Textile Energiespeicher

Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl

Das Forschungsfeld textiler Energiespeicher ist erst in den letzten zehn Jahren neu entstanden, aber in dieser Zeit bereits enorm gewachsen. Ziel ist es dabei, Garne oder Gewebe mit der Fähigkeit zur Speicherung elektrischer Energie zu versehen. Dies ist für verschiedene Anwendungen interessant, die wichtigste ist jedoch die Nutzung in sogenannten intelligenten Textilien. Dies können etwa Smartshirts sein, die die Vitalparameter ihres Trägers erfassen sowie überwachen (Biomonitoring) und vor allem für Telemedizin und Sport von Interesse sind. Insbesondere könnte hiervon die Versorgung älterer Menschen profitieren: Durch eine permanente Überwachung ihres Gesundheitszustandes mithilfe solcher Smartshirts könnten sie z. B. länger in ihrem eigenen Heim wohnen. Aber auch im Bereich der Unterhaltungselektronik könnten intelligente Textilien neue Möglichkeiten eröffnen, beispielsweise indem sich andere tragbare Geräte wie Smartphones über sie steuern und/oder mit Energie versorgen lassen. Im Bereich Virtual Reality könnten zusätzlich zu den optischen Eindrücken durch die Virtual-Reality-Brille über spezielle Textilien auch taktile Eindrücke an den Nutzer übermittelt werden. In den Bereichen Rettungsdienst und Handwerk könnten Notfälle oder Unfallgefahren festgestellt und gegebenenfalls ein Alarm ausgelöst werden. Dazu müssten Vitalparameter, Körperhaltung und Position in einem Gelände oder einer Halle oder auch Umweltparameter wie toxische Gase in der Umgebung erfasst werden. Denkbar ist aber auch eine Unterstützung bei schwierigen Rettungsmissionen oder komplexen Fertigungsschritten in industriellen Prozessen durch haptisches oder taktiles Feedback sowie in das Textil integrierte Aktoren. In all diesen Anwendungen muss jedoch auch ausreichend Energie zur Verfügung stehen, idealerweise ohne dass zusätzliche unhandliche und schwere Energiespeicher wie herkömmliche Lithiumionenakkus mitgeführt werden müssen. Auch wenn derzeit noch unklar ist, ob textile Energiespeicher in genügender Menge Energie bereitstellen werden können, wird ihnen daher ein großes Potenzial für all diese Anwendungsbereiche zugeschrieben.

Grundlegende Anforderungen an solche textilen Energiespeicher bestehen dabei in einer hohen Dehnbarkeit und Verformbarkeit sowie einer hohen Robustheit gegenüber mechanischer Beanspruchung, insbesondere aber gegenüber einer großen Zahl an Waschvorgängen. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Energiespeichern unterscheiden: Superkondensatoren und Batterien bzw. Akkumulatoren. Letztere weisen den Vorteil einer sehr hohen Energiedichte auf, während Superkondensatoren Energie deutlich schneller speichern und wieder abgeben können. Beide Typen von Energiespeichern wurden bereits in textiler Form erhalten. Dabei fokussierte sich die Entwicklung zunächst auf textile Superkondensatoren, da diese sich vom Aufbau her leichter umsetzen lassen, sodass bereits 2012 erste Laborsysteme demonstriert werden konnten. Textile Batterien folgten erst später ab ca. 2014; mittlerweile wurden aber sehr viele verschiedene Batterietypen in textiler Form entwickelt.

Um Energiespeicherfunktionen in Textilien zu integrieren, nutzt man hauptsächlich zwei Vorgehensweisen. Die erste Möglichkeit ist eine Integration auf Ebene des Garns. Dabei werden entweder einzelne Fäden mit unterschiedlichen Funktionalitäten (z. B. Elektroden) miteinander zu einem Garn verzwirnt oder die unterschiedlichen Komponenten des Energiespeichers werden koaxial in Schichten aufgetragen, um einen Garnfaden zu erhalten. Anschließend können diese energiespeichernden Garne nach Wunsch verarbeitet, also z. B. gewebt oder verstrickt sowie auf ein Textil aufgestickt werden. Ein Beispiel stellt die Entwicklung eines faserförmigen Zink-Ionen-Akkus dar, der sich sowohl auf Gewebe aufsticken oder aufnähen lässt sowie zu einem Gewebe verwoben werden kann und eine hohe Zyklenstabilität sowie Waschbarkeit aufweist. Der große Vorteil garnförmiger Energiespeicher besteht dabei darin, dass die vorteilhaften Eigenschaften eines Gewebes, also seine mechanische Beweglichkeit, seine Atmungsfähigkeit und die taktilen Eigenschaften kaum beeinträchtigt werden. Allerdings bringt das eindimensionale Design generell im Vergleich zu herkömmlichen planaren Aufbauten derzeit noch sehr viele Nachteile mit sich. Dazu zählen eine geringere Effizienz sowie noch viele ungelöste Fragen im Bereich der Übertragung in kommerziell nutzbare Systeme, etwa was die Verkapselung zum Schutz vor Abrieb und Feuchtigkeit angeht.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, bereits vorhandene Gewebe, z. B. einen Baumwollstoff, mit funktionalen Beschichtungen zu versehen, die ein Speichern von Energie ermöglichen. Hier kommt es typischerweise zu größeren Beeinträchtigungen der Textileigenschaften, die Umsetzung kann aber einfacher sein. Ein interessantes Beispiel stellt ein Superkondensator basierend auf einem Baumwollgewebe dar. Dabei wurde das Baumwollgewebe von beiden Seiten mit Elektroden aus Aktivkohle beschichtet und anschließend die dazwischen liegenden, noch frei gebliebenen Baumwollregionen mit einem Gelelektrolyten imprägniert. Dadurch wirkte die frei gebliebene Baumwolle nicht nur als Trennschicht zwischen den Elektroden, es wurde auch kaum die Beweglichkeit des Gewebes eingeschränkt.

Sowohl bei Superkondensatoren als auch bei Batterien hat sich ein großer Fortschritt durch die Nutzung ebensolcher Gelelektrolyten ergeben. Dadurch lassen sich unter anderem Kurzschlüsse vermeiden, die entstehen können, wenn sich die Elektroden, ausgelöst durch Bewegungen des Gewebes oder Druck auf das System, berühren. Zusätzlich gab es im Bereich der Superkondensatoren vielversprechen­de Entwicklungen bei Elek­troden basierend auf Kohlefasern, Kohlenstoffnanoröhren oder Graphen. Diese verfügen über eine enorm hohe elektrische Leitfähigkeit und lassen sich einfacher als Elektroden basierend auf Metalloxiden oder leitfähigen Polymeren auch auf größeren Skalen herstellen, ermöglichen allerdings bisher nur geringe Speicherdichten. In der Batterieforschung fokussiert man derzeit stark auf Metall-Luft-Batterien, da sich mit diesen theoretisch sehr hohe Speicherdichten erzielen lassen.

Grundsätzlich sind die vorgestellten Ansätze sehr vielversprechend. Dennoch ist noch viel Forschung nötig, um die demonstrierten Forschungsergebnisse  in die Praxis zu übertragen. Textile Energiespeicher weisen zwar eine hohe mechanische Flexibilität auf, ihre Robustheit und Haltbarkeit sind jedoch oftmals noch ein Problem, insbesondere, was die Waschbarkeit betrifft. Zudem lassen sich mit diesen alternativen Energiespeichern derzeit bei weitem nicht die Speicherdichten von State-of-the-Art-Systemen oder nicht-textilen flexiblen Energiespeichern erzielen. In den allermeisten Fällen fehlen zudem Möglichkeiten einer großtechnischen Herstellung. Aus diesen Gründen erscheint eine Nutzung in kommerziellen Textilien frühestens in einigen Jahren möglich.

Fraunhofer Institut für
Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
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