Innovative Werkstoffherstellung für das Polymer Laser Sintern – Teil 2

Das Polymer Laser Sintern wird zu den additiven Fertigungsverfahren gezählt und erfreut sich aufgrund kurzer Produktzyklen und hoher Freiheitsgrade in der Fertigung immer größerer Beliebtheit. Die breitere Anwendung des Verfahrens wird unter anderem noch durch eine begrenzte Materialauswahl behindert, welche auf hohe Anforderungen und das Fehlen passender Herstellungsprozesse zurückzuführen ist. Im zweiten Teil dieses Artikels werden zwei experimentelle Herstellungsverfahren aus der aktuellen Forschung an der Universität Paderborn vorgestellt, welche das Potenzial bieten, die bisherigen Restriktionen zu beseitigen.

Im ersten Teil des Artikels wurde die kryogene Vermahlung als ein bereits etabliertes Verfahren zur Herstellung von SLS-Materialien vorgestellt, obwohl lediglich scharfkantige Partikeln und somit Pulver mit i.d.R. schlechten Fließeigenschaften erzeugt werden können. Um die Fließeigenschaften in einem nachgelagerten Schritt zu verbessern, werden an der Universität Paderborn die thermische Verrundung und die mechanische Verrundung tiefergehend untersucht. Bei der thermischen Verrundung in der Gasphase werden die Partikeln in einem vertikal beheizten Reaktor teilweise aufgeschmolzen und erhöhen aufgrund der geringeren Oberflächenspannung ihre Sphärizität, welche sie in der Erstarrungsphase beibehalten. Aktuelle Anlagen zur thermischen Verrundung liefern allerdings nicht nur eine geringe Ausbeute, sondern sind auch mit hohem Energieverbrauch verbunden, weshalb intensiver Forschungsbedarf besteht, um das Verfahren für die Massenproduktion weiterzuentwickeln. Der mechanische Verrundungsprozess nutzt mechanische Prallkräfte zur Partikeloberflächenmodifikation aus. Hierbei werden die Partikeln zunächst in einem Hochgeschwindigkeitsluftstrom dispergiert und anschließend durch einen schnell rotierenden Fächerschläger verrundet. Ähnlich zum thermischen Verrundungsprozess, ist der geringe Durchsatz dieses Verfahrens nicht für die Massenproduktion geeignet. Zur Verbesserung der mechanischen Verrundung wird an der Universität Paderborn ein neues Verfahren entwickelt, in welchem die Partikeln über kontrollierte Druckkräfte analog einer trockenen Rührwerkskugelmühle beansprucht werden. Es konnte bereits gezeigt werden, dass das Verfahren hervorragende Ergebnisse bei deutlich geringerem Energieaufwand liefert. Im nächsten Schritt soll ein Scale-Up vom experimentellen Stadium hinzu einer Laboranlage für den Dauerbetrieb erfolgen, um langfristig einen Industrieeinsatz vorzubereiten.

Particle from Gas Saturated Solution

Sprühverfahren sind schon lange zur Herstellung von Pulvern in der Industrie etabliert, allerdings lässt sich nicht jede Flüssigkeit oder Schmelze zu feinsten Tropfen versprühen. Für einige Materialien sind Sprühverfahren nicht wirtschaftlich oder würden gar das Produkt beschädigen, für andere Materialien ist es physikalisch mit den heutigen Voraussetzungen nicht möglich. Beim direkten Versprühen hochviskoser Polymerschmelzen über eine Düse wären extrem hohe Drücke notwendig, welche technisch nicht realisierbar sind. Aus diesem Grund kommt das PGSS-Verfahren (Particles from Gas Saturated Solutions) zum Einsatz, bei dem zunächst ein überkritisches Fluid, für gewöhnlich CO2, in die Schmelze eingelöst wird. Überkritische Gase sind als Hilfsmittel deshalb so interessant, da sie neben ihrer hohen Löslichkeit in geschmolzenen Stoffen, eine relativ hohe Dichte vergleichbar mit einer Flüssigkeit aufweisen, während sie jedoch ähnlich niederviskos sind wie Gase. Das Einlösen eines überkritischen Gases in eine hochviskose Schmelze führt folglich dazu, dass die Viskosität der Mischung drastisch herabgesetzt und ein Versprühen überhaupt erst möglich wird. Die Partikeln entstehen jedoch nicht allein durch klassischen Tropfenzerfall, sondern durch die Entspannung des gelösten Gases nach dem Düsenaustritt, welches aus dem Polymer entweicht und dabei die zumeist entstehenden Fäden in Tropfen zerreißt. CO2 eignet sich auch daher für den Prozess, da es weder toxisch oder brennbar und somit leicht zu handhaben sowie gut verfügbar ist.

Um ein Polymer mit dem PGSS-Verfahren erfolgreich zu Versprühen ist das Erzeugen einer homogenen Polymer-CO2-Mischung entscheidend. Aus diesem Grund wurden in der PGSS-Anlage der Universität Paderborn verschiedene Mischoperationen miteinander kombiniert. Die Compundierung des Polymers erfolgt in einem Doppelschneckenextruder (s. Abbildung 1), in dem auch die erste Zugabe von überkritischem CO2 erfolgt. Die Konfiguration der Extruderschnecken ist dabei auf eine hohe Mischwirkung ausgelegt und soll zudem verhindern, dass reines CO2 aus dem Extruder durch die gesamte Linie strömt, ohne sich in das Polymer einzulösen, wodurch der Prozess stark gestört würde.

Abbildung 1: PGSS-Anlage Universität Paderborn Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik

Abbildung 1: PGSS-Anlage Universität Paderborn Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik

Das CO2 wird zunächst mit einer Membranpumpe flüssig angesaugt und durch einen Wärmeübertrager temperiert, bevor die Einspritzung in den Extruder erfolgt. Im Anschluss folgt eine Zahnradpumpe zur Einstellung des notwendigen Betriebsdrucks. Da die Gleichgewichtskonzentration des Gases in der Schmelze druckabhängig ist, wird bei Drücken gearbeitet, die deutlich über dem kritischen Druck des Gases liegen, so dass sich eine möglichst große Menge an Gas im Polymer einlöst. Anschließend durchläuft das Polymer-CO2-Gemisch einen dynamischen Mischer, um Schmelze und Gas noch weiter zu homogenisieren und einen Schmelzekühler, mit dem die Temperatur der Mischung vor der Verdüsung eingestellt wird. Den Abschluss bildet die Düse in einem Sprühturm, in der es zu einem extremen Druckabfall kommt, infolgedessen das überkritische Fluid wieder gasförmig wird. Es verliert seine hohe Löslichkeit und tritt aus der umgebenden Matrix aus. Gleichzeitig nimmt die Dichte rapide ab und das Gas expandiert schlagartig. Dabei wird der umliegende Werkstoff in feinste Teilchen zerrissen, welche im Sprühturm herabfallen und sich aufgrund der Oberflächenspannung zu kugelförmigen Tropfen formen, solange sie ausreichend flüssig sind. Die Schmelzetropfen müssen erstarren, bevor sie auf dem Boden des Turms ankommen, um ein Verschmelzen zu verhindern und ein gleichmäßiges Pulver zu erzeugen. Die notwendige Abkühlung wird durch den Joule-Thomson Effekt erreicht, aufgrund dessen die Temperatur eines expandierenden Gases schlagartig abnimmt. Da die Zerstäubung hauptsächlich durch die Expansion des CO2 erfolgt, ist das Herstellen einer homogenen Mischung die größte Herausforderung in diesem Verfahren. Sollte die Zugabe des CO2 im Extruder nicht ausreichen, können zudem zwei weitere Einspritzpunkte hinzugefügt werden, einer am dynamischen Mischer und ein weiterer am Extruder. Das PGSS-Verfahren bietet verschiedene Vorteile für die Herstellung von SLS-Pulvern. So wird diesem kontinuierlichen Verfahren auf Grund des vorhandenen Up-scaling Potenzials große Chancen für eine industrielle Produktion zugeschrieben. Da ein Doppelschneckenextruder zum Herstellen der Schmelze verwendet wird, kann theoretisch jedes Kunststoffgranulat als Ausgangsstoff dienen und zu SLS-Pulver verarbeitet werden. Zudem wäre bei der Compoundierung die Einmischung von Additiven und Füllstoffen möglich, wodurch vollkommen neue Materialien dem SLS-Prozess zugänglich gemacht würden. Da die Additive direkt in die Schmelze eingemischt werden, liegen diese nicht nur auf der Oberfläche des Pulvers vor (gewöhnlichen Trockenmischungen), sondern sind direkt in der Matrix verteilt. Auch energetisch betrachtet bietet das PGSS-Verfahren Vorteile, da Compoundierung und Pulverisierung in einem Prozessschritt erfolgen, während beim Kryomahlen für die Herstellung von Compositmaterialien ein vorgeschalteter Compoundier-/Granulierprozess erforderlich ist.

Auch wenn das PGSS-Verfahren für die Herstellung von SLS-Materialien sich bisher noch in einer frühen Phase be­findet, sind die Potentiale dieses Verfahrens sehr groß, so dass sowohl eine Erhöhung der Materialvielfalt als auch eine Verbesserung der ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen zu er­warten sind.


Autoren:

Moritz Rüther, Helge Klippstein, Sathish Kumar Ponusamy, Steffen Jesinghausen, Hans-Joachim Schmid
Lehrstuhl für Partikelverfahrenstechnik (PVT, www.mb.uni-paderborn.de/pvt)
Paderborner Institut für Additive Fertigung (PIAF, https://piaf.uni-paderborn.de/)
Universität Paderborn

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