Graphen in der Werkstofftechnik

Geschichte
Die Entdeckung und Isolation von Graphen, einer einzelnen Atomlage hexagonal angeordneten Kohlenstoffs, galt im Jahr 2004
1 als wissenschaftliches Wunder. 37 Jahre zuvor wurde postuliert, dass sich 2D-Materialien-Materialien mit vernachlässigbarer Höhe – aufgrund thermodynamischer Kräfte bei Temperaturen oberhalb von 0 K als Folge zu schwacher Atombindungen auflösen2. Weiterhin wurde vorausgesagt, dass 2D-Werkstoffe keine anti-/ferromagnetischen Eigenschaften aufweisen können2. Umso erstaunlicher war die Entdeckung des elektrischen Feldeffekts in atomlagen-dünnem Kohlenstoff 2004. Dabei stellte sich heraus, dass keines der anerkannten Modelle verletzt wurde, da Graphen kein absolut flacher Kristall, vielmehr eine 0,335 nm „hohe“ Berg- u. Tallandschaft (vgl. Abb. 1) ist3,4.

Graphen in der Werkstofftechnik

Eigenschaften
Graphen besitzt außergewöhnliche elektrische, thermische, optische und mechanische Eigenschaften, die nicht nur in Bereichen der Nano- und Optoelektronik sondern auch in der Beschichtungs-, Medizin- und Werkstofftechnik vorteilhaft genutzt werden könnten. Graphenkristalle sind in einer bienenwabenförmigen Sechseckstruktur ausgebildet, die auf Grund von sp2-Orbitalen zu einer sehr großen Festigkeit des Materials führen. Daneben bestehen sp3 hybridisiert π-Orbitale, so dass sich elektrische Ladung nahezu ungehindert fortbewegen kann. Mit mehreren 100.000 cm2Vs-1 bewegen sich Elektronen in freischwebenden Graphenmembranen über 100-mal schneller als in Silizium. In keinem anderen Werkstoff wurden jemals höhere Beweglichkeiten gemessen. Graphen hält Stromdichten von mehr als 108 Acm2 stand, was etwa dem 1000-fachen Wert für übliche Kupfer- oder Goldleiterbahnen entspricht. Trotz einer Dicke von nur einer Atomlage weist Graphen eine außergewöhnlich starke, breitbandige optische Absorption von 2,3 % auf, die vom ferninfraroten Spektralbereich bis ins ultraviolette Spektrum reicht5. Auch in Bezug auf mechanische Eigenschaften stellt der neuartige Werkstoff Weltrekorde auf. Mit einem E‑Modul von 1,1 TPa wurde eine bislang nie dagewesene Zugbelastbarkeit nachgewiesen6, die die von Siliziumkarbid7 (> 400 GPa), Titan7 (≈100 GPa) oder Stahl7 (≈200 GPa) bei weitem übersteigt. Die hohe mechanische Stabilität resultiert aus der sp2-Hybridisierung des Kohlenstoffs. Während die Atome in der x-/y-Ebene durch starke π-Bindungen mit sehr großen Bindungsenergien zusammengehalten werden, bewirken die vertikalen π-Bindungen den nahezu ungebremsten Ladungstransport. Mithin lässt sich Graphen aufgrund der schwachen π -Bindungen sehr leicht von anderen Materialien ablösen. Durch die außergewöhnlich hohe thermische Leitfähigkeit von bis zu 5.300 WmK-1 bei Raumtemperatur8 ist Graphen für eine Vielzahl industrieller Applikationen hochinteressant. Diamant, bislang bekannt als das Material mit den besten thermischen Leitfähigkeiten, erreicht Vergleichswerte zwischen 1000 und 2200 WmK-1 9. Neben Graphen werden derzeit zunehmend weitere zweidimensionale Kristalle gefunden und untersucht. Darunter befinden sich Halbleiter wie Molybdändisulfid (MoS2) oder Isolatoren wie hexagonales Bornitrid (h-BN). Die Forschung zu dieser „2D“ Materialklasse steht derzeit in den Anfängen, allerdings sind bereits zwei substantielle Herausforderungen bezüglich der Integration in elektronische Bauelemente identifiziert: (1) hohe Kontaktwiderstände und (2) reduzierte Beweglichkeiten als Folge von Wechselwirkungen mit Materialgrenzflächen. Nichtsdestotrotz besteht seitens der Industrie großes Interesse, die Potentiale von Graphen und 2D Materialien zu erforschen und ultimativ kommerziell zu nutzen. Ein Forum für den Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist dabei zum Beispiel die Fachgruppe „Graphen und 2D Materialien“ in Nordrhein-Westfalen.

Weitere Informationen:
Dr. Andreas Bablich
M. Sc. Stefan Wagner
Prof. Max Lemme

Graphen-basierte Nanotechnologie
Universität Siegen
Hölderlinstr. 3
57076 Siegen, Germany

http://www.nmwp.nrw.de/graphen/graphen/

1. Novoselov, K. S. et al. Electric Field Effect in Atomically Thin Carbon Films. Science 306, 666–669 (2004).

2. Mermin, N. D. et al. H. Absence of Ferromagnetism or Antiferromagnetism in One- or Two-Dimensional Isotropic Heisenberg Models. Phys. Rev. Lett. 17, 1133–1136 (1966).

3. Geringer, V. et al. Intrinsic and extrinsic corrugation of monolayer graphene deposited on SiO2. Phys. Rev. Lett. 102, 076102–4 (2009).

4. Meyer, J. C. et al. The structure of suspended graphene sheets. Nature 446, 60–63 (2007).

5. Ferrari, A. C. et al. Science and technology roadmap for graphene, related two-dimensional crystals, and hybrid systems. Nanoscale (2014).

6. Lee, C. et al. Measurement of the Elastic Properties and Intrinsic Strength of Monolayer Graphene. Science 321, 385–388 (2008).

7. Verdejo, R. et al. M. A. Graphene filled polymer nanocomposites. J. Mater. Chem. 21, 3301–3310 (2011).

8. Balandin, A. A. et al. Superior Thermal Conductivity of Single-Layer Graphene. Nano Lett. 8, 902–907 (2008).

9. Sukhadolau, A. V. et al. Thermal conductivity of CVD diamond at elevated temperatures. Diam. Relat. Mater. 14, 589–593 (2005).

 

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