten umfassen insb. standardisierte Reports, Alerting-Systeme zur automatisierten Überwachung ausgewählter KPIs, Dashboard-Berichte sowie Ad-Hoc Abfragen des Datenbestandes.

Informationstechnisch stehen unterschiedliche (oftmals auch kostenlose) BI-Tools zur Verfügung, die es Unternehmen ermöglichen, schnell in Descriptive Analytics einzusteigen. Großer Beliebtheit erfreuen sich aktuell sog. Self-Service-Lösungen, wie zum Beispiel Knime, sowie interaktive Dashboards mit flexiblen Visualisierungsoptionen (z. B. Power BI). Self-Service-Lösungen sind dazu gedacht, Nutzer ohne IT- und Programmier-Kenntnisse in die Lage zu versetzen, eigenständig eine Datenexploration durchzuführen um Fragestellungen ohne IT-Experten beantworten zu können. Man spricht auch von sog. „Low-Code“-Lösungen.

Teilbereich 2: Predictive Analytics (Vorausschauende Analysen)

Predictive Analytics gehen, verglichen mit Descriptive Analytics, einen Schritt weiter um, aufbauend auf den Vergangenheitsdaten sowie weiterer interner und externer Indikatoren, Prognosen anzustellen, wie sich Geschäftsprozesse zukünftig entwickeln werden. Die zentrale Fragestellung, die hier beantwortet werden soll, lautet: „Was wird passieren?“ Beispiels-weise könnte versucht werden zu prognostizieren, welche Produkte künftig von welchen Kunden nachgefragt werden, ob die Nachfrage nach bestimmten Produkten zu- oder abnehmen wird oder wie sich der Absatz generell entwickeln wird.

Um solche Fragestellungen zu beantworten bedient man sich typischerweise statistischer Prognosemodelle und/oder Verfahren des Machine Learning / der Künstlichen Intelligenz (KI) – oder man kombiniert mehrere dieser Ansätze. Die grundsätzliche Vorgehensweise, die sog. Data Scientists hierfür anwenden, besteht darin, zunächst vermeintliche Treiber / Einflussfaktoren für die zu prognostizierende Größe (z. B. Sendungsvolumen für einen bestimmten Kunden) zu sammeln. Daran anschließend geht es darum, den erhaltenen Datensatz zu analysieren, um die relevantesten Treiber zu identifizieren. Diese werden sodann in ein oder mehrere Prognose- / Machine Learning Modelle eingespeist. Diejenigen Modelle, die sich in der Vergangenheit als die akkuratesten erwiesen haben, werden dann für die künftige Prognose eingesetzt.

Informationstechnisch steht ein breites Spektrum zur Verfügung, um Predictive Analytics umzusetzen, begonnen bei Self-Service-Anwendungen wie Knime, über die Disziplin-typischen Programmier-Ökosysteme, die die beiden Programmiersprachen R und Python bieten, bis hin zu Cloud-Lösungen wie Amazon SageMaker.

Die gestrichelte Linie in Abbildung 1 deutet an, dass zwischen Descriptive Analytics und Predictive Analytics der Übergang ist von der vergangenheitsorientierten Analyse von Geschäftsprozessen (Business Intelligence) zu den sog. Advanced Analytics bzw. „Business Analytics im engeren Sinne“. Denn ab hier geht es nicht mehr nur darum, die Vergangenheit zu beschreiben, sondern mittels mathematisch-statistischer Verfahren und unter Einsatz von Techniken der Künstlichen Intelligenz Mehrwert durch eine bessere Geschäftsplanung zu generieren.

Teilbereich 3: Prescriptive Analytics (Entscheidungsunterstützende Analysen)

Prescriptive Analytics ist der dritte und letzte Teil von BA. Hier geht es darum, auf Basis von Ist-Daten und/oder prognostizierten und/oder simulierten Daten, Handlungsempfehlungen abzuleiten. Fragestellungen aus dem Logistikkontext könnten beispielsweise lauten: Wie sollte ich, angesichts der prognostizierten Sendungsvolumina in den kommenden zwei Jahren, meine Kunden am besten/kostengünstigsten versorgen? Sollte ich einen weiteren/anderen Logistikdienstleiter einsetzen? Sollte ich gar ein neues Umschlagslager aufbauen? Sollte ich meinen Fuhrpark erweitern oder abbauen? Sollte ich Teile meiner Bestände zentralisieren? Im Zentrum stehen also die beiden Fragen: „Was sollte gemacht werden?“ Und „Wie sollte es gemacht werden?“.

Um solche Fragestellungen zu beantworten, werden insbesondere Verfahren der mathematischen Optimierung (Operations Research) und der Simulation eingesetzt. Es geht darum, für unterschiedliche angenommene Umweltzustände optimale Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dabei kann sich der Begriff „optimal“ auf unterschiedliche Zielgrößen beziehen, wie zum Beispiel der kostenminimale Transportplan, das deckungsbeitragsmaximale Produktionsprogramm oder der CO2-minimale Tourenplan. Diese Zielgrößen werden typischerweise für unterschiedliche angenommene Umweltzustände (Szenarien) optimiert, um herauszufinden, ob sich ein Transportplan/Tourenplan/Produktionsprogramm auch dann noch als (nahezu) optimal erweist, wenn die Kundschaft in den kommenden zwei Jahren nicht, wie angenommen, um 5% wächst, sondern nur um 1%, 2% oder gar um 10%. So gilt es unterschiedliche Umweltzustände mit der jeweils besten Handlungsalternative zu bewerten um die Robustheit der vorgeschlagenen Lösung zu evaluieren und sich dann evtl. für das „Most-Likely-Szenario“ zu entscheiden.

Informationstechnisch gibt es auf dem Markt mehrere Anbieter von Simulations- und Optimierungssoftware. Bekannt sind für den Bereich „Operations Research“ insbesondere die beiden kommerziellen Anbieter IBM Cplex und Gurobi. Weiter oben wurde erwähnt, dass es für Predictive Analytics zahlreiche sehr ausgereifte und performante Open-Source-Angebote gibt, wie z. B. die Ökosysteme, die die Programmiersprachen R und Python bieten. Dies ist bei Prescriptive Analytics weniger der Fall. Das heißt, auch hier gibt es Open-Source-Lösungen; diese sind im Vergleich zu kommerziellen Software-Angeboten aber weit weniger performant.

Tabelle 1 stellt die drei Teilbereiche zusammenfassend gegenüber.

Tabelle 1: Characteristika von Descriptive, Predictive und Prescriptive Analytics.

Tabelle 1: Characteristika von Descriptive, Predictive und Prescriptive Analytics.

Autor:

PD Dr. Florian Kellner
Universität Regensburg

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