Wie Mikroplastik in der Umwelt entsteht

Abbildung 1 – Darstellung dominierender Umwelteinflüsse auf Polymere in natürlichen Habitaten. [2]

Abbildung 1 – Darstellung dominierender Umwelteinflüsse auf Polymere in natürlichen Habitaten. [2]

Ein zunehmendes gesellschaftliches Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz schürt seit Jahren die Debatte rund um die Verwendung von Kunststoffen. Während ihr Einsatz in vielen Anwendungen in der Lebensmittel- und Medizintechnik oder für den Leichtbau schier unverzichtbar ist, spielen Kunststoffe auch bei der Energiewende hin zur nachhaltigen Stromproduktion mittels Windkraft eine unersetzliche Rolle.

Abseits von anspruchsvollen Anwendungen finden Polymere nur noch wenig Akzeptanz. Große Debatten werden über die Sinnhaftigkeit von kurzlebigen Produkten wie Plastikflaschen, Einwegtüten und Verpackungsmaterial geführt. Produkte, die sich in Form von unsachgemäß entsorgtem Müll vor allem in der Umwelt wiederfinden. Neben den unästhetischen Aspekten sorgt die Persistenz von Kunststoffen für weitaus langfristigere Probleme: die unkontrollierte Bildung und Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt. Und der Höhepunkt ist noch längst nicht erreicht. Eine Studie aus dem Jahr 2017 bestimmte eine Menge an 4,9 Billionen Tonnen Plastikmüll, der zwischen 1950 und 2015 in der Umwelt landete. [1] Und der zerfällt eben nur sehr langsam in immer kleinere Partikel.

Definition von Mikroplastik

Der Begriff Mikroplastik umfasst alle synthetischen Polymere in fester Gestalt (kompakt, geschäumt oder vernetzt) in einer Größenordnung von 1 bis < 1000 µm mit regulärer und irregulärer Form. Anhand seines Ursprungs wird Mikroplastik in primär und sekundär klassifiziert. Der gesellschaftliche Druck und politische Entscheidungen haben primäres Mikroplastik, also Partikel, die bereits im µm-Maßstab produziert werden, weiterstgehend vom Markt verbannt. Problematischer ist das sekundäre entstehende Mikroplastik, das während des Zerfalls makroskopischer Produkte entsteht.

Umwelteinflüsse in natürlichen Umgebungen

Gelangen Polymere in die Umwelt sind sie teilweise gleichzeitig einwirkenden Umwelteinflüssen ausgesetzt (s. Abb. 1). Abhängig von den vorherrschenden Konditionen wirken abiotische und biotische Degradationsmechanismen ein. Grundsätzlich kann zwischen aquatischen (in Wasser) und terrestrischen (an Land) Umgebungen unterschieden werden. In terrestrischer Umgebung dominieren abiotische Faktoren: UV-Strahlung, Temperatur und Sauerstoff. In Kombination initiieren sie die Photooxidation und gelten als stärkster Abbaumechanismus in der Natur. Gelangen Plastikprodukte dagegen in aquatische Systeme wie Meere oder Seen, sind sie an der Wasseroberfläche vergleichsweise kurz UV-Strahlung ausgesetzt, bevor sie letztendlich auf den Grund absinken. Sind die Produkte nicht anfällig für Hydrolyse oder mikrobiellen Abbau, können sie so über Jahrzehnte verweilen.

Daneben wirken in der Natur mechanische Kräfte auf Polymere ein, die zur mechanischen Degradation mittels Ablation, Fragmentierung und Erosion führen. Beispielhafte, extreme Habitate für mechanische Degradation stellen Küstenregionen dar, in denen es zum Abrieb durch Wellen- oder Windbewegungen in Kombination mit der Kollision von Partikeln natürlichem und anthropogenem Ursprung kommt.

Anhand dieser Szenarien werden unterschiedliche Degradationsmechanismen der Polymere ausgelöst. Ein komplexes Zusammenspiel führt in der Natur zu einem stetigen molekularen Abbau. Die zugrundeliegenden Degradationsmechanismen können zwar anhand ihres Stressors unterteilt, in natürlicher Umgebung allerdings nur schwer voneinander getrennt betrachtet werden. Ob Polymere biologisch durch Mikroorganismen abgebaut werden, wird hauptsächlich von deren molekularem Aufbau bestimmt. Besteht die Möglichkeit, können Fragmente und Mikroplastik mittels Assimilation und Mineralisierung durch Mikroorganismen wie beispielsweise Pilze und Bakterien abgebaut werden. Der Größe des Fragments spielt dabei die geschwindigkeitsbestimmende Rolle.

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Kon-dition, ablaufendem Prozess und Konsequenz bei der Bildung von Mikroplastik in natürlichen Umgebungen. [3]

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Kondition, ablaufendem Prozess und Konsequenz bei der Bildung von Mikroplastik in natürlichen Umgebungen. [3]

Interne Einflussfaktoren

Ob und wie stark ein Polymer für jegliche Art von Abbau anfällig ist, hängt neben den Umweltfaktoren auch von internen Einflussfaktoren wie dem strukturellen Aufbau und Kristallinität, der Anwesenheit von Additiven, sowie der Bauteilgeometrie und vorherrschenden inneren Spannungen ab. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Literatur ein weites Spektrum an Abbauraten und Verweilzeiten für unterschiedliche Produkte und Produktformen angegeben wird.

Sonderforschungsbereich 1357 – Mikroplastik

Um diese offenen Fragestellungen über Fragmentierungsraten und Verweilzeiten zu beantworten, hat sich an der Universität Bayreuth ein interdisziplinäres Team innerhalb des Sonderforschungsbereichs 1357 – Mikroplastik zusammengefunden.

Das Team, bestehend aus 30 Professor-Innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen der Natur- und Ingenieurwissenschaften untersucht zusammen mit fast 45 DoktorandInnen in drei Projektbereichen die biologischen Effekte von Mikro­plastik, die Transportmechanismen in und zwischen unterschiedlichen Umweltkompartimenten und die Mechanismen, die zur Degradation von Makro- zu Mikroplastik führen in insgesamt 18 Teilprojekten. Die erarbeiteten Grundlagen aus den einzelnen Projekten sollen übergreifend Ansätze für mögliche Vermeidungsstrategien und Lösungen für die Mikroplastik-Problematik liefern.

Aufklärung der Degradationsmechanismen

Im Teilprojekt C01 treffen Ingenieure des Lehrstuhls Polymere Werkstoffe und Chemiker der Anorganischen Chemie III und der Makromolekularen Chemie I aufeinander, um die zugrundeliegenden Mechanismen des Abbaus durch Sonnenlicht und mechanischer Beanspruchung aufzuklären. In Experimenten in Bewitterungskammern werden unter beschleunigten Bedingungen die Fragmentierungsraten von makroskopischen Partikeln und Formkörpern unter dem Eintrag simulierter Sonnenstrahlung berechnet. Als Kontrolle dient die Außenbewitterung von Partikeln und Formköpern auf Dachständen unter natürlichen Bedingungen. Die Entwicklung und Kombination neuer und bewährter Analysemethoden aus beiden Fachrichtungen lieferten erste Aufschlüsse zu den Entstehungsprozessen von Mikroplastik in der Natur. Anhand eines unadditivierten, amorphen Polystyrols wurde ein einfaches Modellsystem für die Kinetik des Abbaus zu Mikroplastik unter abiotischen Bedingungen entwickelt. Während der Degradation finden zahlreiche chemische Reaktionen auf der Oberfläche der Partikel statt, die zu einer großen Anzahl an sauerstoffhaltigen, funktionellen Gruppen führen. Geringe mechanische Belastung fördert den Zerfall in immer kleiner werdende Partikel. Der Abbau kann in einem zweistufigen Modell (Abb. 3) beschrieben werden.

Abbildung 3: Zweistufiges Degradationsmodell für amorphes Polystyrol zu Mikroplastik. [4]

Abbildung 3: Zweistufiges Degradationsmodell für amorphes Polystyrol zu Mikroplastik. [4]

Während Stufe I von Oberflächenabrieb gekennzeichnet ist, zeichnet sich Stufe II durch Rissbildung und Fragmentierung aus. Binnen 3200 Stunden beschleunigter Bewitterung entstehen so rund 500 Sekundärpartikel. Dies kann gleichgesetzt werden mit einer Verweilzeit von rund 1,5 Jahren in natürlichen Umgebungen.

Das Problem Mikroplastik liegt noch vor uns

Das Modell zeigt, dass ein großer Teil des Problems erst noch vor uns liegt – der Zerfall größerer Plastikteile dauert weitaus länger als der der Partikel aus der Modellstudie. Mehr und mehr Plastikmüll sorgt auch für mehr Partikel, die sich unaufhaltsam in der Umwelt verbreiten. Die Aufnahme durch kleine Organismen und Lebewesen führt langfristig auch dazu, dass Mikroplastik auf unseren Tellern landet. Die Auswirkungen auf den menschlichen Körper lassen sich noch nicht abschließend klären, gerade weil die Nachstellung natürlicher Prozesse eine herausfordernde Aufgabe ist.

Bis dahin bleiben die Ärmel der Forscher­Innen des SFB Mikroplastik an der Universität Bayreuth hochgekrempelt. Das Projekt ging im Januar 2023 in die zweite Verlängerungsphase und wird auch die nächsten vier Jahre interessante Beiträge rund um das Thema Mikroplastik liefern.


Referenzen:

[1] Geyer et al. Science advances, 3(7):e1700782, 2017

[2] M. P. Born and C. Brüll. Science of The Total Environment, page 151389, 2021.

[3] K. Zhang et al. Environmental Pollution, 274:116554, 2021

[4] Meides, Menzel and Pötzschner. Environmental Science & Technology 55.12 (2021): 7930-7938.

Autor:innen

Teresa Menzel
PhD Candidate Polymer Engineering
Universität Bayreuth
Universitätsstr. 30
95440 Bayreuth
E-Mail: teresa.menzel@uni-bayreuth.de
Homepage: Polymer Engineering

Prof. Dr.-Ing. Holger Ruckdäschel
Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe
Universität Bayreuth | KeyLab Koordinator
Universitätsstraße 30
95447 Bayreuth
E-Mail: ruckdaeschel@uni-bayreuth.de
Homepage: Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe

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