Textiles Energy Harvesting

Dr. Ramona Langner, Dr. Heike Brandt, Dr. Diana Freudendahl

Die Entwicklung intelligenter Textilien hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Dabei wurden Textilien mit immer mehr „smarten“ Funktionen ausgestattet, etwa der, die Vitalparameter ihres Trägers zu erfassen, Energie zu speichern und für verschiedene Geräte zur Verfügung zu stellen, ihre Farbe passend zur Stimmung ihres Trägers zu verändern oder für eine bessere Klimatisierung zu sorgen. Damit stehen sie für eine große Bandbreite an Anwendungen zur Verfügung: von der Gesundheitsvorsorge und Telemedizin über den Sport- und Freizeitbereich bis hin zum Rettungsdienst. Eine große Einschränkung stellt derzeit jedoch noch die zuverlässige Versorgung solcher intelligenten Textilien mit ausreichend Energie dar. Zwar befinden sich bereits textile Batterien und Superkondensatoren in der Entwicklung und intelligente Textilien lassen sich auch mit herkömmlichen Batterien kombinieren. Doch müssen beide Arten von Energiespeichern regelmäßig aufgeladen werden. Das erweist sich in der Regel als unpraktisch und herkömmliche Batterien sind im Vergleich zu einer textilen Energieversorgung schwer und klobig. Daher wird verstärkt daran geforscht, die Textilien selbst mit der Fähigkeit zur Energiegewinnung aus der Umgebung zu versehen.

Ein solches Energy Harvesting nutzt verschiedene Formen von Energie, die in der Umgebung zwar nur in geringen Mengen, dafür aber praktisch ununterbrochen zur Verfügung stehen. Zu ihrer Umwandlung in elektrischen Strom werden entsprechend unterschiedliche Arten von Nanogeneratoren entwickelt, die aus Bewegungen des Körpers, seiner Wärmeabstrahlung oder aus chemischen Verbindungen z. B. in Schweiß oder Blut Energie gewinnen. Die so erhaltene Leistung ist zwar sehr gering, allerdings benötigen typische textile Verbraucher auch nur geringe Leistungen. Beispielsweise liegt der Leistungsbedarf von Sensorik in elektronischen Pflastern oder in Fitnessarmbändern im Allgemeinen im Bereich mehrerer hundert Mikrowatt.

Grundsätzlich lässt sich zwischen zwei Arten textiler Energy Harvester unterscheiden. Diese können zum einen in Faserform vorliegen. Hier wird ein zentraler Draht oder Faden, der das Substrat darstellt, ähnlich wie bei Koaxialkabeln schrittweise mit verschiedenen funktionalen Schichten, z. B. Elektroden, beschichtet. Die so erhaltenen Garne lassen sich anschließend zu einem Gewebe verarbeiten oder auf ein bestehendes Gewebe aufsticken. Zum anderen lassen sich zweidimensionale textile Energy Harvester erhalten, indem entweder funktionale Schichten durch verschiedene Beschichtungs- oder Druckverfahren auf ein bestehendes Gewebe aufgetragen werden oder aber planare Energy Harvester separat hergestellt und anschließend aufgenäht oder auf andere Weise am Gewebe befestigt werden.

Von besonderem Interesse für die Umwandlung mechanischer Energie in elektrischen Strom sind triboelektrische Nanogeneratoren (TENG), die auf einer Kombination aus triboelektrischem Effekt und elektrostatischer Induktion beruhen. Textile TENG lassen sich prinzipiell einfach und kostengünstig in großen Mengen herstellen und leicht zu Geweben verweben oder verstricken sowie auf Gewebe aufnähen. Zudem lassen sich, z. T. durch einfaches Aufsprühen, weitere interessante Funktionalisierungen wie wasserabweisende oder antibakterielle Eigenschaften oder eine Erhöhung des Flammschutzes aufbringen. Allerdings besteht ein großes Hindernis für eine verbreitete Nutzung in ihrer geringen und vor allem schwankenden Leistungsbereitstellung. Deshalb wird an neuen Arten von TENG sowie komplexeren Aufbauten geforscht, beispielsweise durch dreidimensionale Schichtstrukturen. Dadurch werden jedoch auch aufwändigere Fertigungsverfahren notwendig.

Auf ähnliche Weise lassen sich auch piezoelektrische Nanogeneratoren (PNG) nutzen, die ebenfalls aus Druckeinwirkungen Energie gewinnen können. Hier, wie auch im Falle von thermoelektrischen Generatoren (TEG), die die Temperaturdifferenz zwischen Körperoberfläche und Umgebung ausnutzen, konzentriert sich die Forschung auf zwei verschiedene Materialklassen: klassische Halbleiter wie Zinkoxid oder Kadmiumsulfid (PNG) bzw. komplexe Telluride oder Antimonide (TEG) einerseits sowie polymerbasierte Werkstoffe wie z. B. Polyimide oder Polyvinylidenfluorid (PNG) bzw. Polyethylenglycol oder PEDOT:PSS (TEG) andererseits. Hier wurde bereits eine Vielzahl an faserförmigen sowie zweidimensionalen textilen Nanogeneratoren vorgestellt. Jedoch behindern grundlegende Nachteile der genutzten Materialien derzeit noch eine kommerzielle Anwendung. Halbleitende Materialien weisen zwar gute piezo- bzw. thermoelektrische Eigenschaften auf, sie sind jedoch mechanisch rigide und daher schlecht in textile Gewebe integrierbar. Zudem weisen sie üblicherweise den Nachteil höherer Materialkosten und komplexerer Fertigungsprozesse auf. Dagegen lassen sich flexible textile Materialien basierend auf Polymeren bzw. Polymerkompositen kostengünstig und einfach herstellen. Ihre piezo- und thermoelektrischen Eigenschaften sind jedoch deutlich schlechter, was ihre Nutzung derzeit ebenfalls stark einschränkt.

Noch im Anfangsstadium befindet sich die Gewinnung von Energie aus Körperflüssigkeiten bzw. körpereigenen chemischen Verbindungen. Diese eignen sich vornehmlich für die Energieversorgung von Implantaten, durch die Nutzung von Molekülen in Schweiß kommen sie jedoch auch für elektronische Pflaster oder am Körper getragene Geräte in Frage. Typische Biomoleküle, die für eine Verwertung genutzt werden, sind z. B. Glukose oder Laktat. Diese werden mithilfe von entweder enzymatischen oder mikrobiellen Brennstoffzellen verwertet. In enzymatischen Brennstoffzellen kommen anstelle der klassischen Edelmetallkatalysatoren verschiedene Enzyme zum Einsatz, um die chemischen Reaktionen anzutreiben. Mikrobielle Brennstoffzellen nutzen dagegen bestimmte Bakterien, die den menschlichen Körper besiedeln und chemische Verbindungen im Schweiß für ihre Energieversorgung nutzen.

Mit der zunehmenden Technologiereife textiler Energy Harvester selbst verschiebt sich der Fokus zunehmend auf die Entwicklung ganzer smarter Textilsysteme. Wichtige Forschungsthemen sind hier Hybridgeneratoren, die mehrere Energieformen gleichzeitig nutzen können, die Integration einzelner oder mehrerer Energy Harvester in übergeordnete Systeme bzw. ein Energiemanagementsystem sowie die Entwicklung von Generatoren basierend auf hautverträglichen Materialien. Die größte Herausforderung besteht derzeit aber immer noch in der Entwicklung langlebiger elektronischer Textilien, die auch viele Waschzyklen überstehen können. Dabei spielen sowohl die Beständigkeit gegenüber Wassereinwirkung und Waschmitteln eine Rolle als auch die mechanische Belastung durch den Waschvorgang oder während des Tragens. Neben rein technischen Aspekten müssen zudem zukünftig weitere Faktoren stärker berücksichtigt werden. Hier ist vor allem der individuelle Tragekomfort zu nennen. Beispielsweise dürfen Energy Harvester nicht zu Hautirritationen führen, das Gewebe nicht zu stark beschweren oder sich nicht zu kalt oder zu warm auf der Haut anfühlen. Insgesamt ist mit einem verbreiteten kommerziellen Einsatz textiler Energy Harvester erst mittel- bis langfristig zu rechnen.

Fraunhofer Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen
Appelsgarten 2, 53879 Euskirchen
berichtet in jeder Ausgabe exklusiv über Werkstofftrends

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