Anti-Fogging- und Anti-Icing- Beschichtungen auf Polymerbasis

Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl, Dr. Ramona Langner

Im alltäglichen Leben ist Wasser fast allgegenwärtig, daher stehen viele Oberflächen gelegentlich oder permanent damit in Kontakt. Wechselt die wässrige Phase z. B. durch Temperaturänderung ihren Aggregatzustand, kann dies einerseits zu kleinen Unannehmlichkeiten, wie einem beschlagenen Badezimmerspiegel, führen. Andererseits sind aber auch deutlich signifikantere Einschränkungen zu befürchten, wie kritische vereiste mechanische Komponenten.

Das Abkratzen bzw. -wischen gehört neben thermischen oder chemischen Behandlungen zu den gängigen Strategien mit beschlagenen Oberflächen oder Vereisung umzugehen. Polymerbeschichtungen mit Anti-Fogging- oder Anti-Icing-Eigenschaften bieten jedoch eine deutlich schnellere und komfortablere Lösung. Eine solche Funktionalisierung kann zum einen durch den Zusatz von Additiven erreicht werden und zum anderen durch eine Strukturierung der Oberfläche. Prominentestes Beispiel für die Wirksamkeit solcher Strukturen ist wohl der Lotus-Effekt, der durch ein Luftpolster zur Trennung von Oberfläche und Umgebung führt. Der Nachweis, dass die Papillen dieser Blätter ausschlaggebend für ihre wasserabweisende Wirkung sind, löste Mitte der 1990er-Jahre einen Hype aus und gab wichtige Impulse für die Entwicklung selbstreinigender Oberflächen. Die durch solche Strukturierungen signifikant erhöhte Oberfläche erwies sich jedoch für Anti-Icing-Oberflächen als nachteilig, da sich Eiskristalle dort verankern. Diese wirken als Keime und verstärken damit die Anhaftung des Eises. Speziell bei einem Flugzeug-im-Flug-Szenario können unterkühlte Wassertropfen, die mit sehr hohen Geschwindigkeiten auftreffen und schlagartig Eis bilden, das Luftpolster von superhydrophoben Oberflächen verdrängen und eine vollständige Benetzung ermöglichen.

Alternativ zu diesem Ansatz werden sogenannte Slippery Liquid-Infused Porous Surfaces (SLIPS) entwickelt. Sie nutzen eine zusätzliche, abschirmende, nicht mischbare Flüssigkeit an Stelle eines Luftpolsters. Vereinzelte Ansätze integrierten z. B. magnetische Nanopartikel als Wärme-Mediatoren in solche Beschichtungssysteme. Erhöhte Temperaturen oder reduzierter Druck können jedoch zur Verdunstung eines solchen Flüssigkeitsfilms führen und somit kann auch hier der Funktionsverlust der SLIPS-Beschichtung eintreten. Um dieses Problem zu beheben, nutzen einige Beschichtungssysteme einen wässrigen Film zur Trennung von Oberfläche und Umgebung, den sie durch die Kombination von hydrophilen und hydrophoben Struktureinheiten fixieren. Dadurch soll erreicht werden, dass der Film sich aufgrund des sowieso vorhandenen Wassers automatisch neu bildet. Die zusätzliche Erzeugung einer hierarchischen Mikro- und Nanostruktur zeigt vielversprechende Anti-Icing-Eigenschaften. Solche Ansätze, bei denen z. B. hydrophobe Polymer-Bürstenstrukturen mit hydrophilen Schichten kombiniert werden, bieten die Möglichkeit auch große Flächen zu funktionalisieren. Darüber hinaus könnten sie auf einer breiten Palette von Substraten aufgebracht werden. Für Anti-Fogging-Anwendungen wurde mit dem Fokus auf einer möglichen großtechnischen Nutzung ein UV-Härtungsprozess in Verbindung mit einer Fotomaske entwickelt. Eine weitere Strukturierungsebene wird durch die Verwendung von Sandpapier als Template während der Aushärtung mit UV-Licht erzeugt. Dieser einfache, schnelle, kostengünstige und potenziell skalierbare Beschichtungsprozess erlaubt die Erzeugung einer hierarchischen Mikrostruktur. Inzwischen gibt es viele Forschungsansätze, die abweisende Eigenschaften nicht nur gegenüber Wasser sondern gleichzeitig auch gegenüber Öl verfolgen. Oberflächen, die gegenüber allen Flüssigkeiten eine abweisende Wirkung besitzen, werden als omniphob bezeichnet. Die Möglichkeit zur reproduzierbaren Strukturierung einer Oberfläche ist für eine Übertragung im großtechnischen Maßstab von hoher Bedeutung. Designs, die auf einer definierten Anordnung hochgeordneter Strukturen basieren, sind daher – im Gegensatz zu einer z. B. regellosen Erhöhung der Oberflächenrauigkeit durch Ätzverfahren – sowohl bezüglich des Herstellungsprozesses als auch des Nutzeffektes leichter zu reproduzieren. Daher zählen die Oberflächenstrukturierungsmethoden generell bei den funktionalisierten Beschichtungen zu den vorgelagerten Technologien.

Andere Anti-Icing-Konzepte nutzen sogenannte Phasenwechselmaterialien. Ihr Schmelzpunkt liegt über dem Gefrierpunkt des Wassers, daher sind sie bei Minusgraden fest. Aus diesem Grund würden sie länger als die gängigen Enteisungsflüssigkeiten auf Oberflächen haften bleiben und wirken können. Diese erstarrten Phasenwechselmaterialien nutzen sehr effizient die Wärme, die beim Übergang des Wassers vom gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand frei wird, und schmelzen selbst in direkter Nähe der gebildeten Tropfen. Dadurch kommt es zu nichtperiodischen fest-flüssig-fest-Übergängen. Der Übergang in den festen Aggregatzustand und somit die Eisbildung werden deutlich verzögert, da die kondensierten Wassertropfen auf den Phasenwechselmaterialbeschichtungen über eine sehr hohe Beweglichkeit verfügen. Sie rutschen förmlich entlang der Oberfläche. Die Steifigkeit einer Oberfläche hat einen signifikanten Einfluss auf die zu beobachtenden Wechselwirkungen mit auftreffenden Wassertropfen oder Eiskristallen. So konnten Hochgeschwindigkeitsaufnahmen vom Auftreffen eines Wassertropfens auf eine Oberfläche, deren Steifigkeit als Designkriterium genutzt wurde, buchstäblich einen Trampolin-Effekt belegen. Dieser konnte durch die Zumischung kurzer, weicher und deformierbarer Polymere (z. B. Polydimethylsiloxan-Gele) erreicht werden. Die Hy­drophobizität erwies sich dabei als nahezu unabhängig von diesem Parameter, während die Eisanhaftung jedoch bei weicheren Beschichtungen um zwei Größenordnungen geringer war. Dagegen sollte bei der Entwicklung von Anti-Fogging-Beschichtungen die Durchlässigkeit für Wassermoleküle als zusätzliches Designkriterium berücksichtigt werden. So wurde beispielsweise eine hydrophile Schicht mit einer hydrophoben, jedoch prinzipiell wasserdurchlässigen Nanoschicht bedeckt. Somit ist es gelungen, dass Wassertropfen an dieser Nanoschicht abperlen, dieses Beschichtungssystem jedoch den schnellen Abtransport des Wasserdampfes in die hydrophile Schicht erlaubt.

Zu den drängenden Herausforderungen bei der Entwicklung von Beschichtungen gehören die Testbedingungen im Labor, die reale Bedingungen häufig nicht optimal widerspiegeln können. Bei Anti-Icing-Tests wird z. B. häufig bei extrem geringer Luftfeuchtigkeit getestet oder Wasser wird zunächst auf die Oberfläche aufgebracht und erst in einem nachfolgenden Schritt erfolgt das Absenken der Temperatur. Diese testinhärenten Abweichungen spiegeln sich in den teils signifikanten Abweichungen zwischen den aufgrund von Laborexperimenten postulierten Eigenschaften und den Ergebnissen im Praxistest.

Zukünftig sollten vermehrt Computersimulationen zur Unterstützung des Entwicklungsprozesses von Beschichtungssystemen eingesetzt werden. Ihre Nutzung zeichnet sich in der Literatur zwar nicht als genereller Trend ab, dennoch konnte an Beispielen gezeigt werden, dass die Entwicklung von Simulationsumgebungen Designansätze zur Unterdrückung eines verfrühten Phasenübergangs vom flüssigen in den festen Aggregatzustand oder zur Begünstigung des Abgleitens von Eis bietet.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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über Werkstofftrends

 

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