Wie produzierende Unternehmen wandlungsfähiger werden

Die späten Phasen der Produktentstehung sind von hohem Abstimmungsbedarf und zahlreiche Schnittstellen geprägt.Foto: iStock (c) gorodenkoff

Die späten Phasen der Produktentstehung sind von hohem Abstimmungsbedarf und zahlreiche Schnittstellen geprägt.

Schwer prognostizierbare Absatzmengen und unsichere Materialversorgung erfordern flexible Produktionsprozesse. Wie also können Unternehmen speziell in den späten Phasen der Produktentstehung wandlungsfähig werden? Gemeinsam mit Partnern forschen das Fraunhofer IAO und das kooperierende Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart an Methoden und betrieblichen Umsetzungen.

Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fehlt häufig die Möglichkeit, Auslastungsschwankungen kurzfristig auszugleichen. Vermehrt treten unvorhersehbare Ereignisse und Krisen auf, nach Krisen wie der Corona-Pandemie oder einem blockierten Suezkanal wird Wandlungsfähigkeit zum zentralen Bedarf. Unternehmen müssen dabei nicht nur ihre globalisierten Lieferketten überdenken, sondern auch an der eigenen, internen Wandlungsfähigkeit arbeiten. Insbesondere in den späten Phasen der Produktentstehung spitzt sich hier die Lage zu: in der Endmontage, der extern durchgeführten Installation und Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen sowie im anschließenden Servicegeschäft. Diese Prozesse sind zeitkritisch und termingebunden, bündeln alle Informationsflüsse der vorgelagerten Bereiche und müssen den schwankenden Auftragsmengen kapazitiv unmittelbar folgen können. Darüber hinaus sind die späten Phasen der Produktentstehung zum einen aufgrund der Zusammenarbeit mit weiteren Partnern (u.a. für Logistik und Inbetriebnahme) und zum anderen aufgrund höherer Abstimmungsbedarfe mit Kunden durch eine zunehmende Zahl an Schnittstellen geprägt.

Genau hier setzt das Projekt »agileASSEMBLY« mit insgesamt 12 Partnern an, darunter das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO sowie das eng kooperierende Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart. Es zielt darauf ab, die Anpassungsfähigkeit von produzierenden Unternehmen innerhalb der oben beschriebenen Szenarien durch die Entwicklung und Implementierung integrierter personeller, organisatorischer und technischer Lösungen zu unterstützen. Der Fokus liegt dabei speziell auf agilen Selbstorganisationskonzepten, die durch digitale Assistenzsysteme und Lösungen der Industrie 4.0 befähigt werden.

Optimale Lösungsansätze durch Integrative Planung

Um die spezifischen Innovationsbedarfe, Anforderungen und Herausforderungen von Industrieunternehmen zu ermitteln, verfolgt das Projektkonsortium einen zweigleisigen Ansatz: Zum einen erarbeitet das Forschungsteam des Fraunhofer IAO eine übergeordnete Vorgehensweise bzw. Framework zur Adressierung von Wandlungsfähigkeit im Unternehmen. Über Tiefeninterviews mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft erhebt das Forschungsteam den Status quo und analysiert aktuelle Herausforderungen sowie deren Auswirkungen auf die späten Phasen der Produktentstehung.

Der zweite Strang besteht aus fünf betrieblichen Umsetzungen bei den Projektpartnern. Diese analysieren ihren eigenen Handlungsbedarf, beschreiben und priorisieren ihre personellen, organisatorischen und technischen Anforderungen und formulieren konkrete Entwicklungsziele. Darauf aufbauend werden anschließend passfähige Assistenzsysteme gemeinsam mit den Ausrüstern entwickelt. Ein Beispiel dafür ist die selbstorganisierte Erstellung von Schichtplänen auf der Basis eines integrativen Planungsansatzes: Das bedeutet, dass die Mitglieder von Schichtgruppen ihren jeweiligen Arbeitseinsatz selbstständig und agil festlegen können, je nach Kapazitätsbedarf, Qualifikationen und persönlichen Erfordernissen. Nika Perevalova, Koordinatorin des Projekts agileASSEMBLY am IAT der Universität Stuttgart dazu: „Technologie kann den entscheidenden Mehrwert zur Befähigung der Wandlungsfähigkeit von Mensch und Organisation liefern. Diese Synergie möchten wir im Forschungsprojekt in unterschiedlichen Umsetzungen herausstellen.“

Eine weitere Umsetzung besteht aus einem Konzept für die virtuelle Inbetriebnahme. Dadurch soll eine umfassende und durchgängige digitale Unterstützung des (vor Ort-) Inbetriebnahmeprozesses von Maschinen ermöglicht werden – idealerweise bis hin zur kompletten Digitalisierung einzelner Inbetriebnahmeschritte.

Projektergebnisse werden zur Verfügung gestellt

Um vor allem KMU für den Einsatz agiler Konzepte in späten Phasen der Produktentstehung zu sensibilisieren, entwickelt das Fraunhofer IAO ein kostenfreies Self-Assessment. Dieses ermöglicht es interessierten Unternehmen, die eigene Positionierung im Vergleich zu anderen Unternehmen zu ermitteln. Außerdem werden im weiteren Verlauf des Projekts Workshops zum Thema Geschäftsmodelle und Services für späte Phasen der Produktentstehung mit den betrieblichen Anwendungspartnern durchgeführt. Die Ergebnisse werden in Form eines Leitfadens und einer interaktiven Online-Anwendung für andere Unternehmen zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen: https://agileassembly.de/

 

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