MXene

Dr. Heike Brandt, Dr. Ramona Langner, Dr. Diana Freudendahl

Mit der Entdeckung des Graphens im Jahr 2004 haben zweidimensionale (2D) Materialien wie MXene aufgrund ihrer außergewöhnlichen mechanischen, elektronischen, optischen sowie chemischen Eigenschaften und den damit verbundenen Anwendungsmöglichkeiten ein wachsendes Interesse erzeugt.

Im Gegensatz zum Graphen, bei dem die Abtrennung der benötigten atomlagen-dünnen Schichten ohne viel Kraftaufwand durch mechanische Trennung möglich ist, ist bei MXenen eine chemische Trennung erforderlich. Als Ausgangsmaterial für MX­ene dienen MAX-Phasen, deren Schichtstrukturen aus Übergangsmetallen (M) bestehen, die von Kohlenstoff oder Stickstoff (X) koordiniert werden, und einem dazwischenliegenden Element der 3. oder 4. Hauptgruppe (A). Für MXene werden daher Ätzverfahren mit Fluss- oder Salzsäure in Kombination mit Fluoridsalzen eingesetzt, um die A-Schichten selektiv zu lösen und die MXene zu isolieren. Durch diese Prozesse lassen sich vor allem Fluorid- und Hydroxygruppen (T) auf den Oberflächen nachweisen, die einen signifikanten Einfluss auf die Eigenschaften der MXene haben. Somit ergibt sich für MXene die allgemeine Formel Mn+1XnTz. Seit dem ersten Bericht über zweidimensionales Titancarbid (Ti3C2Tz) konnten mehr als 30 stöchiometrische MXene und Dutzende von Mischkristallen synthetisiert werden, wie z. B. V2CTz, (Ti0,5, Nb0,5)2CTz, Nb4C3Tz.

In Kombination mit Polymeren, Keramiken, Metallen und kohlenstoffbasierten Materialien, einschließlich Nanoröhren (CNT), Graphen und mesoporösem Kohlenstoff, bilden sie hervorragende Nanokomposite. In Metallmatrix-Kompositen können sich mit Verstärkungsmaterialien wie CNT und Graphen z. B. Agglomerationen bilden, was bei MXenen aufgrund ihrer hydrophilen Oberfläche vermieden werden kann. Zudem besitzen sie ausgezeichnete mechanische Eigenschaften, weshalb sie als ideale Verstärkungsmittel für metallische Werkstoffe wie Cu oder Al in Betracht gezogen werden. Auch ihr Einfluss auf Mikrostrukturen und mechanische Eigenschaften von oxidischen Systemen wie Aluminiumoxid wurde untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass z. B. Ti3C2Tz die Bruchzähigkeit, Härte und Biegefestigkeit (teils um ~300 % bei 2 Gew.- %) erhöhen kann. Solch ein symbiotischer Effekt wird generell für sulfidische- und oxidische Systeme postuliert, da diese das unerwünschte Restacking der MXen-Schichten behindern. Ti3C2Tz wurde als erstes MXen 2014 in eine Polymermatrix eingebracht und bis heute konzentrieren sich die meisten Arbeiten auf die Verwendung dieses leicht zu synthetisierenden und gegenüber Oxidation relativ stabilen Nanofüllstoffs. Die Einbindung von MXenen in Polymere ist derzeit von besonderem Interesse, da sie eine Funktionalisierung dieser Nanokomposite mit sich bringen. MXene verfügen beispielsweise über eine hohe metallische Leitfähigkeit und sind in der Lage, innerhalb einer nicht leitenden Polymermatrix ein Netzwerk von leitenden Pfaden zu bilden. Die elektrische Leitfähigkeit hängt jedoch von der Besetzung der M- und X-Plätze sowie von der Art der T-Gruppen ab, daher können auch halbleitende MXene erzeugt werden.

Obwohl der Schwerpunkt noch immer auf der Erforschung der MXene selbst liegt, konnten inzwischen zahlreiche MXen-Nanokomposite für eine enorme Bandbreite an möglichen Anwendungen synthetisiert werden; sie reichen von der Energiespeicherung, Sensoren, Katalyse, EMI-Abschirmung und Tribologie bis hin zum großen Bereich der Biomedizin.

Geräte, die mit elektrischer Energie betrieben werden, erzeugen elektromagnetische Interferenzen (EMI), die sich nachteilig auswirken können. Beispielsweise könnten leitfähige MXen-Polymerkomposite zur Absorption und Abschirmung solcher elektromagnetischen Wellen verwendet werden. Hierfür wichtige Parameter wie die Abhängigkeit des Widerstandes vom MXen-Volumenanteil oder der Temperatur werden auch für unterschiedlichste Laminatstrukturen, Aerogele, poröse Schäume und segregierte Strukturen intensiv untersucht.

MXene verfügen über eine gute chemische und strukturelle Stabilität und bringen darüber hinaus durch abstimmbare Oberflächengruppen Eigenschaften wie z. B. eine hohe Selektivität gegenüber einer spezifischen Gruppe von Analyten mit. Diese Abstimmbarkeit macht sie nicht nur zu vielversprechenden Kandidaten für die Entwicklung von flexiblen Dehnungssensoren, sondern auch von Gas- und selektiven Molekülsensoren. So konnten z. B. MXen/Polyurethan-Fasern Dehnungen bis zu 152 % erfassen. Ein großes Anwendungsfeld könnten biomedizinische Sensoren sein. Für MXen-Nanokomposite, die eine gute Biokompatibilität aufweisen, werden biomedizinische Anwendungen in den Bereichen Knochenregeneration, aber auch photothermische Therapien oder Biobildgebung angedacht. Von besonderem Interesse ist die Nutzung funktioneller Oberflächengruppen als Träger für Medikamentenmoleküle.

Katalysatoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung effektiver Energiewandler. In diesem Zusammenhang ist das Interesse an Wasserspaltungsreaktionen und CO2-Reduktion daher groß. MXene besitzen eine hohe Oberflächenhydrophilie, elektrische Leitfähigkeit sowie eine große Anzahl von exponierten Metallplätzen, was sie für elektrochemische und photokatalytische Katalysen geeignet erscheinen lässt. Des Weiteren haben Berechnungen gezeigt, dass MXene eine stärkere Wechselwirkung mit Edelmetallen wie Pd, Pt, Au und Ru aufweisen als Graphen. Weitere Modifikation könnte zu einer Optimierung der katalytischen Aktivität solcher Nanokomposite führen.

Erneuerbare Energiequellen sind häufig von Umweltfaktoren abhängig und erfordern neue Konzepte bei der Energiespeicherung. Fortschritte bei Batterien und Superkondensatoren sind daher von hohem Interesse. Es gibt eine Handvoll MXen-Komposite, die bezüglich höherer Energiedichten von Elektrodenmaterialien untersucht werden. Da MXene Ionen verschiedener Größen wie Li+, K+, Na+ und Mg2+ zwischen ihren Schichten aufnehmen können, könnten sie auch bei Nicht-Lithium-Ionen-Batterien Verwendung finden. MXene sind hoch leitfähig und ermöglichen einen schnellen Elektronentransfer, daher wird ihr Einsatz auch bei Superkondensatoranwendungen untersucht. Darüber hinaus sollen halbleitende MXene aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften in der thermoelektrischen Stromerzeugung eingesetzt werden.

Es ist davon auszugehen, dass im Labormaßstab zukünftig neue Funktionalitäten dieser Materialien vorangetrieben werden, wie z. B. magnetische Eigenschaften durch Elemente, die ein hohes magnetisches Moment besitzen. Es werden auch erste Ansätze unternommen, um strukturelle Ordnungen innerhalb der MXene zu nutzen, so kann z. B. die oktaedrische Koordination der Übergangsmetalle schichtweise entweder durch Kohlenstoff oder Stickstoff erfolgen. Eigenschaften von Kompositen können zukünftig optimiert werden, indem Matrix und Nanofüllstoff nicht zufällig dispergiert werden, sondern in geordneter Weise eine bestimmte Materialstruktur hergestellt wird. In Bezug auf industrielle Anwendungen ist insbesondere die Stabilität von MXenen eine technische Herausforderung, denn die große Anzahl von Oberflächengruppen macht sie für oxidative Degradation anfällig, was ihre Anwendung als Funktionsmaterial einschränkt. Darüber hinaus ist für die Nutzung ihres industriellen Potenzials entscheidend, ob eine „grünere“ Synthese von MXenen aus MAX-Phasen möglich wird.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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über Werkstofftrends

 

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