Metamaterialien: Zeitkristall bringt Licht in Schwung

Forschende des KIT entwickeln erstmals zweidimensionalen photonischen Zeitkristall – Anwendung verspricht Fortschritte in der drahtlosen Kommunikation und bei Lasern

Photonische Zeitkristalle, deren Eigenschaften sich periodisch ändern, versprechen wesentliche Fortschritte in Mikrowellentechnik, Optik und Photonik. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun zusammen mit Partnern an der Aalto University und der Stanford University erstmals einen zweidimensionalen photonischen Zeitkristall hergestellt und wichtige Anwendungen demonstriert. Ihr Ansatz vereinfacht die Herstellung photonischer Zeitkristalle und kann die Effizienz künftiger Kommunikationssysteme verbessern.

Ein photonischer Zeitkristall in 2D kann Freiraum- und Oberflächenwellen verstärken. (Grafik: Dr. Xuchen Wang, KIT)

Ein photonischer Zeitkristall in 2D kann Freiraum- und Oberflächenwellen verstärken. (Grafik: Dr. Xuchen Wang, KIT)

Zeitkristalle gehören im weitesten Sinne zu den sogenannten Metamaterialien, die künstlich hergestellt sind und Eigenschaften aufweisen, wie sie in der Natur nicht vorkommen. 2012 stellte der Physik-Nobelpreisträger Frank Wilczek erstmals das faszinierende Konzept der Zeitkristalle vor. Anders als gewöhnliche Kristalle ändern Zeitkristalle ihre Eigenschaften nicht im Raum, sondern periodisch in der Zeit. Forschende in der Photonik arbeiten aktuell an ersten optischen Versionen dieser Materialien, die als photonische Zeitkristalle bezeichnet werden. Diese Kristalle besitzen ein großes Potenzial zur Verbesserung drahtloser Kommunikationssignale und können künftig eine neue Generation von Lasern ermöglichen, da Licht, das sich in photonischen Zeitkristallen ausbreitet, effektiv verstärkt werden kann.
Reduktion der Dimensionalität erleichtert Realisierung

Bisher konzentrierte sich die Forschung im Bereich der photonischen Zeitkristalle auf Volumenmaterialien, das heißt dreidimensionale Strukturen. Die Realisierung von photonischen Zeitkristallen in solchen Materialien stellt aber eine enorme Herausforderung dar und die Experimente gingen bisher nicht über Modellsysteme hinaus. Zu praktischen Anwendungen dieser dreidimensionalen Strukturen kam es noch nicht. Forschende vom Institut für Nanotechnologie  und vom Institut für Theoretische Festkörperphysik (TFP) des KIT haben nun zusammen mit Partnern der Aalto University in Finnland und der Stanford University in den USA einen neuen Ansatz entwickelt und in der Zeitschrift Science Advances vorgestellt: Das Team hat erstmals einen zweidimensionalen photonischen Zeitkristall gebaut. Dabei handelt es sich um eine ganz dünne Schicht eines solchen Metamaterials. „Wir haben festgestellt, dass die Reduktion der Dimensionalität von einer 3D- auf eine 2D-Struktur die Implementierung erheblich vereinfacht. Dadurch wurde es möglich, photonische Zeitkristalle zu realisieren“, erklärt Dr. Xuchen Wang, der Hauptautor der Studie, der derzeit am KIT in der Gruppe von Professor Carsten Rockstuhl am TFP forscht. Das Team hat eine zweidimensionale elektromagnetische Struktur entwickelt und synthetisiert. Diese enthält periodisch in der Zeit eingebettete, abstimmbare Komponenten, die ihre elektromagnetischen Eigenschaften ändern. Durch den Einsatz dieser Struktur gelang es, das theoretisch vorhergesagte Verhalten experimentell zu bestätigen. „Diese Entdeckung hat erstmals eine starke Wellenverstärkung in photonischen Zeitkristallen ermöglicht“, erläutert Wang.

Photonische Zeitkristalle in 2D machen Kommunikation effizienter

Die wegweisende Entwicklung ermöglicht Fortschritte in verschiedenen Technologien, beispielsweise bei der drahtlosen Kommunikation, bei integrierten Schaltkreisen und bei Lasern. Durch die Verstärkung elektromagnetischer Wellen können drahtlose Sender und Empfänger künftig leistungsfähiger und effizienter werden. Außerdem kann die Beschichtung von Oberflächen mit zweidimensionalen photonischen Zeitkristallen den Signalabfall bei der drahtlosen Übertragung verringern. Dieser stellt häufig einen Engpass dar. Die Verwendung von zweidimensionalen photonischen Zeitkristallen kann zukünftig auch die Konstruktion von Lasern vereinfachen, da komplexe Spiegelsysteme, wie sie normalerweise in Laserresonatoren eingesetzt werden, nicht mehr erforderlich sind.

Eine weitere wichtige Anwendung ergibt sich aus der Erkenntnis, dass photonische Zeitkristalle in 2D nicht nur die eintreffenden elektromagnetischen Wellen im freien Raum verstärken, sondern auch Oberflächenwellen, die für die Kommunikation zwischen elektronischen Komponenten in integrierten Schaltkreisen verwendet werden. Oberflächenwellen leiden unter Verlusten durch Absorption im Material, wodurch die Signalstärke verringert wird. „Durch den Einsatz von zweidimensionalen photonischen Zeitkristallen, die das Ausbreitungsmedium bedecken, lässt sich die Oberflächenwelle verstärken, was die Kommunikationseffizienz verbessert“, sagt Wang.

Weitere Informationen: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adg7541

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