Metallhalogenid-Perovskite

Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl

Metallhalogenid-Perovskite wurden quasi über Nacht zu einem enorm vielversprechenden Werkstoff für die Photovoltaik, als sich auf diesen Materialien basierende Solarzellen innerhalb von nur wenigen Jahren soweit verbessern ließen, dass sie in ihrer Effizienz mit etablierten Silizium- und Dünnschichtsolarzellen konkurrieren konnten. Zuletzt hat sich jedoch herausgestellt, dass sie daneben auch ein großes Potenzial für eine Vielzahl weiterer Anwendungen im Bereich der Photonik und Optoelektronik aufweisen. Insbesondere erhofft man sich von ihrer Nutzung, optische Bauteile wie Wellenleiter, Laser, Leuchtdioden (LEDs) oder Photodetektoren weiter miniaturisieren zu können.

Die Materialklasse der Perovskite umfasst eine große Gruppe von Materialien sehr variabler Zusammensetzung, aber mit einer stets sehr ähnlichen Kristallstruktur. Ihre Summenformel lässt sich allgemein als ABX3 beschreiben. Dabei besetzen in den hier vorgestellten Metallhalogenid-Perovskiten zweifach geladene Übergangsmetallkationen die B-Position und Halogenidanionen die X-Position. Die A-Position wird von Alkalimetallen oder kleinen organischen, positiv geladenen Ammonium- oder Amidinmolekülen eingenommen. In der frühen Forschung zu Perovskit-Solarzellen kam vor allem Methylammoniumbleijodid zum Einsatz. Mittlerweile hat sich die Bandbreite der chemischen Zusammensetzung der Metallhalogenid-Perovskite noch deutlich aufgefächert, und es wird unter anderem zwischen rein anorganischen und anorganisch-organischen Hybridstrukturen unterschieden.

Ein großer Vorteil der Metallhalogenid-Perovskite liegt darin, dass sie aus kostengünstigen Materialien bestehen und sich mit einfachen Verfahren herstellen lassen. So lassen sich die Perovskite im Fall von Solarzellen bei geringen Temperaturen – je nach Material geringer als der Siedepunkt von Wasser – einfach auf ein geeignetes Substrat aufsprühen oder -drucken. Auch eine Herstellung unter Vakuumbedingungen – wie im Fall der Dünnschichtsolarzellen – ist nicht notwendig.

Zunächst konzentrierte sich die Forschung an Metallhalogenid-Perovskiten für photonische Anwendungen auf polykristalline Schichten des Materials. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese sich zwar sehr leicht in verschiedene Fertigungsprozesse und Gerätearchitekturen – z. B. in Photodetektoren – integrieren lassen, in ihren Eigenschaften jedoch nicht für alle Anwendungen optimal sind. Daher wurden mittlerweile verschiedene Morphologien untersucht, darunter Einkristallschichten und Nanostrukturen wie Nanodrähte, Quantenpunkte/Nanokristalle oder dem Graphen ähnliche quasi-zweidimensionale Perovskite, die verbesserte Eigenschaften zeigen. Beispielsweise weisen Einkristalle nicht nur eine größere Reinheit als polykristalline Schichten auf, sie sind auch weniger empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen.

Perovskitsolarzellen werden seit 2009 erforscht, wobei sie zu Anfang nur Wirkungsgrade von rund drei Prozent und eine sehr geringe Stabilität aufwiesen. Danach gelang es jedoch, den Wirkungsgrad dieser Zellen im Labor innerhalb von wenigen Jahren auf über 23 Prozent zu steigern und auch ihre Stabilität zu erhöhen. Ihr Aufbau leitet sich von den Farbstoffsolarzellen ab, bei denen die drei Grundschritte der Stromerzeugung getrennt in unterschiedlichen Materialien ablaufen, dem Absorber, dem Lochleiter und dem Elektronenleiter. Im Fall der Perovskitsolarzellen wurde dabei der Absorber durch Perovskite ersetzt. Die enorme Erhöhung des Wirkungsgrads resultiert vor allem aus Forschungen zum Aufbau der Solarzellen selbst. Dieser entwickelte sich zunehmend weg von den Farbstoffsolarzellen und hin zu herkömmlichen Dünnschichtsolarzellen, da sich herausstellte, dass sich die Ladungsträger auch in den Perovskiten selbst sehr schnell bewegen können. Dadurch kann auf den Lochleiter, den Elektronenleiter oder sogar beide verzichtet werden. Andere Arbeiten fokussieren unter anderem darauf, neutral gefärbte, halb durchsichtige Zellen zu erzielen. Auch flexible Solarzellen – z. B. für Zeltplanen oder Outdoorkleidung – ließen sich möglicherweise auf Perovskitbasis realisieren.

Als Lichtemitter zeichnen sich Perovskite vor allem durch ihr schmalbandiges Spektrum aus, mit dem sich eine hohe Farbreinheit erreichen lässt. Zudem überdecken sie einen weiten Wellenlängenbereich von ca. 400 bis 780 Nanometern, und die ausgestrahlte Wellenlänge lässt sich durch die chemische Zusammensetzung der Perovskite leicht passgenau einstellen. Im Gegensatz zu organischen Quantenpunkten hängen die ausgestrahlte Wellenlänge und Farbschärfe dabei nicht von den Dimensionen und der Qualität der Perovskitkristalle (z. B. der Zahl der Fehlstellen) ab, sondern bleiben konstant. Von besonderem Interesse sind hier, wie in der Photonik generell, Perovskit-Quantenpunkte und Nanokristalle, die sich durch fein einstellbare Bandlücken, hohe Absorptionskoeffizienten und eine hohe Photolumineszenz-Quantenausbeute auszeichnen und entweder als Schichten aufgetragen werden oder beispielsweise in eine Elektrolytmatrix eingebettet zum Einsatz kommen. Dennoch bleibt die Effizienz von Perovskit-LEDs derzeit immer noch weit hinter der von Quantenpunkt-LEDs oder organischen LEDs zurück, so dass es hier noch einen großen Forschungsbedarf gibt.

In Photodetektoren könnten Metallhalogenid-Perovskite anorganische Halbleiter wie Silizium oder Indiumgalliumarsenid ersetzen. Im Gegensatz zu diesen würden sie insbesondere durch ihre günstige Fertigung, den Verzicht auf seltene und teure Metalle und ihre mechanische Flexibilität punkten. Gleichzeitig weisen sie im Gegensatz zu den ebenfalls kostengünstigen und flexiblen organischen Photodetektormaterialien deutlich höhere Ladungsträgerbeweglichkeiten und höhere Absorptionskoeffizienten auf.

Trotz enormer Forschungsbemühungen gibt es auch weiterhin Probleme mit der Langzeitstabilität der Perovskite. Hier hat sich insbesondere ein Ersatz der Methylammonium-Ionen durch Cäsium oder andere Kationen als vielversprechend herausgestellt. Insbesondere im Fall von Nanokristallen zeigen komplett anorganische Perovskite deutliche Verbesserungen gegenüber Sauerstoffeinwirkung und Feuchtigkeit. Doch verschlechtern sich dadurch oftmals auch die optischen Eigenschaften des Materials. Auch andere organische Gruppen wie Formamid-Ionen (FA) kamen bereits zum Einsatz. So zeigt FAPbBr3 eine verbesserte Temperatur-, Feuchtigkeit- und Lichtbeständigkeit und eignet sich beispielsweise für den Einsatz in grünen LEDs. Neben der ungenügenden Stabilität stellt auch immer noch die Substitution giftigen Bleis in den Verbindungen eine Herausforderung dar. Dabei wird typischerweise auf Zinn oder Europium zurückgegriffen, was aber zu Eigenschaftsverschlechterungen führt.

Seit der ersten Beschreibung ist das Forschungsfeld der Metallhalogenid-Perovskite enorm angewachsen. Weltweit ist eine Vielzahl an Forschergruppen in diesem Bereich aktiv, und es werden ständig neue Anwendungsfelder entdeckt oder entscheidende Verbesserungen an bestehenden Systemen entwickelt. Im Bereich der Solarzellen sind insbesondere Tandemzellen aus Perovskit- und Siliziumschichten von Bedeutung, die eine Effizienz von mehr als 27 % aufweisen und sich bereits bei verschiedenen Firmen und Startups in der Produktentwicklung befinden sollen. Auch in anderen speziellen Anwendungen könnten Metallhalogenid-Perovskite zukünftig zu großen Verbesserungen führen.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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